- Eltern und Kind
Schulstart mit Typ-1-Diabetes: Erfahrungsbericht einer Mutter
5 Minuten
“Endlich Schule!” – viele Eltern und auch Kinder freuen sich über diesen neuen Lebensabschnitt. Er ist ein großer Schritt in die Selbständigkeit mit vielen neuen und aufregenden Aspekten: neue Fähigkeiten erlernen, neue Freunde finden, neue Regeln lernen, sich einem System anpassen und einen Vormittag immer selbständiger organisieren. Dazu gehören auch der Schulweg ohne die Eltern, Tagesausflüge und Schulsport. Für alle Sechsjährigen ein neues Abenteuer und eine große Herausforderung!
Und für Kinder mit Typ-1-Diabetes? Eine noch größere Herausforderung! Aus “Endlich Schule!” wird vielleicht eher “Endlich Schule?!”. Für viele Eltern stellt sich die Frage, wie es nun weitergeht. Das Wichtigste vorab: mit guter Vorbereitung und Kommunikation kann der Schulstart prima gelingen!
Aber zurück zu den Überlegungen. Im Kindergarten hat sich vielleicht etwas Normalität eingependelt, Kinder und KiTa-Personal wissen, wie es mit dem Diabetes läuft und eine möglicherweise vorhandene Kindergartenbegleitung hat viel Erfahrung gesammelt. Und nun? Der Vormittag ist auf den Kopf gestellt: es geht früher los, in der Schule sitzen die Kinder mehr, aber in den Pausen und im Sportunterricht gibt es plötzlich intensive Bewegungseinheiten. Die Lehrenden haben mehr als genug mit dem normalen Schulalltag zu tun, und es gibt keinen konkreten Fahrplan.
für die Eltern ergeben sich viele Fragen
Wer kümmert sich? Wozu sind wir als Eltern, wozu die Lehrkräfte verpflichtet, und wer hilft wobei? Die Liste der Fragen kann endlos sein. So war es auch bei uns. Mia ist 8 Jahre alt und hat seit ihrem zweiten Lebensjahr Typ-1-Diabetes. Wir waren bereits ein eingespieltes Team, hatten Erfahrung in der Krippe und in zwei Kindergärten sammeln können. Für uns hat sich eine dauerhaft anwesende Kindergartenbegleitung bewährt. Zeitweise wurde Mia auch – ganz wunderbar – vom Krippenpersonal versorgt, eine Weile durch einen Pflegedienst gemeinsam mit einer tollen Kindergärtnerin, aber durch Personalwechsel u.a. war die Begleitung für uns die beste Lösung.
Checkliste: Vorbereitung für den Schultstart mit Diabetes
- Schuluntersuchung: Klärung mit Gesundheitsamt
- Anfang des Jahres: Termin mit der Schulleitung machen
- Beginn Frühjahr: Entscheidung über Schulbegleitung treffen, mit dem Diabetes-Team sprechen und ggf. einen Anbieter für die Schulbegleitung suchen.
- Noch vor den Sommerferien: mit der Klassenleitung den Schulstart besprechen, die Schulbegleitung vorstellen und ggf. eine Schulung für alle Lehrkräfte anbieten/organisieren
Beim Schulstart ist das Gesundheitsamt bei der Schuluntersuchung der erste Ansprechpartner – hier können Eltern Fragen stellen und Unterstützung verlangen. Außerdem sollte der Schulstart natürlich mit dem Diabetes-Team und mit der Schul- und Klassenleitung besprochen werden. Für uns war schnell klar, dass Mia zumindest in den ersten beiden Schuljahren eine Begleitung bekommen sollte. Leider konnten wir die Kindergartenbegleitung nicht mit in die Schule nehmen. So begann die Suche nach einer passenden Person weit vor Schuljahresbeginn.
Weil Mia sich sehr selbständig um ihren Diabetes kümmert, war uns die Sozialkompetenz der Begleitung besonders wichtig: Im Schulalltag sollte sich die Schulbegleitung gut in das Klassengeschehen einfügen, mit der Lehrkraft kooperieren und somit das Kind auch so begleiten, dass es in der Schule einen “ganz normalen” Status hat und keine Sonderrolle einnimmt.
So findet man eine geeignete Begleitung für sein Kind
Es gibt verschiedene Wege, eine geeignete Begleitung zu finden: Über einen Pflegedienst, einen paritätischen Dienst, einen speziellen Anbieter für Schulbegleitungen oder jemanden aus dem privaten Umfeld. Kostenträger sind entweder die Krankenkassen (wie in unserem Fall) oder die Eingliederungshilfe, die über die Stadt oder den Landkreis beantragt wird. Ich habe mich an verschiedene Anbieter gewandt und potentielle Schulbegleiterinnen zu einem zwanglosen Kennlerngespräch zu uns nach Hause eingeladen. So konnte sich Mia auch einen Eindruck verschaffen.
