- Eltern und Kind
Probleme in der Schule durch Diabetes-Technologie – was piept denn da?
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Wenn CGM-Sensoren oder Insulinpumpen im Unterricht Alarm schlagen, fühlen sich Kinder mit Diabetes oft bloßgestellt. Missverständnisse mit Lehrkräften oder Mitschülern sind die Folge. Aufklärungsgespräche schaffen Sicherheit und verhindern Konflikte.
Marlon brütet gerade über seiner Mathe-Arbeit. Plötzlich piept es aus seiner Schultasche. Mist, der Sensor! Er holt sein Smartphone heraus und checkt den Alarm: 67 mg/dl (3,7 mmol/l), leicht sinkend. Gerade als er seinen Traubenzucker nehmen will, spricht ihn der beaufsichtigende Vertretungslehrer etwas ruppig an: „Hey, so geht das nicht!“
Der Lehrer schimpft und droht mit Konsequenzen. Mit viel Mühe und der Hilfe seiner Klassenkameradinnen und -kameraden, die wissen, dass er Diabetes hat, kann Marlon den Lehrer davon überzeugen, dass alles seine Richtigkeit hat. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl und die Konzentration ist erst einmal hinüber.
Alarme schützen, auch im Schulalltag
Viele Kinder mit Diabetes kennen solche Situationen. Gerade zu Beginn eines Schuljahrs, wenn man neu in der Schule ist oder neue Lehrkräfte hat, häufen sich entsprechende Berichte betroffener Familien. Mitschülerinnen und Mitschüler oder Lehrkräfte fühlen sich durch Alarme von Systemen zur kontinuierlichen Glukose-Messung (CGM) gestört oder man wird schräg angeschaut, wenn man in die Sporthalle ein Trinkpäckchen mitbringt. Die verschärften Handy-Regeln in vielen Bundesländern greifen auch auf dem Schulhof. Oft werden Kinder mit Diabetes in der Pause angesprochen und gefragt, warum sie ein Smartphone dabeihaben. Einige berichten von Anfeindungen durch andere Kinder oder Gesprächsterminen bei der Schulleitung.
Auch wenn man nichts für die Erkrankung kann, fühlt man sich in solchen Situationen bloßgestellt. Um das zu vermeiden, stellen manche Kinder mit Diabetes ihre Alarme stumm oder ignorieren sie, womit sie sich einem erhöhten Risiko für schwere Stoffwechsel-Entgleisungen aussetzen. Das darf nicht die Lösung sein! Schwankungen der Glukosewerte sind alltäglich und die Alarme sind ein hervorragender Schutz.
Besser ist es, von vornherein aktiv das Gespräch mit den Mitarbeitenden der Schule zu suchen. Dies sollte mit den Eltern zusammen erfolgen. Oft kennen Lehrkräfte die Diagnose Diabetes mellitus bereits, sind jedoch nicht immer mit den aktuellen Technologien wie CGM-Sensoren, Systemen zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID) und Follower-Apps vertraut. In einem Gespräch zwischen der Familie und der Schule sollte klargestellt werden, was Diabetes für die Kinder bedeutet, dass die Insulinzufuhr lebensnotwendig ist und deshalb auch die dazugehörigen technischen Hilfsmittel zwingend benötigt werden. Das behandelnde Diabetes-Team kann unterstützen, indem zum Beispiel eine ärztliche Bescheinigung für die Schul-Akte ausgestellt wird.
Weiterführende Informationen:
➤ Broschüre „Kinder mit Diabetes in der Schule“
Aufklärungsgespräch schafft Sicherheit
Ein aufklärendes Gespräch empfiehlt sich vor allem zu Beginn eines neuen Schuljahrs, in jedem Fall aber, wenn der Diabetes gerade neu festgestellt wurde. Bei dieser Gelegenheit sollte man die Chance nutzen, die Fragen der Lehrkräfte zu beantworten. Gerade akute Komplikationen wie Unterzuckerungen sind oft angstbehaftet. Ein Aufklärungsgespräch in einer ruhigen Atmosphäre und mit ausreichend Zeit kann hier wahre Wunder wirken – erst recht, wenn das betroffene Kind anwesend ist. So kann die Lehrkraft auf direktem Weg sehen, welche Geräte getragen werden und dass es sich um ein „ganz normales“ Kind handelt. Das Diabetes-Team kann bei der Strukturierung des Gesprächs im Vorfeld unterstützend zur Seite stehen.
In den meisten Fällen lassen sich gute Lösungen und Kompromisse finden. So kann zum Beispiel bei Klassenarbeiten der CGM-Empfänger oder das Smartphone auf dem Lehrerpult deponiert werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Werte einsehbar sind, ohne sich dem möglichen Vorwurf des Schummelns auszusetzen. CGM-Alarme können für die Schulzeit etwas weitläufiger eingestellt werden als zu Hause, um die Häufigkeit der Alarme zu verringern. Vor allem sollte besprochen werden, wie während der Unterrichtszeit der Kontakt zwischen Kind und Eltern hergestellt werden kann, falls es mit der Therapie Probleme gibt.
Problemen in der Schule vorbeugen
- Aufklärungsgespräch am besten zu Beginn des Schuljahrs bzw. der Diabetes-Diagnose mit Lehrkräften, Eltern und betroffenem Kind führen
- Unterstützung durch Diabetes-Team nutzen, z. B. bei der Gesprächsplanung und durch ärztliche Bescheinigung für die Schul-Akte
- Abläufe klären, z. B. für Umgang mit Alarmen, Kontaktaufnahme zu den Eltern bei Problemen, und für technische Probleme vorsorgen (Ersatz-Zubehör, Insulin, Blutzuckermessgerät auf Vorrat legen)
Follower-Apps und Telefonate
Gerade im Grundschulalter verfolgen Eltern oft die Glukosewerte ihrer Kinder per Follower-Funktion. Hier ist es unumgänglich, mit den Lehrkräften festzulegen, wie die Eltern ihr Kind bei der Diabetestherapie in der Schule unterstützen können. Anrufe mitten im Unterricht sind verständlicherweise unerwünscht. Mögliche Kompromisse sind das Verlagern von Gesprächen vor die Klassenzimmertür oder ein Telefonat direkt mit der Lehrkraft. Eine praktikable Lösung ist auch das Unterbinden elterlicher Anrufe im Schulbetrieb. Stattdessen können sich die Kinder bei ihren Eltern melden, wenn sie ein Problem nicht selbst lösen können. Denn viele Kinder können durch die Technologie den Alltag relativ früh selbstständig managen.
Ebenfalls sollte für technische Probleme vorgesorgt werden, indem als Ersatz ein Infusionsset, ein Sensor, eine Ampulle Insulin und ein zusätzliches Blutzuckermessgerät in der Schule liegen. So kann verhindert werden, dass ein Kind mit Diabetes wegen eines Pumpen- oder Sensor-Ausfalls frühzeitig den Schultag beenden muss. Schließlich sind das erfolgreiche Absolvieren der Schulzeit und die Teilhabe am schulischen und gesellschaftlichen Leben klare (Behandlungs-)Ziele für alle Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes.
von André Kluge
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (X) Seite 46-47
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