- Ernährung
Süchtig nach Süßem und Salzigem? Warum hochverarbeitete Lebensmittel uns nicht loslassen
3 Minuten

So lange in die Chips- oder Gummibärchen-Tüte greifen und weiteressen, bis die Packung leer ist – das passiert oft bei solchen Produkten. Machen uns hochverarbeitete Lebensmittel etwa süchtig? Liesa Regner-Nelke, Assistenzärztin am Universitätsklinikum Düsseldorf und Kolumnistin für die diabetes zeitung, ist auf Spurensuche gegangen und hat wissenschaftliche Erklärungen gefunden.
Der Stand-up-Comedian Maxi Gstettenbauer hält die Fähigkeit, nur ein Schoko-Ei aus einer vollen Packung zu essen, für eine wahre Superkraft. Niemand habe eine derartige Willenskraft, und wenn doch, dann könne der sich gleich mit Superman und Co. messen. Eine Bewunderung, die ich beim Blick auf die Packung Oster-Schokolade, die ich im Schrank gefunden habe und die eben noch voll war, gut nachvollziehen kann. Nur eins essen und dann die Packung weglegen? Unmöglich!
Dieser Kolumnenbeitrag stammt aus der diabetes zeitung, einer Publikation für Behandelnde, die von der Deutschen Diabetes Gesellschaft herausgegeben wird und die, wie der Diabetes-Anker, in der MedTriX Group erscheint.
Doch warum kann ich mich so schwer davon abhalten, mir Schoko-Ei für Schoko-Ei in den Mund zu stecken, bis ich mich kaum noch vom Sofa erheben kann? Sollte mich nicht irgendein angeborenes Steinzeit-Verhaltensmuster davor bewahren, über den Hunger hinaus zu essen und so eine leichte Beute für den nächsten Säbelzahntiger zu sein? Und wenn ja, ist dieses Verhaltensmuster vielleicht einfach nicht auf die Herausforderungen eines modernen Lebensmittels wie dem Schoko-Ei ausgelegt?
Stoffwechsel- und Belohnungsprozesse bestimmen, wie viel wir essen
Die Nahrungsaufnahme wird von verschiedenen Organen des Körpers reguliert, die eine Rückmeldung über den Zustand des Stoffwechsels an das zentrale Nervensystem geben. Dieser Steuerungsprozess hängt von zwei unterschiedlichen, aber eng miteinander verknüpften Prozessen ab: der homöostatischen (d.h. Stoffwechselprozesse regulierenden) und der hedonischen (d.h. belohnenden) Komponente. Die homöostatische Regulierung der Nahrungsaufnahme erfolgt durch Informationen, die durch den Stoffwechsel und die Verdauungsorgane an das zentrale Nervensystem übermittelt werden. So nimmt das Nervensystem unter anderem die Zusammensetzung der Nahrung (z.B. viel Fett) und die Dehnung des Magens oder Darms wahr. Diese Informationen werden dann in Signale für den Beginn oder das Ende der Nahrungsaufnahme umgewandelt.
Hedonisches Essen wiederum ist der Prozess, der uns dazu bringt, die Hand immer wieder in die Tüte mit den Schokoladen-Eiern zu stecken, obwohl von Hunger schon lange nicht mehr die Rede sein kann. Der Prozess, ausschließlich zu essen, um angenehme Gefühle hervorzurufen, ohne Rücksicht auf den Stoffwechselstatus oder den Nährwert der verzehrten Lebensmittel. Diese Komponente der Nahrungsaufnahme stützt sich auf bewusst wahrgenommene sensorische Eigenschaften der Nahrung, wie den Geschmack, und einen unbewussten Prozess, der durch Appetit-Hormone aus dem Darm reguliert wird.
Können hochverarbeitete Lebensmittel süchtig machen?
Die amerikanischen Wissenschaftlerinnen Ashley N. Gearhardt und Alexandra G. DiFeliceantonio haben die These aufgestellt, dass stark verarbeitete Lebensmittel süchtig machen können – also Lebensmittel, die viele Verarbeitungsschritte durchlaufen und viele Zusatzstoffe enthalten (wie z.B. Fertiggerichte, oder Süßigkeiten). Grund sei die hedonische Komponente der Nahrungsaufnahme: Essen als Belohnung. Doch nicht alle Lebensmittel wirken gleichermaßen belohnend. Gearhardt und DiFeliceantonio argumentieren, dass süße und salzige, sowie kohlenhydrat- und fetthaltige Nahrungsmittel besonders wirksam sind. Da Kohlenhydrate und Fette die wichtigsten energieliefernden Nährstoffe in Lebensmitteln sind, liegt es auf der Hand, dass sie bevorzugt werden. Zudem deutet Süße in der Natur auf das Vorhandensein von Zucker hin, was unsere angeborene Vorliebe für Süßigkeiten erklären könnte. Unsere angeborene Vorliebe für Salziges könnte auf die Natriumknappheit in einigen natürlichen Umgebungen zurückzuführen sein.