Unsere Schulbegleitung, die wir über das Deutsche Rote Kreuz gefunden haben, hatte tatsächlich keine Vorerfahrung mit Diabetes, hat sich aber hervorragend eingearbeitet, und wir waren mit unserer Auswahl sehr glücklich. Sobald die Begleitung gefunden war, haben wir die Schulleitung informiert und vor Schulbeginn einen Kennlerntermin zwischen Klassenlehrerin und Schulbegleiterin organisiert. Jetzt, in der dritten Klasse, kann Mia ohne Begleitung in die Schule gehen.
Anträge und Organisation
Wenn auch das Diabetes-Team eine Schulbegleitung befürwortet, stellt der Diabetologe eine Verordnung über einen bestimmten Zeitrahmen und eine gewisse Dauer aus. Diese senden die Eltern an den Träger der Schulbegleitung, der die Verordnung an den Kostenträger weiterleitet.
In unserem Fall versuchte die Krankenkasse im Hintergrund, einen Teil der Kosten über die Leistungen der Eingliederungshilfe erstattet zu bekommen. Aufgrund der rechtlich komplexen und teils unklaren Situation empfiehlt es sich grundsätzlich, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, damit ggf. eine Rechtsberatung in Anspruch genommen werden kann.
Der Klasse Diabetes erklären
Die nächste Frage für uns war: “Wie erklären wir den Diabetes in der Klasse? Wie können wir Mia – trotz des Diabetesmanagements und der Begleitung – einen ganz normalen Start in der Klasse ermöglichen?”. Wir haben uns entschieden, einen Teddy zum Typ-1-Diabetiker zu machen, da Mia nicht gerne im Mittelpunkt steht und sich sehr unwohl fühlt, wenn alle Kinder zuschauen wie sie Blutzucker misst oder ihre Pumpe bedient. Dafür haben wir dem Teddy eine Pumpe angelegt – genau so, wie es bei Mia auch aussehen würde.
Gleich am ersten Schultag hat sich die Schulbegleiterin der Klasse vorgestellt und anhand des Teddys erklärt, was bei Mia anders ist, als bei anderen Kindern, was Diabetes ist und was das für Mia bedeutet. Zudem hat sie ihre eigenen Aufgaben erläutert. So konnte Mia sich entspannen, trotzdem wussten alle Kinder Bescheid und Mia wurde in der Klasse wunderbar integriert und akzeptiert, ohne eine Sonderrolle einzunehmen. Außerdem hatte sie zwei tolle Freundinnen aus dem Kindergarten an der Seite, die ebenfalls schon kleine Diabetesprofis waren.
Das Kind darf mitbestimmen: wie sagen wir‘s der Klasse?
Es gibt sicher gute andere Wege und einige Kinder wollen vielleicht selbst erklären, was es mit dem Diabetes so auf sich hat. Wichtig ist, dass die Eltern vor Schulbeginn offen mit ihrem Kind darüber sprechen, wie es mit dem Diabetes umgehen möchte: sollen die anderen Kinder von Anfang an Bescheid wissen oder will das Kind vielleicht nach und nach selbst erklären, was es “da so machen muss” und was es für “Geräte” hat?
Hilfreich ist es allerdings, wenn die Eltern vorher mit dem Kind überlegen, welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Möglichkeiten haben könnten, denn darüber haben Sechsjährige noch keine ausreichende Übersicht.
In der Schule sollte eine Notfallbox mit Traubenzucker und einem Ersatz-Blutzucker-Messgerät liegen. Um Mia in ihrer Selbständigkeit zu unterstützen, haben wir ihr ab Klasse 2 einen eigenen Diabetes-Plan für die Schule gemacht.
Schulstart: auch ohne Begleitung möglich
Grundsätzlich kann ein Schulstart auch ohne eine Begleitung gelingen, wenn das Kind in der Schule einen zuverlässigen Ansprechpartner hat, die Eltern gut erreichbar und spontan einsatzfähig sind und die Lehrer und die Schulleitung offen und entspannt mit dem Diabetes umgehen. Dennoch ist es eine große Entlastung für die Eltern, wenn das Kind permanent begleitet wird. Es ist sicherlich auch eine sehr gute Lösung, wenn das Schulkind ein AID-System nutzt und die Eltern die Werte aus der Ferne im Blick haben können.
Für Mia war der Kurs “Fit für die Grundschule” vom Kinderkrankenhaus an der Bult in Hannover sehr hilfreich. Von diesen zwei Tagen war sie begeistert. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie allein mit vielen anderen Kinder unterwegs gewesen, deren Pumpen ebenfalls gepiept haben.
Fazit: Mit einer guten Vorbereitung und einem offenen Ohr aller Beteiligten kann so ein Schulstart ganz prima gelingen.
Checkliste: mit dem Kind üben (individuell nach Entwicklungsstand):
- Blutzucker messen
- Alarme der Pumpe ausschalten
- Einen Mahlzeitenbolus abgeben, wenn die Kohlenhydrate auf einem Zettel kindgerecht notiert wurden
- Sensorwerte einordnen anhand von zwei- und dreistelligen Zahlen
- Sensorwerte anhand von Pfeilen einschätzen
- Unterzuckerungs-Symptome wahrnehmen
- Traubenzucker einnehmen
von Marion Baptist
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2022; 13 (3) Seite 20-22
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Tagen, 8 Stunden
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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