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Das Echt essen-Gasthaus im August: “Heimat” heißt tatsächlich ein Restaurant in der Nähe des Louvre. Ein Streifzug zu echten Adressen in der kulinarischen Weltstadt Nummer eins
Paris ist schön: Die Innenstadt glänzt mit einer einmaligen Mischung aus großbürgerlichen Straßenzügen, wunderbaren Parks, aber auch lauschigen Vierteln wie Marais und Saint-Germain-des-Prés. Paris ist vital: An einem lauen Sommerabend ist tout Paris ein flirrender Boulevard, wo sich fröhliche Menschen in unzähligen Bars, Bistrots und Freiluftcafés vergnügen. Paris isst kulinarisch: Mögen auch überkandidelte Gastrokritiker ausgerechnet die Küche der Nordlichter zum Weltennabel verklären, in der Breite gut und entspannt wird nach wie vor in Paris getafelt.
Gleich fünf Mal eingekehrt bin ich in knapp drei Tagen – und kann bis auf eine kleine Ausnahme nur über angenehme Erfahrungen berichten: Angefangen von der hoffnungsvollen Neugründung “Heimat”über zwei traditionelle Brasserien bis hin zu zwei Restaurants des Ausnahmegastronomen Alain Ducasse.
Gar nicht glauben wollte ich, dass es in Paris ein Restaurant mit dem urdeutschen Namen “Heimat” gibt. Aber direkt hinter dem “Palais Royal”und wenige Gehminuten vom “Louvre”entfernt weist ein schlichter schwarzer Metall-Schriftzug auf das spartanisch eingerichtete Lokal mit seinen unverputzten Wänden hin. Die Atmosphäre in den verschiedenen kleinen Gewölberäumen ist locker-lässig, statt einer umfangreichen Karte gibt es einen tagesaktuellen Ausdruck mit zwei verschiedenen dreigängigen Menüs, die jeweils 50 Euro kosten.
Ich entschied mich für Rascasse, Taube und einen kleinen Aprikosen-Auflauf. Ein wenig schöner, mit giftigen Stacheln ausgestatteter Felsenfisch ist die Rascasse, die auch Großer Drachenkopf oder Meersau heißt. Jedenfalls schmeckte das auf den Punkt gebratene Stück ganz ausgezeichnet zusammen mit einem flachen “Kuchen” aus Kichererbsen – und beides lag auf einem Bett von kleingeschnittenem Paprika. Großartig die Sauce auf Basis eines Krustentierfonds.
Selten esse ich Taube, weil sie gerne zäh gerät. Nicht so in der “Heimat”, wo das Geflügel so gut wie selten in der deutschen Heimat zubereitet wird: Saftig im Geschmack die Brust, herrlich knusprig die Schenkel. Kongenial begleitet von bissfest gegarten Karotten, Rote Beten, grünen Spargeln – klug zusammen gebunden von einer eleganten Algensauce. Erfreulich wenig süß das Dessert mit dem Aprikosen-Auflauf, gewürzt mit Basilikum und einem erfrischenden Aprikoseneis.
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Spannend der Wein, “Lucky” Grenache Blanc vom Rhone-Gut “Gregory Guillaume” mit sparsamen 11,5 Prozent Alkohol für 36 Euro. Kein Schnäppchen, aber ein faszinierender “Vin naturel”ohne Schwefel, leicht naturtrüb. Ich mag diese widerborstigen “Urweine”– und auf der Heimat-Karte gibt es ganz viele davon.
Nicht wirklich herausgefunden habe ich, woher der Name “Heimat” stammt. Die Crew spricht italienisch, versuchte sich für uns mit ein paar deutschen Worten – aber erklärt hat mir das Ganze eine Engländerin, die meinte, es wäre ein Schweizer mit als Gründer an Bord. Viel Zeit hatte sie nicht, denn das kleine Restaurant war schnell brechend voll.
Fazit: Das sympathische Lokal ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Übrigens: Die Homepage www.heimatparis.com besteht schlicht aus dem Bild eines wilden Felsens in schwarz-weiß – und als Info steht lediglich drauf, dass von Dienstag bis Samstag ab 19 Uhr geöffnet ist. Irgendwie passend.
“Heimat“, 37 Rue de Montpensier, 75 001 Paris, 0033 1 40 26 78 25
Was in München und Köln die traditionellen Braugaststätten sind, heißt in Paris “Brasserie”– und die sind oft eine einmalige Mischung aus Art déco und Jugendstil. Wunderbare Denkmäler mit viel Glas, Spiegeln, traditionellen Tischen und Stühlen. Oft gerät in gastronomischen Denkmälern die Küche allerdings gar gestrig. Nichts davon in der 1864 vom Colmarer Frédéric Bofinger eröffneten Brasserie “Bofinger” im Marais, wenige Schritte vom weltberühmten “Place des Vosges” entfernt. Hier sitzen die Touristen unter einer prächtigen Glaskuppel – und alle erfreuen sich an einer erstaunlich guten Gastronomie.
Großartig die Meeresfrüchteplatte mit frischen Austern und zarten Seeschnecken, die um Lichtjahre besser sind, als die “echten” der Vorspeise. Sehr gut die Schweinsterrine, ein Gedicht der auf den Punkt gebratene Kabeljau. Souverän und locker der Service, der zwar bevorzugt französisch spricht, aber auch dem deutschen Gast jederzeit das Gefühl der Herzlichkeit gibt – wie überhaupt von der bei uns oft kolportierten Arroganz oder gar Deutschfeindlichkeit nichts zu spüren ist. Erfreulich die Preise in dieser Institution: Gut gegessen und getrunken – und zu zweit keine 100 Euro bezahlt.