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Es konnte zudem gezeigt werden, dass Lebensmittel, die Kohlenhydrate und Fett kombinieren, besonders bevorzugt werden, im Vergleich mit Lebensmittel, die die gleiche Menge an Energie entweder in Form von Kohlenhydraten oder Fett enthalten. Grund hierfür könnte ein besseres Energie-Sättigungs-Verhältnis dieser Mischung sein. Dieses Verhältnis ist biologisch wichtig, da Ziel des Essens die Aufnahme von Energie und Nährstoffen ist, nicht satt, zu werden. Sättigung schränkt die Nahrungsaufnahme ein. Daher wäre eine Vorliebe für stark sättigende, aber nährstoff- und energiearme Lebensmittel unvorteilhaft. Hochverarbeitete Lebensmittel erhalten häufig eine Mischung aus Kohlenhydraten und Fetten und regen somit besonders stark das Belohnungssystem an. Hinzu kommt der bewusst wahrgenommene Geschmack, welcher bei diesen Lebensmitteln oft stärker ist als bei natürlicheren Produkten (wie z.B. einem Apfel). Ein Verhalten, dass das Belohnungssystem anregt, wird wiederum gerne wiederholt und so kommt es zum „Suchtpotenzial“ von hochverarbeiten Lebensmitteln.
Früher drohte Gefahr durch den Säbelzahntiger – und heute?
In Anbetracht dieser Tatsachen kann es ein tröstlicher Gedanke sein, dass sich seit der Steinzeit neben unseren Nahrungsmitteln auch die Gefahr durch Säbelzahntiger geändert hat. Dennoch bieten hochverarbeitete Lebensmittel nicht unbedingt weniger Risiken. Eine Aufklärung über die Prozesse, die diese Produkte so unwiderstehlich machen, kann dabei helfen fundierte Entscheidungen über die eigene Ernährung zu treffen. Ich persönlich werde mich von Schoki-Eiern, den Säbelzahntigern unserer Zeit, erst einmal fernhalten.
von Liesa Regner-Nelke
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swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 1 Tag
Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe. -
shangwari postete ein Update vor 5 Tagen, 4 Stunden
Ich habe mir ein neues Mobiltelefon von Samsung (A56) zugelegt. An manchen Tagen saugt die Freestyle Libre App den Akku in nicht mal 12 Stunden leer. In einigen Foren habe ich von dem gleichen Problem gelesen. Da ich auf dem Telefon nachlesen kann, wer denn den ganzen Strom verbraucht hat, konnte ich die App genau identifizieren. Gehe ich in den Einstellungen auf Gerätewartung und lasse diese dann optimieren, ist das Problem für einige Zeit behoben. Heute habe ich bei Abbott angerufen und mein Problem geschildert. Ich habe erfahren, dass einige Telefone noch nicht mit Freestyle getestet wurden. (So auch meins) Der Ratschlag ist, die App zu deinstallieren und neu aus dem Store herunterladen. Bei der automatischen Übernahme der Telefone (beim einrichten eines neuen Mobil) kann sein das die App nicht aus dem Store geladen wurde – sondern vom “alten” Telefon. Ich werden noch warten bis mein Sensor eh erneuert werden muss und dann wage ich mich daran. Bis es soweit ist werde ich mich mit der “Optimieren – Taste” behelfen.
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nele_elsa antwortete vor 4 Tagen, 9 Stunden
Hallo,
Ich hatte das Problem auch mit meinem iPhone SE20 und dachte, es liegt daran, dass mein Handy zu alt war und hab mir so eine Powerbank-Hülle gekauft. Viel erfolg!
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nele_elsa postete ein Update vor 1 Woche
Hallo,
Ich habe eine Frage:
Wir ziehen Ende Oktober von Österreich zurück nach Deutschland.
Jetzt muss ich mich für eine Krankenkasse entscheiden und wollte fragen, ob es erfahrungsgemäß vorteilhafte Krankenkassen für Menschen mit Diabetes gibt? Im Internet wäre ich nach Recherchen auf die aok gekommen.
Für tips und Erfahrungsberichte wäre ich sehr dankbar ☺️
Liebe Grüße
Nele-
moira antwortete vor 6 Tagen, 2 Stunden
Hallo Nele! Ich bin bei der SBK und sehr zufrieden, aber ich weiß nicht ob andere besser oder schlechter sind.
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nele_elsa antwortete vor 5 Tagen, 10 Stunden
@moira: Dankeschön
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Hallo Dia-Newbie 🙂 Schön, dass du den Weg zum Diabetes Anker gefunden hast. Ich bin Lena, die Community-Managerin hier und bis sich ein paar Community-Mitglieder bei dir melden, kannst du die Zeit vielleicht mit diesem Artikel überbrücken (https://diabetes-anker.de/behandlung/behandlung-des-diabetes-diese-buecher-und-materialien-helfen-weiter/). Vielleicht findest du noch wichtige Infos für dich, um deinen Alltag zu vereinfachen. 🙂 Ansonsten findest du beim Diabetes-Anker auch fundiertes Wissen zum Thema ICT von Expert:innen aber auch von Menschen mit Diabetes…Viele Grüße Lena