- Eltern und Kind
Was bringen die neuen Insuline?
4 Minuten
Verschiedene Unternehmen forschen an neuen Insulinformulierungen, die sich noch besser den individuellen Bedürfnissen von Menschen mit Diabetes anpassen lassen. Bei einigen ist die Zulassung auch für Kinder und Jugendliche in Sicht, bei anderen Insulinen kann es noch etwas länger dauern. Außerdem: ein Blick auf Biosimilar- und „smarte Insuline“.
Gerade bei Kindern ermöglicht die erhöhte Verfügbarkeit einer kontinuierlichen Glukoseüberwachung mit Sensoren bereits heute eine komplexere Analyse, wie das eingesetzte Insulin wirkt. Insuline unterscheiden sich wesentlich in den Wirkprofilen. Kurz- oder ultrakurzwirksame Insuline, die zu den Mahlzeiten oder zur Korrektur eingesetzt werden, fluten schnell im Blut an und schnell wieder ab. Ein ganz anderes Profil haben dagegen Verzögerungs-/Basalinsuline, die teilweise länger als 24 Stunden wirken.
Fortschritte bei Insulinformulierungen sind weiterhin wichtig, um die Insulingabe noch besser an den individuellen Bedarf eines Kindes anzupassen. Die klinische Sicherheit und Wirksamkeit müssen jedoch in Studien nachgewiesen werden. Deshalb werden Insuline in der Regel erst für Erwachsene erprobt und zugelassen, bevor es zu einer Kinderstudie und -zulassung kommt.
Ultrakurzwirksame Insuline
Das weltweit erste Mahlzeiteninsulin der nächsten Generation ist das schnell wirkende Insulin aspart (Handelsname: Fiasp, Hersteller: NovoNordisk, auch Faster Insulin Aspart genannt; es baut auf Insulin aspart (NovoRapid) auf). Nachdem es schon länger für Erwachsene erhältlich ist, wurde Fiasp Ende August 2019 auch für Kinder zugelassen. Die Ergebnisse der Kinderzulassungsstudie waren im Juli veröffentlicht worden.
In der Studie wurden drei Gruppen mit je 260 Kindern zwischen 1 und 18 Jahren für 26 Wochen verglichen. Die erste Gruppe verwendete Fiasp vor den Mahlzeiten, die zweite nach den Mahlzeiten und die dritte zum Vergleich herkömmliches Insulin aspart. Dabei waren die beiden Gruppen mit der Gabe vor den Mahlzeiten verblindet, d. h. weder der Studienarzt noch der Patient wusste, ob sich im Pen das neue Insulin oder das herkömmliche Insulin befand.
Mit dem neuen Insulin ergaben sich ein statistisch signifikant besserer (um 0,17 % niedrigerer) HbA1c-Wert und niedrigere Glukosewerte nach dem Essen. Die Gabe von Fiasp nach der Mahlzeit zeigte jedoch schlechtere Glukoseverläufe, so dass auch mit Fiasp eine Gabe nach der Mahlzeit in der Regel nicht zu empfehlen ist.
Erste Kinderstudien laufen auch mit dem neuen ultraschnellen Insulin LY900014 des Unternehmens Eli Lilly, die aber noch veröffentlicht werden müssen. Im Gegensatz dazu wurde der Kooperations- und Lizenzvertrag für die Entwicklung von Adocias ultraschnellem Insulin (BioChaperone Lispro) zur Behandlung von Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes zwischen Lilly und Adocia bereits im Januar 2017 beendet, so dass die weitere Entwicklung dieses Produkts unklar ist. Veröffentlichte Studien bei Kindern mit der Verwendung der ultrakurzwirksamen Insuline in der Insulinpumpentherapie gibt es bislang noch nicht.
Ultralangwirksame Insuline
Während das ultralangwirksame basale Insulinanalogon Insulin degludec (Tresiba, NovoNordisk) seit Ende 2018 in Deutschland auch für Kinder und Jugendliche wieder erhältlich ist, steht die Kinderzulassung für das hochkonzentrierte, ultralangwirksame Insulin glargin U300 (Toujeo, Sanofi) noch aus.
