Lässt sich die Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen aufhalten?

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Lässt sich die Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen aufhalten?

Neue Studien an Kindern und Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes zeigen, dass man den Prozess der immunvermittelten Betazellzerstörung abmildern kann – zumindest über eine gewisse Zeitspanne. Schütten die noch funktionsfähigen Betazellen noch möglichst lange Insulin aus, wirkt sich das günstig auf den weiteren Krankheitsverlauf aus.

Für die Zerstörung der Betazellen werden Immunzellen des Körpers verantwortlich gemacht, z. B. T-Lymphozyten. Die komplizierten Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Zellen des Immunsystems in Hinsicht auf die Betazellzerstörung sind bislang nicht komplett aufgeklärt. Man weiß aber, dass Botenstoffe von aktivierten Immunzellen die Betazellen direkt schädigen können.

Schematische Darstellung einer normalen Langerhans’sche Insel (rechts) und einer Langerhans’sche Insel bei Typ-1-Diabetes.

Selbst wenn der Typ-1-Diabetes schon diagnostiziert wurde, sind meist noch funktionsfähige Betazellen vorhanden. Jedoch schreitet ihre Zerstörung weiter voran. Hier setzen zwei kürzlich veröffentlichte Studien an.

Wichtig zu wissen ist dabei, dass Forscher inzwischen verschiedene Stufen der Typ-1-Diabetes-Entwicklung unterscheiden:

  • Stufe 0: genetisches Risiko
  • Stufe 1: positive Antikörper
  • Stufe 2: Antikörper und erhöhte Blutzuckerwerte ohne klinische Symptome
  • Stufe 3: klinisch manifester Diabetes

C-Peptid zeigt eigene Insulinproduktion an

Beide Studien wurden nach Diagnosestellung des Typ-1-Diabetes begonnen. Ziel war hierbei, die bei Diagnose immer noch vorhandene, wenn auch verminderte körpereigene Insulinausschüttung zu stabilisieren oder möglicherweise sogar zu verbessern. Um einen Behandlungserfolg zu zeigen, misst man das C-Peptid.

Hintergrund: Insulin wird in der Betazelle zunächst in einer Vorstufe, dem sogenannten Proinsulin hergestellt, welches in das blutzuckersenkende Insulin und das biologisch weitgehend inaktive C-Peptid gespalten wird. Während man zwischen dem vom Körper selbst hergestellten Insulin und dem über Pen oder Pumpe injizierten, pharmazeutisch produzierten Insulin im Blut nicht unterscheiden kann, erlaubt der Nachweis von C-Peptid einen Rückschluss über die Restfunktion der Betazelle, da Insulinpräparate kein C-Peptid enthalten.

Studie 1: die Teplizumab-Studie

Die Arbeitsgruppe von Professor Kevan Herold aus Yale veröffentlichte im April 2019 Daten einer Nachbeobachtung von Patienten im Alter von 8 bis 30 Jahren, die bis zu 8 Wochen nach Diagnose des Typ-1-Diabetes im Jahr 2011 mit Teplizumab behandelt worden sind. Teplizumab bindet den CD3-Rezeptor der T-Zellen. Dadurch werden diese Immunzellen daran gehindert, die insulinbildenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse anzugreifen und zu zerstören.

Durch die Behandlung bleiben die Inselzellen länger erhalten, und so wird das Voranschreiten der Erkrankung verlangsamt. Bei rund der Hälfte der 52 Patienten ließ sich die körpereigene Insulinproduktion für zwei Jahre vollständig aufrechterhalten, wenn sie zu Beginn der Studie zwei Wochen lang und nach einem Jahr nochmals mit Teplizumab behandelt wurden.

Langzeitergebnisse lassen hoffen

In der Gesamtgruppe waren allerdings seinerzeit nach zwei Jahren keine Unterschiede mehr zwischen Placebo- und Behandlungsgruppe nachzuweisen. Vermutlich spielten die Schwere der Krankheit und vor allem der Zeitpunkt des Therapiestarts nach Ausbruch von Typ-1-Diabetes eine Rolle. Auch unterschied sich die Untergruppe mit ausgeprägtem Behandlungserfolg durch bestimmte Immunmarker (z. B. HLA-Typ oder Fehlen von anti-ZNT8-Diabetes-Antikörpern) von den anderen.

