Darmhormone können beim Abnehmen unterstützen

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Darmhormone können beim Abnehmen unterstützen | Foto: Andreas Prott – stock.adobe.com
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Darmhormone können beim Abnehmen unterstützen

In letzter Zeit haben Schlagzeilen und Prominente wahre Abnehmwunder von Medikamenten versprochen, die ursprünglich für die Behandlung von Typ-2-Diabetes gedacht waren. Was steckt dahinter? Welche Wirkungen gibt es wirklich, aber auch welche Nebenwirkungen?

Schlank gespritzt – ein Wundermittel in der Adipositas-Therapie. Einmal in der Woche ein Medikament spritzen und ‚ganz nebenbei‘ Körpergewicht reduzieren. Diese oder ähnliche Schlagzeilen sind in der Presse und den sozialen Medien überall zu finden. Die dahinterstehenden Medikamente werden als “Game-Changer”, also Spiel-Veränderer, bezeichnet und haben für Aufsehen und auch Empörung gesorgt. Stars wie Elon Musk und Kim Kardashian zeigten der Welt, wie sie mithilfe dieser Medikamente die Pfunde schmelzen ließen – und ließen so die Nachfrage nach diesen Medikamenten so stark steigen, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes um ihre Versorgung damit bangen mussten. Wie wirken diese Medikamente, wer bekommt sie verschrieben und mit welchen Nebenwirkungen ist zu rechnen?

Bekannte Handelsnamen wie Ozempic, Byetta, Victoza, Bydureon oder Trulicity sind Medikamete, welche seit Jahren in der Diabetologie eingesetzt werden. Alle diese Medikamente gehören in die Gruppe der GLP-1-Rezeptor-Agonisten; GLP-1 steht für Glucagon-like Peptide-1. Sie enthalten verschiedene Wirkstoffe wie Dulaglutid, Exenatid, Semaglutid und Liraglutid.

GLP-1 ist ein Darmhormon, ein Inkretin. Dieses wird natürlicherweise Mahlzeiten-abhängig vom eigenen Körper produziert. GLP-1 verstärkt, abhängig vom Glukosewert, die Freisetzung von Insulin und hemmt die Freisetzung von Glukagon. Daraus folgt ein Blutzucker-senkender Effekt. Darüber hinaus wird die Entleerung des Magens verzögert, was zu einem früheren Sättigungsgefühl beiträgt. Dieser Wirkmechanismus wird auch als Inkretin-Effekt bezeichnet. Darüber hinaus können diese Medikamente auch positive Effekte auf das Herz-Kreislauf-System haben.

Die Mehrzahl der Präparate wird mit einem Fertigpen ins Unterhautfettgewebe gespritzt, vom Wirkstoff Semaglutid gibt es auch Tabletten. Je nach Präparat wird ein GLP-1-Rezeptor-Agonist ein- bis zweimal täglich oder einmal wöchentlich gespritzt. Geeignete Injektionsstellen sind die Oberarme, der Bauch sowie die Oberschenkel. Die Präparate sollten nach Anbruch im Kühlschrank und nicht über 30 °C gelagert werden. Nach Anbruch sind die Medikamente für sechs Wochen haltbar.

Nicht Mittel der ersten Wahl zum Abnehmen

Bei einem Diabetes mellitus Typ 2 können GLP-1-Rezeptor-Agonisten allein oder in Kombination mit anderen den Blutzucker senkenden Tabletten (orale Antidiabetika), Insulin sowie der Basistherapie mit gesunder Ernährung und Bewegung eine gute Therapie-Kombination darstellen. Ohne die Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 können nur spezielle GLP-1-Rezeptor-Agonisten für die Therapie von starkem Übergewicht (Adipositas) eingesetzt werden. Leitlinien empfehlen zur Gewichts-Reduktion jedoch nicht Medikamente als “Mittel der ersten Wahl”. Dennoch können sie eine Hilfe sein, um zu Beginn Erfolge der Therapie zu sehen und so die Motivation für eine längerfristige Umstellung des Lebensstils zu erhöhen.

Zu den für die Adipositas-Therapie zugelassenen Medikamenten zählen Wegovy mit dem Wirkstoff Semaglutid und Saxenda mit dem Wirkstoff Liraglutid. Wegovy und Saxenda können im Erwachsenenalter ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 kg/m² und mehr bzw. bei einem BMI zwischen 27 und 30 kg/m² plus eine durch das Gewicht bedingte Begleiterkrankung wie Bluthochdruck, Prädiabetes oder Störung des Fettstoffwechsels angewandt werden. Auch bei Jugendlichen über 12 Jahren können beide Präparate ergänzend zur Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie eingesetzt werden, sofern eine nach kinderärztlichen Richtlinien festgestellte Adipositas vorliegt und das Körpergewicht 60 kg überschreitet. Die genannten Medikamente müssen von Betroffenen selbst bezahlt werden.

Dosis langsam steigern hilft

Für eine bessere Verträglichkeit der Medikamente wird empfohlen, mit einer geringen Dosis zu beginnen und diese schrittweise nach Maßgabe des Arztes oder der Ärztin zu erhöhen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Erbrechen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Müdigkeit sowie Magen-Darm-Beschwerden. Meist sind die Symptome zu Beginn der Therapie und bei Erhöhen der Dosis am stärksten. Sie verschwinden in den meisten Fällen, sobald sich der Körper an die Medikamente gewöhnt hat.

