Isoglukose: Zuckersirup-Schwemme erwartet

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Isoglukose: Zuckersirup-Schwemme erwartet

Am 1. Oktober fallen die Schranken für billige Zuckersirup-Importe in die EU. diabetesDE und die Deutsche Adipositas-Gesellschaft mahnen vor den negativen Gesundheitsfolgen, die dadurch zu erwarten sind und fordern die Politik zum Handeln auf.

Am 1. Oktober 2017 entfällt die Zuckermarktordnung für Rübenzucker und praktisch zeitgleich läuft Ende September die Quotenregelung für Isoglukose aus, deren Anteil auf dem EU-Binnenmarkt bislang auf fünf Prozent begrenzt war. Das Resultat ist abzusehen: keine Schranken mehr für die billigen Zuckersirup-Importe mit der Sammelbezeichnung „Isoglukose“. Der Sirup aus meist 55 Prozent Fruktose und 44 Prozent Glukose wird zwar als nicht schädlicher als Industriezucker eingeschätzt, sofern sich die Verzehrmengen nicht erhöhen; die Produktion soll sich in den nächsten zehn Jahren jedoch mehr als verdreifachen.

Erhöhte Fruktosezufuhr steigert langfristig Risiko für Fettleber oder Typ-2-Diabetes

Sollte Isoglukose den Zucker nicht nur vom Markt verdrängen, sondern in verarbeiteten Lebensmitteln noch stärker zum Einsatz kommen, nimmt der Zucker- und Kalorienverzehr insgesamt noch mehr zu und würde so die Zunahme von Übergewicht und Adipositas, Diabetes Typ 2 und kardiovaskulären Krankheiten weiter begünstigen. Eine mengenmäßig erhöhte Fruktosezufuhr würde langfristig das Risiko für eine Fettleber oder Typ-2-Diabetes steigern.

diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) plädieren deshalb für eine zügige Optimierung und Implementierung der nationalen Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fett in der kommenden Legislaturperiode und fordern ein wissenschaftliches Beratergremium, in das auch Mediziner, Ernährungsexperten und Public Health Wissenschaftler eingebunden sind.

„Die Bundesregierung muss in der kommenden Legislaturperiode handeln!“

„Es ist zu erwarten, dass die Lebensmittelindustrie die billige Isoglukose in Europa vermehrt einsetzt. Die Bundesregierung muss deshalb in der kommenden Legislaturperiode konsequent darauf hinwirken, dass die Lebensmittel nicht süßer werden und der Zuckerkonsum nicht weiter zunimmt – er übersteigt nämlich heute schon die Empfehlung für die maximale Aufnahme um das Doppelte und ist mitverantwortlich für die hohe Krankheitshäufigkeit bei Diabetes Typ 2 und Adipositas!“, warnt Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Joost, zuständig für die Themen Wissenschaft und Ernährung im Vorstand von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe.

„Dazu muss die begonnene nationale Reduktionsstrategie des Bundes¬ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung konsequent weiter verfolgt und optimiert werden, vor allem in Hinblick auf zeitgebundene Zielgrößen, die von der Lebensmittelwirtschaft verpflichtend umzusetzen sein sollten; noch effizienter wäre eine Zucker-Fett-Steuer“, fordert der Diabetologe.

Werden wirtschaftliche Interessen einmal mehr über die Gesundheit gestellt?

„Am Beispiel Zucker und Isoglukose können wir sehen, dass sich die Agrar- und Ernährungspolitik direkt auf die Ernährung der EU-Bürger auswirkt und damit auch einen Einfluss auf die Entstehung chronischer Krankheiten hat. Wir müssen verhindern, dass wirtschaftliche Interessen einmal mehr den ungünstigen Zuckerkonsum weiter in die Höhe treiben und die Gesundheit der Bürger als Kollateralschaden einer einseitigen Agrarpolitik in Kauf genommen wird“, so Professor Dr. med. Matthias Blüher, Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG)

Blüher weiter: „Adipositasprävention muss in allen politischen Handlungsfeldern mitgedacht und mitberücksichtigt werden. Das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung hat schließlich nicht nur eine Verantwortung gegenüber der Lebensmittelwirtschaft, sondern auch für den gesundheitlichen Verbraucherschutz in Deutschland“.