Die Ergebnisse der Kinderstudie, in der je 225 Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes über 52 Wochen entweder herkömmliches Insulin glargin oder Insulin glargin U300 erhalten, wird bei der Jahrestagung der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) im Oktober präsentiert. Eine Kinderzulassung könnte dann noch 2019 erfolgen. Studien bei Erwachsenen zeigten für beide ultralangwirksamen Insuline eine Verringerung des Hypoglykämierisikos und der Glukoseschwankungen.
Eine Auswertung von zwei Kinderstudien, die einen Vergleich von Insulin degludec mit dem weniger langwirksamen Basalininsulin detemir (Levemir , Novo-
Nordisk) untersuchten, zeigte mit dem ultralangwirksamen Insulin statistisch seltener Entgleisungen mit Hyperglykämie und Ketonbildung, was ein Hinweis auf eine sich entwickelnde Ketoazidose sein kann. Insofern könnten sich solche ultralangwirksamen Insuline besonders für diejenigen Kinder und Jugendlichen eignen, die Schwierigkeiten mit einer regelmäßigen Basalinsulingabe haben.
Auch das Unternehmen Lilly hatte mit dem Basalinsulin Peglispro ein neuartiges langwirksames Insulin in der Entwicklung. In den ersten Studien zeigten sich aber erhöhte Leberwerte und in einigen Studien auch eine vermehrte Fetteinlagerung in der Leber, so dass die weitere Entwicklung vor zwei Jahren eingestellt wurde.
Nachgeahmt: Biosimilar-Insuline
Ein Biosimilar-Insulin ist ein Nachahmerprodukt eines etablierten, biotechnologisch erzeugten Insulins, das nach Ablauf der Patentzeit des Originalwirkstoffs zugelassen wird. Anders als die klassischen, chemisch hergestellten Generika werden Insuline biotechnologisch hergestellt, und daher sind Biosimilars nicht völlig identisch mit dem Originalwirkstoff und erfordern deshalb aufwendigere Zulassungsverfahren und Überwachungsmaßnahmen als die klassischen Generika.
Hauptgründe für diese Unterschiede sind die unterschiedlichen Organismen, in denen das Insulin hergestellt wird, und die anderen angewendeten Verfahren wie Abtrennung und Reinigung.
Diese Nachahmerprodukte sind bei gleicher klinischer Wirkung in der Regel bis zu 30 Prozent günstiger als das Originalprodukt. Das erste Biosimilar-Insulin war ein von Eli Lilly und Boehringer Ingelheim entwickeltes langwirksames Insulin glargin (Original: Lantus, Biosimilar: Abasaglar).
Inzwischen wurde auch ein schnell wirkendes Insulinanalogon (Insulin lispro Sanofi) zugelassen, nachdem Studien keine Unterschiede im Risiko der Entwicklung von Insulinantikörpern oder der Wirkung in Insulinpumpen im Vergleich zum Originalinsulin (Humalog von Eli Lilly) zeigen.
Was können „smarte Insuline“?
„Smarte Insuline“ sind eine in der Entwicklung befindliche Generation von Insulinen, die nur freigesetzt werden, wenn der Blutzucker ansteigt. Denkbar wäre, Insulin in Kapseln zu verpacken und diese Kapseln im Unterhautfettgewebe zu platzieren. Steigt der Blutzucker an, öffnen sich die Poren der Kapseln – das Insulin tritt aus. Ist der Blutzucker wieder im Normalbereich, verschließt sich die Kapsel wieder.
Im Tiermodell bereits publiziert ist ein Mikronadel-Pflaster, das aus einem abbaubaren, vernetzten Gel für eine glukoseregulierte Insulinabgabe mit schneller Reaktionsfähigkeit besteht. Bei Mäusen mit Typ-1-Diabetes konnte dieses intelligente Insulinpflaster den Blutzuckerspiegel innerhalb eines normalen Bereichs halten. Es wird aber sicher noch einige Jahre dauern, bis die klinischen Prüfungen der „smarten Insuline“ beim Menschen beginnen.
von Prof. Dr. med. Thomas Danne
Chefarzt Kinderkrankenhaus auf der Bult,
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: danne@hka.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (3) Seite 8-9
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike