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Eine Ampelkennzeichnung auf Verpackungen sowie eine Sonderbesteuerung stark zuckerhaltiger Lebensmittelprodukte wird von vielen gefordert: Parteien, medizinischen Fachverbänden, Selbsthilfeorganisationen, Verbraucherschützern etc. Doch eine CDU-Politikerin sieht darin allein „Hokuspokus“ von „Aktivisten“. Eine Replik.
Ein gängiges politisches Manöver, um einen missliebigen Standpunkt in Verruf zu bringen, ist, nicht nur diesen selbst verbal anzugreifen, sondern auch diejenigen, die ihn vorbringen. Ein Paradebeispiel dafür lieferte kürzlich Gitta Connemann, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. In einer Pressemitteilung ihrer Fraktion vom 30. August mit dem Titel „Strafsteuern lösen das Diabetes-Problem nicht“ kommentiert sie:
„Übergewicht und Diabetes […] fordern Gesellschaft und Politik. Dagegen gibt es aber kein Allheilmittel. Foodwatch suggeriert jedoch genau dies. Der Verein gibt vor, das Patentrezept gefunden zu haben. Simsalabim. Mit Zuckersteuer und Ampelkennzeichnung sollen alle Probleme gelöst werden. Hokuspokus. Da machen es sich die Aktivisten zu einfach. Diabetes kann nicht wegbesteuert werden.“
Und weiter heißt es:
„Die Forderung nach einer Zuckersteuer ist vielleicht plakativ. Und die martialische Öffentlichkeitsarbeit hilft Foodwatch wahrscheinlich dabei, Spenden einzusammeln. Aber Zuckersteuern können das Problem nicht beheben. Das ist Augenwischerei.“
Ja, der Verbraucherschutzverein foodwatch mag seine Ziele in der Tat offensiv und plakativ vortragen. Ja, er mag auch mit Zuspitzungen oder Übertreibungen arbeiten, um seine Standpunkte in die breite Öffentlichkeit zu tragen (wie es allerdings ebenso die betreffenden Industrieverbände auf der Gegenseite tun). Doch von Connemann dabei gänzlich unerwähnt bleibt, dass die „Aktivisten“ (das klingt so schön despektierlich nach dubiosen linken Öko-Revoluzzern) damit keineswegs allein dastehen:
Denselben Standpunkt vertritt die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), ein Zusammenschluss von 17 wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen (u. a. diabetesDE, Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Herzstiftung, Deutsche Adipositas-Gesellschaft); diabetesDE und DDG haben zu dem Thema mit foodwatch sogar schon gemeinsame Pressemitteilungen veröffentlicht.
Arbeiten diese renommierten Fach- und Patientenverbände also ebenfalls mit „Hokuspokus“ und „Simsalabim“? Sind das auch „Aktivisten“ mit einer „martialischen Öffentlichkeitsarbeit“, um damit „Spenden einzusammeln“? Dass an dem „Hokuspokus“ doch mehr dran sein könnte, als ihre Wortwahl vermuten lässt, darüber kann Connemann sich ja auch einmal mit ihrem engagierten Fraktionskollegen Dietrich Monstadt austauschen: Der Unionspolitiker und Typ-2-Diabetiker macht sich nämlich ebenfalls stark für eine Sonderbesteuerung zulasten von Produzenten besonders zuckerhaltiger Säfte und Limonaden!
Natürlich kann man sich streitenüber die Wirkung von Ampelkennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen sowie Sonderbesteuerung stark zuckerhaltiger Produkte – und Allheilmittel sind diese Vorhaben für sich allein gewiss nicht. Doch das Thema ist aus meinem Blickwinkel zu wichtig, die Folgen sind zu gravierend, um von einer Politikerin in solch verantwortlicher Position in Form einer polemischen Glosse aufgearbeitet zu werden.
Zumal Connemanns eigene Lösungsansätze für sich allein sicherlich auch nicht der Weisheit letzter Schluss sind: Sie fordert mehr Aufklärung und Transparenz (was foodwatch und Fachgesellschaften auch tun) und von der Lebensmittelbranche eine freiwillige Strategie zur Reduktion von Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten – wie ratsam bedingungsloses Grundvertrauen in gewinnorientierte Unternehmen prinzipiell ist, hat jüngst die Dieselaffäre anschaulich gezeigt …
von Gregor Hess
Redaktion Diabetes-Journal, Kirchheim-Verlag,
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Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 65 (10) Seite 29
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