Stark engagiert – auch international

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Stark engagiert – auch international

Jan Twachtmann hat seit 13 Jahren Diabetes. Eine Hauptrolle spielt die Erkrankung selbst aber nicht – ihn beschäftigen seine Hochzeit, sein Staatsexamen und sein Engagement für die Deutsche Diabetes Hilfe – Menschen mit Diabetes.

Jan Twachtmann ist 27 Jahre alt und Vorsitzender der Patientenorganisation DeutscheDiabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M) unter dem Dach von diabetesDE. Am Tag des Interviews hatte er noch viel vor: Er musste für sein Examen lernen und, noch viel wichtiger, mit seiner zukünftigen Frau die Eheringe für ihre Hochzeit im März schmieden. Sogar die Unterschriften der beiden sollten in die Ringe eingraviert werden.

Ein Interview? Kein Problem, obwohl Jan Twachtmann sehr beschäftigt ist. Schon geht’s los!


Diabetes-Eltern-Journal (DEJ): Erinnern Sie sich noch an Ihre Diabetesmanifestation?

Jan Twachtmann: Ich war mitten in der Pubertät – gerade 14 Jahre alt – und freute mich riesig auf die erste Klassenfahrt ins Ausland, nach England. Aber dann bekam ich Diabetes. Ich kam in die Kinderklinik und meine Mutter meinte, dass es mit der Klassenfahrt in drei Wochen nichts werden würde. Das hat mich fast mehr umgehauen als der Diabetes. Mein Kinderdiabetologe hat schnell geschaltet und gesagt: “Jan fährt mit – das schaffen wir!”

Und so war es auch, weil meine Lehrerin klasse mitgemacht hat. Sie hat es mir zugetraut, und das war wichtig. Fish and Chips konnte ich zwar schlecht einschätzen, aber in der Remissionsphase kam ich trotzdem gut zurecht. Heute kann ich die Sorge meiner Mutter gut verstehen, wir kannten uns ja noch wenig aus.

DEJ: Wie ging es in der Schule weiter?

Twachtmann: Auch da hatte ich Glück, meine Freunde behandelten mich wie vorher. Ich ging auf ein zweisprachiges Gymnasium mit hohen Anforderungen. So meinte mein Geschichtslehrer, dass “Englisch keine Fremdsprache ist, sondern eine Kulturtechnik”. Heute als IDF-Young Leader kann ich ihm nur zustimmen, auch wenn es damals hart war. Klar war ich auch auf den Klassenfahrten nach Italien und Tschechien dabei.

DEJ: Gab es gar keine Probleme?

Twachtmann: Klar doch. Am Abend vor meinem 18. Geburtstag ist eine Klassenkameradin 18 geworden, da gab es eine tolle Party mit viel Bowle. Na ja, da habe ich mich dann voll verschätzt, und auch noch das Basalinsulin (ja, ja, damals noch ohne Pumpe) vergessen. An meinem eigenen 18. Geburtstag hatte ich eine schlimme Ketoazidose. Ich musste nicht ins Krankenhaus, aber mir ging es richtig mies.

DEJ: Wie haben Sie Ihre Eltern in Erinnerung?

Twachtmann: Einerseits haben sie mir immer geholfen, besonders bei solchen Notfällen, aber sie haben mich nicht zu stark bemuttert. Ich rechne ihnen hoch an, dass sie die Balance zwischen “laufen lassen” und Unterstützung immer wieder gefunden haben, obwohl ich meinen eigenen Kopf hatte.

DEJ: Wie kam das ehrenamtliche Engagement in der DDH-M zustande?

Twachtmann: Von Anfang an bin ich offen mit meinem Diabetes umgegangen und habe gute Erfahrungen während Freizeiten unserer Klinik gemacht. Auch beim CAMP D war ich von Anfang an dabei und habe gemerkt, wie wichtig es ist, sich auszutauschen, Infos zu sammeln und auch politisch aktiv für eine bessere Diabetesversorgung einzutreten. So kam eine Aufgabe zur anderen, nicht nur in Deutschland, sondern auch international.

DEJ: Was hat Sie besonders beeindruckt?

J.T.: Als IDF-Young Leader war ich in Tansania. Menschen mit Diabetes fehlt es dort an allem, was für uns Mindeststandard ist. Sie müssen viele Kilometer zu Fuß zur Ambulanz gehen, um sich Insulin in kleinen Mengen abzuholen. Der Aufenthalt hat mir gezeigt, auf welch glücklicher Insel wir in Mitteleuropa leben. Aber trotzdem gibt es auch bei uns Verbesserungsbedarf.

DEJ: Gibt es bei so viel Engagement auch ein Leben ohne Diabetes?

Twachtmann: Er ist immer dabei, spielt aber meistens nicht die Hauptrolle. Im Moment stehen zwei ganz wichtige Ereignisse an: unsere Heirat und mein Staatsexamen, für das ich noch viel lernen muss. Ich habe Jura (deutsches und niederländisches Recht) studiert und arbeite in einer großen Kanzlei in Düsseldorf. Der Diabetes fällt mir nur auf, wenn ich am Flughafen auf Dienstreisen wegen der Pumpe oft zur Sprengstoffkontrolle herausgewinkt werde und die anderen auf mich warten müssen.

DEJ: Hat der Diabetes Ihre Stellensuche nach dem Studium beeinflusst?

Twachtmann: Darum habe ich mir keine großen Gedanken gemacht. Meine Qualifikation stand im Vordergrund. Den Diabetes habe ich im Bereich ehrenamtliches Engagement genannt – es hat niemanden gestört. Vor kurzem fragte mich ein Vorgesetzter nach dem Schlauch an meinem Gürtel. Er hatte meinen Diabetes längst vergessen.

DEJ: Gibt es Dinge, die Sie in Ihrer Therapie noch ändern möchten?

Twachtmann: Lange Zeit war mein HbA1c trotz aller Mühe zu hoch. Erst als ich endlich einen Sensor über sechs Wochen getragen und die Daten systematisch ausgewertet habe, hatte ich ein Problem gefunden: Ich lag nach meinen großen Mahlzeiten über Stunden viel zu hoch. Jetzt bole ich früher und mehr Insulin. Das hat mir fast 0,8 % weniger im HbA1c gebracht.

Wenn ich später als Anwalt arbeite, werde ich mir regelmäßig Sensoren kaufen. Ich will mich aber auch im Rahmen von DDH-M/diabetesDE dafür einsetzen, dass solche Technologien sinnvoll genutzt werden können – und zwar kostenlos. Geld darf kein Hindernis sein, das dazu führt, dass die Lebensqualität von Diabetikern hinter den technischen Möglichkeiten zurückbleibt.

Großes Engagement
Jan Twachtmann engagiert sich für die Patientenorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe (Internet: menschen-mit-diabetes.de) und für Young Leaders in Diabetes, eine Initiative der International Diabetes Federation (IDF).

das Interview führte Prof. Dr. Karin Lange
stv. Chefredakteurin des Diabetes-Eltern-Journals, Diplom-Psychologin, Leiterin Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover

Kontakt:
E-Mail: Lange.Karin@MH-Hannover.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (1) Seite 12-13

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