Konsequenz in der Kindererziehung – geht es nicht auch ohne?

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Konsequenz in der Kindererziehung – geht es nicht auch ohne?

Eltern stehen oft vor der Frage: Muss ich immer konsequent sein? Ein Selbstversuch zeigt – Regeln geben Kindern Halt, fördern Selbstverantwortung und entlasten den Familienalltag. Doch auch Ausnahmen dürfen ihren Platz haben.

Die Frage in der Überschrift habe ich mich als Mutter tatsächlich selber schon häufig gefragt. Wäre der Alltag mit den Kindern nicht viel entspannter, wenn ich einfach öfter nachgeben würde? Sagen würde “na gut, dann machen wir es halt anders”? In einem kleinen Experiment habe ich das einmal ausprobiert und mir vorgenommen, einen Tag lang gar nicht konsequent zu sein … ich habe es keine paar Stunden durchgehalten. Ich konnte nicht damit leben, dass meine Kinder sich nicht die Zähne putzen, Medikamente nicht nehmen, Verabredungen nicht einhalten oder während der Schulzeit nach Mitternacht ins Bett gehen usw.

Viele Regeln, die wir als Eltern aufstellen und umsetzen möchten, haben mit unserer Verantwortung gegenüber unseren Kindern zu tun. Je nach Alter und kognitiven Fähigkeiten der Kinder gibt es Dinge, die wir durchsetzen möchten, um unsere Kinder vor Gefahren zu schützen und eine gesunde Entwicklung sicher zu stellen: Anschnallen im Auto, Konflikte mit Worten lösen, gesund ernähren…

Erklärungen, Diskussionen, Gespräche reichen nicht immer aus

Häufig reicht es gerade bei Klein- oder Grundschulkindern nicht aus, ihnen eine gute Erklärung zu liefern, um sie dazu zu bringen, etwas zu tun. Sie können entwicklungsbedingt noch nicht nachvollziehen, welche Folgen es in der fernen Zukunft haben kann, wenn sie sich die Zähne nicht putzen. Erklärungen, Diskussionen, Gespräche sind natürlich dennoch wichtig und richtig.

Sie reichen nur nicht immer aus, um Regeln konsequent durchzusetzen. Im Erziehungsalltag gibt es häufig Situationen, in denen Eltern ihre Kinder auffordern etwas zu tun oder zu lassen (Hände waschen, Hausaufgaben machen, das Handy ausschalten,… ). Jedes Mal gibt es zwei mögliche Ausgänge: Die Kinder tun, um was sie gebeten worden sind, oder sie tun es eben nicht. Ist letzteres der Fall, müssen Eltern entscheiden, wie sie darauf reagieren.

Eltern von chronisch kranken Kindern haben zusätzlich die Aufgabe, die Umsetzung der therapeutischen Maßnahmen durchzusetzen. Das bedeutet, dass sie noch häufiger als Eltern gesunder Kinder Grenzen setzen und Regeln aufstellen und deren Einhaltung einfordern müssen. Auch hier gilt, dass es oft nicht ausreicht, Kindern eine gute Erklärung zu vermitteln. Es kann vermehrt zu Konflikten kommen, die wiederum zu einer erhöhten Belastung der gesamten Familie führen können und sich auch auf die Umsetzung der Therapiemaßnahmen auswirken können.

Konsequenz ist wichtig

  • Jedes Verhalten hat Konsequenzen
  • Konsequentes elterliches Handeln fördert das Gefühl von Selbstwirksamkeit bei Kindern
  • Konsequentes Erziehungsverhalten ermöglicht es Kindern zu lernen, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen

Ist Konsequenz nur für die Eltern positiv?

Nein! Wenn Eltern konsequent handeln, ermöglichen sie ihren Kindern zu lernen, dass ihre Handlungen Folgen haben. So können sie das Gefühl von Selbstwirksamkeit bei ihren Kindern fördern und die Kinder lernen, Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zu übernehmen. Das gilt für alle Menschen: auch als Eltern erleben wir, dass unsere Handlungen immer Konsequenzen haben.

Was passiert denn, wenn ich mal nicht konsequent bin?

Das kennen wahrscheinlich alle Eltern: Situationen in denen man dem Drängen der Kinder nachgibt oder eine aufgestellte Regel bricht, weil man einfach zu müde und erschöpft ist, um sich durchzusetzen. Weder Eltern noch Kinder sind Maschinen und nicht immer läuft alles optimal. Das ist auch völlig in Ordnung. Schwierig wird es, wenn Kinder durch Jammern oder Brüllen häufig Aufforderungen umgehen können oder Ziele erreichen. Das liegt daran, dass wie oben besprochen wir aus den Konsequenzen, die auf unsere Handlungen folgen, lernen.

Wenn beharrliches Schreien die Wahrscheinlichkeit erhöht, an ein Ziel zu kommen (z. B. länger Computer spielen, noch ein Eis essen), dann wird es als sinnvolle Strategie erlernt. Oder ein Kind lernt, wenn ich eine Aufgabe nicht mache, hat das keine Konsequenzen. Umgekehrt lernen auch Eltern durch Erfahrung (z. B. “ich kann mich nur mit Schimpfen durchsetzen”). Deshalb ist es wichtig, als elementar erachtete Regeln in der Mehrzahl der Situationen durchzusetzen.

