Sinn und Unsinn von Kinderlebensmitteln

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Sinn und Unsinn von Kinderlebensmitteln

Gesundes Essen auf den Tisch zu bringen, ist gar nicht so einfach. Und im Supermarkt locken “Kinderlebensmittel” mit großen Versprechungen und bunten Bildern. Wie können es Familien schaffen, in der Ernährung einen gesunden Weg zu gehen?

Am besten befassen sich werdende Eltern schon vor der Geburt des ersten Kindes mit dem Thema gesunde Ernährung. Auch praktische Kenntnisse in Kochtechnik und Haushaltsführung sind wichtig. Einiges kann man auch nachlesen. Aber das Schwierigste und Wichtigste für junge Eltern ist die Vorbildfunktion, und da müssen vielleicht auch eigene schlechte Essgewohnheiten abgelegt werden.

Wie einfach bietet da doch die Lebensmittelindustrie ihre Dienste an. Ohne kritisches Hinterfragen und mit vollem Vertrauen, dass nichts Schlechtes auf den Markt gebracht werden darf, glauben viele Verbraucher den bunten und leicht verständlichen Botschaften der Lebemittelwerbung (mehr über die Praktiken der Lebensmittelindustrie auf http://www.diabetesde.org
(Suchwort: Foodwatch)).

Säuglingsmilch als Türöffner

Säuglingsmilchhersteller sind zwar verpflichtet, auf Verpackungen und Internetseiten auf die Vorteile der Muttermilch hinzuweisen und dürfen auch nicht mehr über die Entbindungskliniken Proben überreichen, doch ein kleiner Klick auf der PC-Tastatur und junge Eltern sehen die wohlgenährten, vor Gesundheit strotzenden Babys der Säuglingsmilchindustrie.

Der Pfad der Kinderlebensmittel öffnet sich jetzt schön nach Alter angepasst: Von der 1-er, 2-er zur 3-er Säuglingsnahrung über süßen Instant-Tee zu Obst aus der Quetschtüte, dann zu Kindermilch und Quarkzubereitungen mit kleinen Spielzeugen oder Bastelanleitungen – und mit spätestens einem Jahr wird manchen Kindern schon die erste Milchschnitte als Zwischenmahlzeit angeboten.

Weiter geht’s mit weichem Toastbrot mit Bärchenwurst oder Nuss-Nougat-Cremes, weil das Kauen ungewohnt ist und nicht trainiert wurde. Dazu gut gemeinte, aber überflüssige, mit Kalzium angereicherte Säfte oder Multivitaminsäfte. Mit zunehmendem Alter ist der Geschmack umami durch Fertiggerichte wie Nudelsuppen und Fertigsoßen geprägt. Es folgen Fertigpizza, Döner, Milchspeisen mit hohem Fett- und Zuckergehalt. Und dazu Cola oder süße Limonaden.

Umami-Geschmack – was ist das?
Das japanische Wort “umami” bezeichnet einen weiteren Geschmack neben süß, sauer, salzig und bitter und bedeutet so viel wie wohlschmeckend, vollmundig. Verursacht wird der Geschmack durch Glutaminsäure (Glutamat), die vielen Lebensmitteln künstlich zugesetzt wird. Mehr dazu z. B. auf www.lebensmittelwissen.de, dort im Lexikon

Diese und ähnliche Essgewohnheiten beschreiben mir viele Familien – und oft gar nicht mit dem Bewusstsein, dass sie ihrem Kind eine schlechte Versorgung an Kalorien, Vitaminen und Mineralstoffen mit vielen unnötigen Zusatzstoffen zukommen lassen. Besonders in den Kinderprogrammen des Fernsehens wird für diese Produkte geworben, so dass die Begierde früh beginnt und diese Produkte gerne im stressigen Alltag Einsatz finden.

Adipositas: Es droht eine Spirale der Folgeerkrankungen

Mit einem bewegungsarmen Lebensstil kombiniert, ist früher oder später das Übergewicht oder die schwere Fettsucht (Adipositas) die Folge. Wer dann noch das Ruder herumreißen will, hat es schwer. Die Erfolgschancen sind gering. Deprimierend, dass dann die Spirale der Folgeerkrankungen (Diabetes, kardiovaskuläre, orthopädische und psychische Erkrankungen) zu erwarten ist. 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind heute bereits übergewichtig und werden es auch als Erwachsene bleiben (mehr dazu auf www.bzga-kinderuebergewicht.de).