Auch eine Institution ist die 1880 ebenfalls von einem Elsässer in Saint-Germain-des-Prés gegründete “Brasserie Lipp”. Auch hier ein prächtiges Ambiente mit noch mehr Spiegeln. Aber alles viel förmlicher mit wie aus der Zeit gefallenen Kellnern in schwarzen Anzügen. Ein wenig aus der Zeit gefallen auch das Essen, der “Hareng Bismark” ist leicht zu süß, das “Choucroute Lipp, Special, au Jarret de Porc” für 24 Euro glänzt mit schlotzigem Sauerkraut, zarter und saftiger Haxe – und bejammernswert schlechten Würsten. Der kleine Becher Bier ist mit 7 Euro viel zu teuer, aber der offene Wein ist gut.
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Egal, es lohnt sich allein wegen dem Ambiente einmal auf einen Abstecher ins “Lipp” zu gehen. Gegenüber ist das “Café de Flore”, wo in den 1950er-Jahren Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre Literaturgeschichte geschrieben haben. Wer von dort zur Seine läuft, kommt durch ein verwinkeltes Viertel mit schönen Buchläden, Antiquariaten und lebhaften Kneipen.
Eine ganz andere Art von Institution ist Alain Ducasse, der wohl erfolgreichste derzeit lebende Gastronom. Er hat gleich drei mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurants, dazu eine Vielzahl weiterer Gasthäuser, ist Ausbilder einer ganzen Generation von Köchen und gibt hervorragende Bücher über das Essen heraus – die alle ein Ziel haben: Beste Küche auf eine möglichst einfache Art zu präsentieren. In Paris habe ich zwei seiner Restaurants besucht, einmal eins mit Lyonnaiser Küche und eins mit Fisch.
“Aux Lyonnais”heißt das Bistrot in der Rue Saint Marc in der Nähe der Opéra. Dicht gedrängt sitzen hier die Gäste und genießen ausschließlich die Wurst- und Fleisch-basierte Küche der zweitgrößten Stadt Frankreichs. Begeistert war ich vom Vorspeisenteller “Planche de charcuterie” mit Cervelat, Salami und “Fromage de tete de porc”, wie hier feinsinnig die Schweinskopfsülze heißt. Als Hauptgericht hatte ich das “Bavette de boeuf”, ein von mir bewusst blutig, also “saignant” bestelltes Rindersteak. Das ist purer Fleischgenuss, gefolgt von einem Frischkäse – und alles für 34 Euro.
Feiner als im “Lyonnais” geht es im “Rech”in der vornehmen Avenue de Ternes hinter der Champs Élysées zu, wo gefühlte 80 Prozent der Autos Audi, BMW, Mercedes und Porsche heißen. Ein elegantes Restaurant ist das, spezialisiert auf Fisch. Ein fünfgängiges Fischmenü für 76 Euro habe ich hier bestellt – und keinen Euro davon bereut. Es empfiehlt sich das Menü zu nehmen, denn einzelne Fische kosten schnell einmal pro Person über 50 Euro. Zwei Gänge haben mir besonders gefallen:
Zum Reinlegen gut ist diese Vorspeise mit topfrischer Dorade. An sich bin ich ja kein Freund der “Tupfer”, aber diese Mischung aus Algen, Oliven, Minikapern, den kleinen, abwechselnd angeordneten Koriander-Miso- und Zitronenkugeln schmeckt einfach hinreißend. Das ist große Küchenkunst – gute Grundprodukte klug und schlicht zu inszenieren.
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Eine Dorschart ist der Pollack, der hier topfrisch auf den Punkt gegart serviert wird. Kein Edelfisch, trotzdem schmeckt er fast ein wenig wie der teure Steinbutt. Fein die kurz in Butter geschwenkten Bohnen, erfreulich die nicht geschälten Kartoffeln, intensiv die Sauce von Gräten und Köpfen des Fisches.
Ja, liebe deutsche Fernsehköche – so sieht kulinarische Bildung für ein ganzes Land aus! Überlegen Sie einmal, welcher deutsche Koch, sich dermaßen um die Küche seines Landes verdient macht. Ich bin sicher, dass ein Alain Ducasse auch unsere “Heimatküche”zu ungeahnten Höhen führen würde – der würde sogar ein hier gerne gescholtenes Gericht wie Labskaus zur Delikatesse adeln.
Als Bahnfreund bin ich begeistert vom TGV – das ist der Hochgeschwindigkeitszug, der im Gegensatz zum ICE weitgehend pünktlich verkehrt. Begeistert bin ich auch von den Pariser Bahnhöfen, die herrlich herausgeputzt und blitzblank eine Augenweide sind. Allein das Restaurant im Gare de Lyon mit seinen prächtigen Wand- und Deckengemälden ist einen Besuch wert.
Übrigens: Die Metropole Paris mit über zwölf Millionen Einwohnern fährt mit ihrem System von einem halben Dutzend Kopfbahnhöfen glänzend, während eine größenwahnsinnige schwäbische Landeshauptstadt ihren Kopfbahnhof mit einem Milliardenaufwand unter die Erde verlegt – und dabei auch noch Teile des denkmalgeschützten Gebäudes abreißt.
Meine Empfehlung: Fahren Sie nach Paris. Das weitet den Blick – auch im Hinblick auf das von uns so hochgelobte Deutschland.
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
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