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Die Pubertät kann sehr anstrengend sein, sowohl für die betroffenen Jugendlichen selbst als auch für deren Eltern. Ist dann noch ein ein Diabetes mit an Bord, macht dies die Gesamtsituation nicht gerade einfacher. Dies weiß auch Lucas Vater Michael Denkinger zu berichten…
Die Zeiten, in denen die Fußballschuhe in Lucas Sporttasche diametral zum Blutzuckermessgerät lagen, sind noch gar nicht so lange her. Die disziplinierte Regelmäßigkeit, mit der unser Sohn seinen Schulranzen einräumte, war ebenfalls beeindruckend.
Die Diabetes-Diagnose im Mai 2008 mit einem bis heute unfassbaren Schockwert von mehr als 900 mg/dl (50 mmol/l) hatte an diesem Tages- und Wochenrhythmus einen großen Anteil – Luca hatte bereits als Kind schnell erkannt, dass strukturelle Ordnung in Kopf und Tasche beim Diabetes-Management sehr helfen könnten.
2017 sieht das ein bisschen anders aus. Völlig verloren gegangen ist Lucas Bereitschaft, die eigene Gesundheit gut zu managen, zwar nicht – sie passt sich jedoch aktuell sehr den Stimmungsschwankungen des pubertierenden Jugendlichen an. Die Dialoge, die sich daraus ergeben, hören sich alle in etwa so an:
“Hast du nach dem Essen nochmals gemessen, Luca?”
“Ja.”
“Wie ist dein Wert?”
“Ich glaube 380.” (Das sind 21,1 mmol/l.)
“Was heißt, ich glaube?”
“Weiß nicht, muss nachsehen.”
“Ja, sieh bitte mal nach.”
“Ja, 380”
“Das ist hoch, hast du korrigiert?”
“Nein, noch nicht, mache ich aber gleich – und Papa, übrigens: deine Fragerei nervt.”
“Pubertät ist, wenn die Eltern schwierig werden”, lautet ein Buchtitel, der in sieben Wörtern zusammenfasst, wer nach einem wie oben beschriebenen Eltern-Kind-Gespräch meist als Verlierer aus der Unterhaltung hervorgeht. Ein bisschen Verständnis für die Situation unseres Sohnes und die eigene Gesprächsführung ist dennoch angebracht: Wer eine Unterhaltung mit seinem Kind nur noch auf den Begriffen Messen, Essen und Spritzen aufbaut, darf sich über eine abwehrende bis aggressive Grundstimmung nicht wundern.
Denn: Die hormonellen Veränderungen in der Pubertät wirbeln nicht nur den Stoffwechsel, sondern zwangsläufig auch die Insulinempfindlichkeit und den Insulinbedarf gehörig durcheinander. Weil Adrenalin als Hormon zugleich die Freisetzung von Zucker aus der Leber fördert und Fettreserven abbaut, geht mit dieser Stress-Situation häufig eben auch eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels einher.
Ein mittelmäßiger bis schlechter HbA1c-Wert ist demzufolge nicht zwangsläufig der “Schlamperei” des Jugendlichen beim Diabetes-Management geschuldet. Dies sollten sich Eltern, aber auch Diabetesberater und -ärzte, immer wieder ins Gedächtnis rufen. Praxis- und realitätsnahe Lösungsansätze sind hier eher gefragt als reflexartig erhobene Zeigefinger mit Blick auf den im Lehrbuch oder in PR-Aktionen vorgegebenen “idealen” HbA1c-Wert.
An einer Optimierung des Diabetes-Managements muss jedoch auch Luca mitwirken: Zunächst muss dem 14-Jährigen rasch wieder klar werden, dass er mit einem halbherzigen Dia-betes-Management nicht seinen Ärzten oder Eltern schadet, sondern nachhaltig seiner eigenen Gesundheit. Darüber hinaus sollte er wieder verstärkt damit beginnen, kritisch zu hinterfragen und Veränderungen anzustoßen, wenn er es für sinnvoll hält.
Dass er sich derzeit schon darüber erkundet, welcher Facharzt ihn noch vor oder nach seiner Volljährigkeit betreuen und weiter voranbringen könnte, ist schon einmal ein guter Ansatz. Dass er sich sehr kritisch mit den Texten auseinandersetzt, die sein Vater über ihn seit Jahren schreibt, ebenfalls.
von Michael Denkinger
Michael Denkinger (47) lebt mit seiner Familie in Memmingen und hat drei Kinder: Luca (14 Jahre), Angelina (16) und Timo (9). Er ist Inhaber der PR-Agentur Denkinger Kommunikation.
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2017; 10 (4) Seite 30
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