Um die persönlichen Nebenwirkungen besser identifizieren zu können, kann ein “Tagebuch” helfen. Eine Vorlage gibt es im Schulungsprogramm “think”, was für “Therapie mit Inkretinen” steht und von einigen Diabetes-Schwerpunktpraxen bereits angeboten wird. Lassen sich bei den Nebenwirkungen Muster erkennen, ist es möglich, diese genauer zu analysieren, um eine Verbesserung schaffen zu können. Diese und weitere Tipps zum Umgang mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten sind Teil einer guten Schulung.

Keine Allheilmittel, sondern Ergänzung

GLP-1-Rezeptor-Agonisten sind keine “Allheilmittel”, sondern ergänzen die Basistherapie. Diese umfasst die Ernährung sowie die Bewegung, die beide oft einer Verhaltensänderung bedürfen. Hinter einer Verhaltensänderung verbergen sich:

  • Selbstbeobachtung der Ess- und Bewegungsgewohnheiten und des Gewichts-Verlaufs,
  • Einüben von flexibel kontrollierbaren Ess- und Bewegungsgewohnheiten,
  • Bewusstsein schaffen für Situationen mit unkontrollierbarem Essverhalten,
  • Entwicklung von Strategien für neue Routinen.

Der beste und nachhaltigste Weg einer Gewichts-Abnahme ist demnach eine Kombination von einer medikamentösen Therapie mit einer Änderung des Verhaltens. Die Schulung ist daher ein elementarer Bestandteil, um zum einen Wissen und Fertigkeiten aufzubauen, aber auch, um persönliche Strategien für einen gesunden Lebensstil zu entwickeln. So können gute Voraussetzungen geschaffen werden, welche den Inkretin-Effekt optimieren.

Zum Inkretin-Effekt gehört, wie beschrieben, auch die verzögerte Magen-Entleerung. Daher werden übliche Portionen in der Regel nicht so gut vertragen. Es hilft, langsam zu essen, kleinere Portionen als üblich zu verzehren, gut zu kauen, auf das Sättigungsgefühl zu achten und sich nicht zu zwingen, den Teller leer zu essen.

Neue Generation bereits verfügbar

Mit Tirzepatid steht eine neue Generation von Inkretinen zur Verfügung. Dieser Wirkstoff mit dem Handelsnamen Mounjaro entfaltet Wirkungen am GLP-1-Rezeptor und am Rezeptor für GIP (Glukose-abhängiges insulinotropes Polypeptid). Durch diese Kombination lässt sich der Inkretin-Effekt verstärken. In Studien zeigte sich eine Reduktion des Körpergewichts um bis zu 20 Prozent. Rezeptoren für GIP und GLP-1 sind auf unterschiedlichen Zellen des Körpers zu finden, u. a. im Bereich des Gehirns, der für die Regulation des Appetits mitverantwortlich ist.

Internationale Studien konnten mit Tirzepatid eine effektivere HbA1c-Senkung und Gewichts-Reduktion im Vergleich zur Therapie mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten zeigen. Die Verträglichkeit war vergleichbar, die Nebenwirkungen mit leicht bis moderat beschrieben. Vor allem Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall wurden genannt. Weitere langfristige Nebenwirkungen sind noch nicht abschließend erforscht.

Die Kombination der Wirkungen auf die GLP-1- und die GIP-Rezeptoren ist aktuell in Deutschland ausschließlich für Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. Es laufen Studien, damit diese Kombinations-Präparate auch in der Therapie der Adipositas ihren Einsatz finden können. Bereits jetzt gibt es erste Studien-Ergebnisse zur dritten Generation der Inkretin-Medikamente, welche eine noch größere Gewichts-Reduktion versprechen. Hier wirken die Medikamente an den Rezeptoren für GLP-1, für GIP und für Glukagon.

Fazit

Die Inkretin-Medikamente der zweiten und dritten Generation haben tatsächlich das Potenzial, “Game-Changer” zu werden, da enorme Gewichts-Verluste erreicht werden können. Allerdings stellt sich die Frage, wie Langzeit-Effekte aussehen, wenn die Medikamente abgesetzt werden. Für den Langzeit-Effekt und die Verträglichkeit ist das Umstellen von Gewohnheiten, wie beschrieben, zwingend erforderlich und daher ein entscheidender Faktor.

Daraus folgt: Ganz gleich, welches Medikament zur Therapie eingesetzt wird – es sollte niemals als alleinige Therapie verstanden werden, sondern eher als “Unterstützer”. Eine Veränderung von Gewohnheiten bei der Ernährung und der Bewegung bleibt ein entscheidender Beitrag für einen nachhaltigen Erfolg.

Schwerpunkt: „Übergewicht mit Erfolg angehen“


von Juliane Ehrmann

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Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 72 (2)  Seite 21-23

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  • tako111 postete ein Update vor 3 Tagen, 9 Stunden

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

    • Willkommen Nina, …
      da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
      Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
      lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …

      Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
      falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!

      Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.

      LG

      Wolfgang

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 4 Tagen, 16 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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