Die Ursache ist eine falsche Ernährungsweise und aus meiner Sicht fehlende Anleitung für die richtige Ernährung. Solange große Lebensmittelkonzerne wie Coca Cola, Nestlé, Mars oder Mondelez keinen Gegenwind aus der Politik bekommen und mit Sportidolen, bunten Verpackungen und Spielzeugeinlagen werben dürfen, haben Eltern eine schwere Erziehungsaufgabe.

Gute Beratung wäre sinnvoll

Leider fehlt auch hier der politische Wille, Eltern von Anfang an gut zu beraten, um den beschriebenen Verlauf zu umgehen. Für eine zukünftige Mutter könnten drei Ernährungsberatungen dazu beitragen, den richtigen Weg hin zu einer gesunden, abwechslungsreichen Kost einzuschlagen. Themen wie gesunde Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit, Beikost-Einführung und Kleinkindernährung klären auf und geben eine faire Chance, sich und die Kinder der verführerischen Werbewelt der Lebensmittelindustrie zu entziehen.

Am besten ist es, wenn Eltern sich selbst Zeit nehmen können. Dann kann das Obst frisch aufgeschnitten werden, dann kann man Kekse oder Kuchen mit Kindern selber backen und im Rezept den Zuckergehalt verringern und einen Teil des Mehles durch Vollkornmehl ersetzen. Ein fruchtiger Joghurt könnte aus Naturjoghurt mit frischem Obst oder Marmelade angerührt werden.

Beratung nur bei Krankheit?

Dass eine Ernährungsberatung gut ist, erfahren Familien, deren Kind eine Stoffwechselstörung wie z. B. Typ-1-Diabetes entwickelt hat. Sie bekommen im Rahmen der Diabetesschulung eine ausführliche Ernährungsberatung. Hier lernen die Familien, sich mit Nährstoffen (Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate) und Kalorien zu befassen. Die BE/KE-Schulung befähigt sie, für die Mahlzeiten die nötige Insulinmenge zu berechnen. Mit Hilfe der BE/KE-Kenntnisse lässt sich auch die gesamte Ernährung gut steuern.

Sie werden als Eltern eines Kindes mit Diabetes die Empfehlungen aus der Ernährungsberatung vielleicht als einschränkend empfunden haben und mussten Ihr Essverhalten vielleicht sehr ändern. Vielleicht wurden Sie aber auch in Ihrem täglichen Entscheidungskampf bestärkt.

Mit dieser Lebensmittelauswahl und der Entscheidung, auf industriell gefertigte Lebensmittel zu verzichten – d. h. Lebensmittel frisch einzukaufen, die Mahlzeiten frisch selbst zuzubereiten und auf gemeinsame Mahlzeiten Wert zu legen – wählen Sie für alle Familienmitglieder die beste Lebensweise, die ein gesundes Aufwachsen ohne Übergewicht ermöglicht. Die Zeit dafür zu investieren, lohnt sich. Entscheiden Sie, was auf den Tisch kommt, und Ihr Kind darf entscheiden, wie viel es essen möchte.

Fazit

Für Kinderlebensmittel wird aggressiv geworben, deshalb kann es für Eltern schwierig sein, sich für eine gesunde Ernährung für die Familie zu entscheiden. Oft wäre eine Ernährungsberatung sinnvoll – und zwar, bevor ein Kind zu dick wird. Erkrankt ein Kind an Diabetes, wird die Familie auch in Ernährungsfragen intensiv geschult und kann davon sehr profitieren. Es lohnt sich auf jeden Fall, gute Lebensmittel einzukaufen und selbst zu kochen – und zwar für alle Familienmitglieder.


von Uta Meyer
Diätassistentin, Pädiatrie VDD, Diabetesberaterin DDG
Medizinische Hochschule Hannover,
E-Mail: meyer.uta@mh-hannover.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2016; 9 (3) Seite 6-7

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • darktear antwortete vor 1 Woche

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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