Für die Fortsetzung der nationalen Reduktionsstrategie zur Reduzierung von Zucker, Salz und Fett in Lebensmitteln plädieren Blüher und Joost an die neue Bundesregierung, speziell die neuen Minister für Landwirtschaft und Ernährung sowie Gesundheit, einen wissenschaftlichen Expertenbeirat zu gründen und so den Sachverstand von Adipositas- und Diabetesexperten der maßgeblichen medizinischen Fachgesellschaften in die Formulierung der Reduktionsstrategie einzubeziehen. Darüber hinaus fordert die Deutsche Adipositas-Gesellschaft die Implementierung eines nationalen Adipositasplans in Deutschland.

Hintergrund – Isoglukose: billig und gesundheitlich bedenklich

Der billige Zuckersirup Isoglukose wird verarbeiteten Lebensmitteln wie zum Beispiel Limonaden, Gebäck oder Soßen gerne als Süßungsmittel zugesetzt. Verbraucher erkennen ihn auf Zutatenlisten auch unter Bezeichnungen wie Fruktose-Glukose-Sirup. Hergestellt wird das Produkt aus Mais-, Weizen- oder Kartoffelstärke. In den USA macht Isoglukose (High fructose corn syrup = HFCS) annähernd 50 Prozent der verwendeten Zuckerarten aus. Bislang war der Anteil der Isoglukose in der Europäischen Union auf 5 Prozent des Zuckermarktes begrenzt [1].

Isoglukose besteht meist zu 55 Prozent aus Fruchtzucker und zu 44 Prozent aus Glukose, während in Saccharose (Haushaltszucker) beide Zuckerarten im gleichen Mengenverhältnis vorliegen. Dieser Unterschied wird als ernährungsphysiologisch nicht relevant eingeschätzt [1]. Auf Basis der Ähnlichkeit in der Zusammensetzung mit Saccharose (Rübenzucker) und anderen fruktosehaltigen Zuckern wie Honig oder Invertzucker, dem gleichen Energiegehalt sowie der gleichen Verstoffwechslung kommt ein aktuelles Gutachten des Max-Rubner-Instituts zu dem Schluss, dass „Isoglukose … der Gesundheit des Menschen nicht mehr [schadet] als andere Zucker“, sofern die aufgenommenen Mengen gleich sind [1].

Experten des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) des EU-Parlaments schätzen jedoch, dass sich die Isoglukoseproduktion im Zeitraum von 2016 bis 2025 mehr als verdreifachen wird und erwarten eine erhöhte Aufnahme von Isoglukose [2].

Nach Empfehlung der WHO („strong recommendation“) sollte der Verzehr von zugesetztem Zucker, incl. Sirup und Honig 50 Gramm pro Tag (= max. 10 Prozent der Gesamtenergieaufnahme) nicht überschreiten; dies wird mit der Evidenzlage zum Zusammenhang zwischen der Aufnahme freier Zucker (=zugesetzter Zucker) und einer Erhöhung des Körpergewichts begründet [3]. Auch andere Autoren sehen eine kausale Beziehung zwischen Zuckerkonsum, Übergewicht/Adipositas, Diabetes-Typ-2-Risiko und kardiovaskulärem Risiko als gesichert an [4].

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat kürzlich ihre „10 Regeln der DGE“ für eine ausgewogene Ernährung entsprechend geändert: „Mit Zucker gesüßte Lebensmittel und Getränke sind nicht empfehlenswert“. Hier heißt es jetzt nicht länger „Achten Sie auf Zucker …“, sondern: „Zucker …einsparen“ [5].


Literatur:
[1] Max-Rubner-Institut: „Ernährungsphysiologische Bewertung und Auswirkungen des Isoglukosekonsums auf die menschliche Gesundheit“ (Mai 2017; erscheint in Kürze auf der Website des Max-Rubner-Instituts)
[4] Joost, H-G, Gerlach, S.: „Zuckerkonsum, Übergewicht, Diabetes Typ 2: Die Beweise für eine kausale Beziehung sind erdrückend!“, Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes, Kirchheim 2017

Quelle: Pressemitteilung von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG)

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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