Fazit Studie 1: Nach den jetzt vorgestellten Untersuchungsergebnissen konnte eine Stabilisierung der C-Peptidspiegel und eine Verzögerung des Wiederauftreten des klinischen Diabetes um 2 bis 4 Jahre (längstens 88 Monate) bewirkt werden. Nun wollen die Forscher herausfinden, wie man am besten Patienten identifizieren kann, die langfristig von dieser Behandlung profitieren und welches der beste Zeitpunkt der Behandlung ist.

Studie 2: die Anti-Thymozytenglobulin-Studie

Die Arbeitsgruppe von Michael Heller von der Universität Florida untersuchte, ob eine niedrige Dosis des als Antithymozytenglobulin (ATG) bekannten Gemischs von Antikörpern, welches meist zur Therapie von Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantation eingesetzt wird, die Insulinproduktion nach Diabetesdiagnose aufrechterhalten kann.

Die ebenfalls im April publizierte Studie umfasste 89 Teilnehmer im Alter zwischen 12 und 45 Jahren, die innerhalb von 100 Tagen nach der Typ-1-Diabetes-Diagnose in die Studie eingeschlossen wurden.

Die Teilnehmer wurden in drei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt ATG, eine Gruppe erhielt ATG kombiniert mit GCSF (Medikament, das häufig zur Erhöhung der Anzahl der weißen Blutkörperchen bei Chemotherapie verwendet wird) und eine Gruppe erhielt ein Placebo. In der Behandlungsphase hatten alle Teilnehmer zwei Tage lang intravenöse Infusionen, dann sechs Injektionen über einen Zeitraum von 10 Wochen.

Fazit Studie 2: Zwei Jahre nach Beginn der Behandlung fand sich mit niedrig dosiertem ATG mehr C-Peptid als Hinweis auf einen besseren Erhalt der Insulinproduktion der Betazellen. Zusätzlich waren die HbA1c-Werte bei Studienteilnehmern, die mit niedrig dosiertem ATG behandelt wurden, signifikant niedriger. ATG in Kombination mit GCSF verbesserte das Ergebnis jedoch nicht.

Studiennetzwerk INNODIA plant Interventionsstudie

Wir wissen aus anderen Untersuchungen, dass sich selbst eine milde Verbesserung der körpereigenen Insulinausschüttung schützend auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirkt, so dass sich eine Intervention also auch bei bereits aufgetretenem Diabetes noch lohnt. Der größte Nachteil ist die zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine ausgeprägte Zerstörung der Inselzellen.

Jetzt sollen im Rahmen des europäischen INNODIA-Netzwerks diese neuen Ergebnisse mit modernsten Methoden fortgeführt werden. Auch wenn die Kombination mit GCSF keinen Zusatznutzen brachte, geht man davon aus, dass eine Kombination verschiedener Medikamente am erfolgversprechendsten ist. In Frage kommen neben den beiden schon genannten Medikamenten noch weitere (z. B. Verapamil, Toclizumab, Anti-TNF, Usketimumab).

Je nach Erfolg bei Patienten mit bereits klinisch manifesten Diabetes sollen erfolgreiche Ansätze auch bei Patienten eingesetzt werden, bei denen trotz hoher Diabetes-Antikörper noch kein Diabetes aufgetreten ist oder bei denen ein hohes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes besteht.

Heilung bislang nicht möglich

Durch das zunehmende Verständnis der Ursachen des Typ-1-Diabetes ist es heute möglich, neue Therapieansätze zu entwickeln und zu erproben, die zu einer Heilung oder bestenfalls zur Prävention des Typ-1-Diabetes führen. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass zumindest ein über mehrere Jahre gehender Erhalt der Betazellfunktion nach klinischer Manifestation des Diabetes erreicht werden kann. Mit keiner der verfügbaren Therapien ist allerdings momentan eine Heilung möglich.


von Prof. Dr. med. Thomas Danne
Chefarzt Kinderkrankenhaus auf der Bult,
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: danne@hka.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (2) Seite 6-7

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  • sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche

    hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • mayhe antwortete vor 1 Woche

      Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • sveastine antwortete vor 1 Woche

      @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag

    Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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