Pflegestufe: ja oder nein?

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Pflegestufe: ja oder nein?

Sollen Eltern für die Pfelge ihres Kindes mit Diabetes Pflegegeld beantragen? Die Ärztin Dr. Simone von Sengbusch macht auf einige – auch psychische – Fallstricke aufmerksam.

Anspruch auf Unterstützungsleistungen

Gibt es überhaupt Gegenargumente? Wenn Eltern bei ihrem Kind mit Typ-1-Diabetes aufgrund der Erkrankung und Insulintherapie die Voraussetzungen für erhebliche Pflegebedürftigkeit erfüllt sehen, dann können Sie in Deutschland einen Antrag auf Anerkennung einer Pflegestufe und Leistungen durch die Pflegekasse stellen.

Die Unterstützungsleistungen für Familien mit einem an Typ-1-Diabetes erkrankten Kind und auch die Kostenübernahme für moderne Therapieoptionen variieren in Europa von Land zu Land, je nach den landesüblichen Leistungen im Sozialsystem.

Alle Eltern müssen sich aber den gleichen Herausforderungen stellen, nämlich die Insulintherapie in den Familienalltag zu integrieren, die Kinder in der Therapie anzuleiten und die Fortführung der Therapie auch in Kindergarten, Schule und Freizeit mit zu organisieren.

Informieren Sie sich frühzeitig!

Eltern sollen frühzeitig erfahren, welche Leistungen ihnen in Deutschland zur Verfügung stehen, um den hohen Aufwand in der Versorgung der Kinder zu kompensieren. Oftmals schränken vor allem Mütter ihre Berufstätigkeit ein oder hören sogar eine Weile ganz auf zu arbeiten, und das Familieneinkommen sinkt spürbar. Durch häufige nächtliche Blutzuckerkontrollen ist es schwierig, morgens einigermaßen ausgeschlafen arbeiten zu gehen oder gar nachts zu arbeiten.

Auch das kurzfristige Helfen im Kindergarten (wenn z. B. der Pumpenkatheter herausgerutscht ist) oder häufigere Fehlzeiten für die Betreuung des akut erkrankten Kindes werden von Arbeitgebern nicht immer toleriert. Die Anerkennung der Pflegestufe I für ein Kind kann eine Familie immerhin finanziell entlasten.

Was sollte dennoch vor einem Antrag bedacht werden?

  • Informieren Sie sich eingehend über das Thema, bevor Sie den Antrag stellen. Gerade Eltern eben erst erkrankter Kleinkinder sollten sich die Zeit nehmen, zunächst zu prüfen, wie gut sich die Diabetestherapie in ihren Alltag einfügt und welcher zusätzliche Aufwand entsteht. Je mehr praktische Erfahrung mit der Erkrankung und den damit einhergehenden Belastungen vorliegt, desto besser kann der Antrag gestellt werden, der individuell begründet werden muss. Je weniger individualisiert der Antrag gestellt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er abgelehnt wird und man künftig nicht nur gegen die immer bestehenden Widerstände, sondern auch gegen die bereits erfolgte Entscheidung (Präjudiz) “Ablehnung” ankämpfen muss.
  • Prüfen Sie, ob Sie als alleinerziehendes Elternteil oder als Elternpaar den langen Antragsweg für die Anerkennung einer Pflegestufe allein oder gemeinsam durchstehen können. Ein umfangreicher Schriftwechsel mit der Krankenkasse und ggf. auch der Gang vor das Sozialgericht stellen eine Belastung dar, die nicht unterschätzt werden sollte. Auch die damit einhergehenden Kosten sollten im Vorweg mit dem Anwalt geklärt werden.
  • In der Trauer um die Erkrankung ihres Kindes, in ihrer Unsicherheit in der neuen Lebenssituation und der Erschöpfung durch die Therapie ist es ganz natürlich, dass sich Eltern einen Anwalt an ihre Seite holen, der stellvertretend für sie kämpft. Einige Familien klagen und kämpfen mit aller Kraft gleich in mehreren Bereichen für Leistungen und Unterstützung für ihr Kind. Manchmal weichen Eltern so über die Auseinandersetzung mit der Erkrankung auf rein sachlicher Ebene einer Auseinandersetzung auf der emotionalen Ebene zunächst einmal aus. Auch das ist durchaus verständlich. Wichtig ist dabei zu wissen, dass sich irgendwann einmal alle Eltern unweigerlich auch ihren Gefühlen in Bezug auf die Diabeteserkrankung ihres Kindes stellen müssen.
  • Einige Versicherungen, bei denen der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers ein entscheidendes Kriterium für die Versicherbarkeit darstellt, fragen schon heute, ob jemals im Leben ein Grad der Behinderung bestand oder besteht. Ob in solchen Anträgen in Zukunft auch nach Anerkennung einer Pflegestufe gefragt wird, kann heute noch nicht gesagt werden. Eltern, denen dieser Punkt wichtig ist, sollten darüber mit einem Versicherungsberater/-makler sprechen.

Es gibt keine starken Argumente dagegen …

Wenn die Diabetestherapie eines jungen Kindes besonders aufwendig ist oder ein Kind sogar an mehreren Erkrankungen leidet (z. B. zusätzlich an Zöliakie oder an allgemeiner Entwicklungsverzögerung), sprechen viele Argumente für den Antrag auf Anerkennung erhöhter Pflegebedürftigkeit und nur wenige dagegen.

Die mögliche Belastung der Eltern durch den langwierigen Antragsweg und ggf. eine Klage vor dem Sozialgericht (mit positivem oder negativem Ausgang) sollte aber zuvor zwischen den Elternteilen thematisiert werden.


von Dr. Simone von Sengbusch
Diabetologin DDG, UKSH Lübeck

Kontakt:
E-Mail: Simone.vonsengbusch@uksh.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (1) Seite 18-19

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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