- Eltern und Kind
Nachgefragt | Psychologie: Stine mogelt manchmal im Protokollheft – was tun?
3 Minuten
Das “Diabetes-Eltern-Journal” beantwortet Ihnen in jeder Ausgabe medizinische Fragen aus unterschiedlichster Perspektive. Besonder wichtig für Eltern von Kindern mit Diabetes sind daneben Fragen vor psychosozialem Hintergrund. Alle Fragen werden von ausgewiesenen Experten beantwortet.
Die Frage
Unsere Tochter Stine ist mit ihren neun Jahren schon sehr selbstständig, auch im Umgang mit ihrem Diabetes. Er wurde vor zwei Jahren erkannt und wird seitdem mit einer intensivierten Therapie (Pens) behandelt. Stine protokolliert ihre Werte selbst – und ich dachte, auch verlässlich.
Gestern habe ich mir zufällig die Daten in Stines Messgerät angesehen und war geschockt. Sie waren längst nicht so gut wie die Werte, die Stine in ihr Protokollheft geschrieben hatte. Als ich sie zur Rede stellte, wurde sie zunächst aggressiv. Jetzt zieht sie sich zurück und sagt, dass sie den Diabetes hasst.
Frau K.
Die Antwort von Prof. Dr. Karin Lange
So, wie Sie Ihre Tochter schildern, ist Stine schon sehr selbstständig und ehrgeizig. Darauf sind Sie alle – Eltern und Kind – wahrscheinlich sehr stolz. Gleichzeitig ist ein neunjähriges Kind wie Ihre Tochter geistig noch vollkommen überfordert, wenn es seine Insulintherapie verantwortlich steuern soll.
Wenn ein Kind nun einerseits den Anspruch an sich hat, den Diabetes selbst gut zu meistern und dafür Anerkennung von den Eltern zu bekommen, andererseits viel zu hohe und schwankende Werte misst, ist es in einer Zwickmühle: Gibt es die schlechten Werte ehrlich zu, dann sind die Eltern enttäuscht und besorgt, lässt es dagegen ein paar hohe Werte weg, sind alle zufrieden – außer: Jemand schaut ausnahmsweise nach. Stine hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden.
Was können nun Sie als Eltern tun, um Stine den Umgang mit ihrem Diabetes zu erleichtern?
- Sagen Sie Stine, dass Sie ihr Mogeln bei den Werten verstehen können (d. h. aber nicht gutheißen). Man gibt sich Mühe, will alles gut machen, und die Werte machen, was sie wollen. Da möchte man doch gar nicht mehr daran erinnert werden. Das geht nicht nur Kindern so, sondern auch Erwachsenen, wenn sie Ausreden für alles Mögliche erfinden.
- Sagen Sie Ihrer Tochter, dass der Diabetes nach dem ersten Jahr jetzt mehr schwankt. Dies hat nicht immer damit zu tun, dass Stine etwas “falsch” gemacht hat. Wichtig ist jetzt, dass genau die viel zu hohen oder zu niedrigen Messwerte ehrlich aufgeschrieben werden. Diese Werte sind nötig, damit Eltern und Ärzte den Kindern sagen können, wie viel Insulin sie brauchen. Das gelingt nicht immer und nicht sofort, aber es wird mit der Zeit immer etwas besser.
- Verabreden Sie mit Stine, dass sie versuchen soll, alle Messwerte ohne schlechtes Gewissen aufzuschreiben und jeden Tag mit Ihnen zu besprechen. Wenn das Protokoll über eine Woche vollständig und ehrlich ist, gibt es eine Belohnung. Sie als Eltern versprechen, bei hohen Werten nicht gleich “loszumeckern”.
- Bitte überlegen Sie, was ein Kind mit neun Jahren wirklich schon verantworten kann. Wenn es in der Schule an die Pausenmahlzeiten denkt, sich nach Absprache mit den Eltern ggf. auch noch Insulin spritzt, beim Sport an Extra-KE denkt und auf Hypoanzeichen achtet, ist das schon die Obergrenze. Alle weiteren Aufgaben, vor allem die Insulindosierung und deren Überprüfung, liegen in der Verantwortung der Eltern. Hier sollten Sie den Ehrgeiz ihrer Tochter eher auf andere altersgemäße Aktivitäten lenken, z. B. Hobbies, Sport, Kreativität oder Lieblingsfächer in der Schule.
- Bitte bedenken Sie, dass Sie für den Umgang mit dem Diabetes im Moment das wichtigste Vorbild für Stine sind. Je konsequenter und ruhiger Sie mit den Anforderungen des Diabetes im Alltag umgehen, umso eher wird es auch Ihrer Tochter gelingen, ihren Hass auf den Diabetes zu verlieren. Denn der hat vor allem mit (Selbst-)Überforderung, Enttäuschung und Scham zu tun.
Die Blutzuckerselbstkontrolle …
… ist eine der größten Errungenschaften in der Geschichte der Diabetestherapie: Sie ermöglicht eine bessere Stoffwechseleinstellung; und sie ermöglicht den Betroffenen, die Diabetesbehandlung an ihre Lebensgewohnheiten anzupassen. Aber sie ist nur dann wirkungsvoll, wenn sie gut dokumentiert wird.
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2014; 7 (2) Seite 28-29
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Ernährung
Diabetes-Anker-Podcast: Adventszeit und Weihnachten blutzuckerbewusst genießen – mit Kirsten Metternich von Wolff
- Behandlung
Diabetesberaterin Tanja Braun: Die Menschen richtig kennenlernen und lange begleiten
8 Minuten
Keine Kommentare
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
carogo postete ein Update vor 2 Tagen, 13 Stunden
Hallo zusammen! Ich habe mich mit einer Freundin über die Rezepte in der Zeitschrift unterhalten und wir haben uns gefragt, was es eigentlich konkret mit den Nähwertangaben und der Unterscheidung zwischen Kohlenhydraten und anrechnungspflichtign KH auf sich hat?
-
moira antwortete vor 2 Tagen
Das wüsste ich auch gerne.
-
gregor-hess antwortete vor 1 Tag, 21 Stunden
Liebe Carogo,
anrechnungspflichtige KH sind Kohlenhydrate, die den Blutzuckerspiegel erhöhen. Es gibt auch KH, die nicht direkt blutzuckersteigernd wirken und damit für die Insulintherapie nicht oder nicht voll angerechnet werden müssen, wie bspw. Ballaststoffe oder KH, die nur sehr langsam den Blutzucker beeinflussen.
VLG
Gregor aus der Diabetes-Anker Redaktion -
carogo antwortete vor 1 Tag, 12 Stunden
@gregor-hess: danke für die Antwort! Könntest du hierfür mal Beispiele nennen?
-
-
cesta postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa
-
kw antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c
-
moira antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)
-
cesta antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
@kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!
-
cesta antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
@moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!
-
-
sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 3 Wochen, 1 Tag
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
-
mayhe antwortete vor 3 Wochen, 1 Tag
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
-
sveastine antwortete vor 3 Wochen, 1 Tag
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
-
mayhe antwortete vor 3 Wochen
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
-
sveastine antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid
-
mayhe antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike -
sveastine antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻♀️
-
mayhe antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
@sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike
-
mayhe antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
@mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.
-