Kinder können aber auch sehr gut lernen, dass es Ausnahmesituationen gibt. Am besten funktioniert das, wenn diese Ausnahme angekündigt wird und die Regel dann offiziell für eine bestimmte Zeit außer Kraft gesetzt wird: “Heute ist eine Ausnahme, weil… darum gilt… nicht.”

Konsequent erziehen

Wesentliche Eckpfeiler für konsequentere Erziehung:

  • Nur wenige Regeln
  • Nur Anweisungen, die mir wirklich wichtig sind
  • Effektiv Anweisungen geben
  • Logische oder natürliche Konsequenzen folgen lassen
  • Regeln immer wieder anpassen
  • Regeln immer wieder in ruhiger Situation mit den Kindern neu festlegen
  • Ein gutes Modell sein und sich auch selber konsequent an Regeln halten
  • Eine gute Beziehung zum Kind aufbauen

Wie kann ich denn konsequenter erziehen?

Die wichtigste und gleichzeitig schwierigste Strategie für Eltern, die konsequenter erziehen möchten, ist, sich zu überlegen, welche Regeln und Anweisungen ihnen wirklich wichtig sind und welche nicht. Versuchen Sie Aufforderungen oder Regeln, die Sie häufig nicht durchsetzen, gar nicht erst auszusprechen. Damit reduzieren Sie die Möglichkeiten für Konflikte und ungünstige Lernerfahrungen. Wenn es mir z. B. nur ein bisschen wichtig ist, ob mein Kind sein Bett macht und ich es in den meisten Fällen dann doch selber übernehme, ist es günstiger, die Anweisung gar nicht erst auszusprechen.

Konsequentes Handeln ist einfacher und wahrscheinlicher, wenn Eltern effektive Anweisungen geben. Anweisungen an Kinder sollten positiv, konkret formuliert und realistisch sein. Wichtig ist, dass Eltern die Aufmerksamkeit ihres Kindes sicherstellen, während sie die Anweisung oder Aufforderung geben. Dies kann z. B. durch Blickkontakt, oder Ansprache mit dem Namen des Kindes geschehen.

Kommen Kinder einer Anweisung, Regel oder Bitte nicht nach und Eltern möchten diese konsequent verfolgen, können sie natürliche oder logische Konsequenzen folgen lassen. Natürliche Konsequenzen ergeben sich aus der Situation, z. B. zu spät zum Fußballtraining kommen, wenn die benötigten Diabetesutensilien oder Trainingssachen nicht rechtzeitig gepackt wurden. Logische Konsequenzen stehen mit dem Verhalten im Zusammenhang. Etwa ein Spielzeug entfernen, wenn ein Kind damit unangemessen umgeht.

Wichtig: wertschätzende und vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung

Eltern sind wichtige Vorbilder. Deswegen sollten auch wir als Eltern uns konsequent an Regeln halten. Welche Regeln das sind, ist von Familie zu Familie unterschiedlich: z. B. mit ruhiger Stimme sprechen, beim Essen das Handy weglegen. Kinder entwickeln sich und Zeiten ändern sich. Alle Regeln und Aufgaben sollten immer wieder überprüft und angepasst werden. Je nach Alter des Kindes kann im Rahmen von gemeinsamen Gesprächen und Diskussionen überlegt werden, ob die Regeln noch angemessen sind oder geändert werden sollen.

Eine wichtige Vorraussetzung für konsequentes Handeln ist ein gutes Fundament in Form einer vertrauensvollen, liebevollen und wertschätzenden Eltern-Kind-Beziehung. Dies können Eltern u. a. dadurch unterstützen, indem sie positive Zeit mit ihrem Kind verbringen, Anerkennung und Ermutigung aussprechen, sich mit ihrem Kind unterhalten, seine Meinung wertschätzen und körperliche Zuwendung zeigen. Kindererziehung ist eine wundervolle, erfüllende Aufgabe, die Eltern aber auch immer wieder an ihre Grenzen bringen kann.

Wenn Konflikte andauern oder eskalieren, können Eltern sich Hilfe holen. Erziehungs- und Familienberatungsstellen bieten auch kurzfristig Beratungstermine und Erziehungstrainings an. Ein Training, das speziell für Eltern von Kindern mit Typ-1-Diabetes konzipiert worden ist, ist das DELFIN-Elternprogramm. Wenn Sie im Erziehungsalltag etwas ändern möchten, beginnen Sie mit einer konkreten Situation, die immer wieder zu Konflikten führt. Das ist effektiver als an vielen Stellen gleichzeitig anzusetzen.

Literatur

  1. Lange K, Burger W, Holl R, Hürter P, Saßmann H, von Schütz W, Danne T. Diabetes bei Jugendlichen: ein Schulungsprogramm. 3. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Kirchheim, Mainz; 2017
  2. Kast-Zahn A. Jedes Kind kann Regeln lernen. Gräfe und Unzer Verlag, München; 2013
  3. Saßmann H, Lange K. DELFIN Das Elternprogramm für Familien von Kindern mit Diabetes (2-10 Jahre). Eltern-Schulungshandbuch, Kirchheim Verlag, Mainz; 2015

von PD Dr. Heike Saßmann

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2022; 13 (4) Seite 16-18

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  • tako111 postete ein Update vor 21 Stunden, 35 Minuten

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • nina33 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes Typ 3c vor 1 Tag

    Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

    • Willkommen Nina, …
      da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
      Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
      lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …

      Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
      falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!

      Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.

      LG

      Wolfgang

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 2 Tagen, 5 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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