Ist das Genuss oder kann das weg?!

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Community-Beitrag
Ist das Genuss oder kann das weg?!

„Einen Apfelkuchen mit Sahne und eine Tasse Kaffee bitte.“ Vier Einheiten müssten reichen. Ich tippe es in mein kleines Kästchen ein und verstaue alles wieder in meinem Rucksack. Das Kästchen surrt leise an meinem Jeans-Bund und piept fröhlich, als es seine Arbeit erledigt hat.

Die Gedanken der Ahnungslosen

Ich sehe mich um, lasse meinen Blick schweifen hinüber zu den anderen Gästen. Ein älteres Pärchen sitzt schräg gegenüber und rührt seelenruhig in seinen Tassen. Die etwas korpulenteren Herrschaften rechts blicken verstohlen zurück zu ihren Torten-Stücken, als sie bemerken, dass ich sie registrierte. Eine mir nur allzu bekannte Geste. Frisch ertappt beim Starren auf das Mädchen, das einen Schlauch unter seinem T-Shirt trägt und einen weißen Chip am Arm.

Auch der Kellner scheint mein kurzes Ritual vor dem Essen bemerkt zu haben. Während er den Kaffee serviert, blickt er nochmal verstohlen auf meinen Hosenbund. Eine kurze Hemmschwelle, er bewegt sich zum Gehen, bleibt stehen, dreht sich erneut um: „Sagen Sie, was haben Sie da an ihrem Arm? Ist das eine App?“ – Eine App… Die Liste der potentiellen Funktionen des Freestyle-Libre-Chips erweitert sich. (Wenn Abbott nur mehr von seinen Potentialen wüsste… so viele Ideen der Ahnungslosen; für was man doch den Chip alles noch verwenden könnte…) „Nein, das ist mein Messgerät. Ich habe Diabetes.“ Die Ohren am Nachbartisch werden länger. Ich spüre es. Dabei ist meine Krankheit nun wirklich nicht mehr unbekannt. „Aber meine liebe Dame. Sie haben doch einen Apfelkuchen bestellt. Wollen Sie den wirklich essen? Ich meine ja nur, wegen dem ganzen Zucker.“

Quelle: privat

Ein- und ausatmen, weiterlächeln

WIE BITTE?!… Vielleicht liegt es daran, dass dieser unschuldige Mann heute schon der Zweite ist. Vielleicht liegt es auch an mir, dass nun meine Gesichtszüge entgleisen und ich erst einmal tief ein- und ausatmen muss. Mein so viel geübtes und perfektioniertes Lächeln taucht wieder auf. „Wissen Sie, ich esse gerne Kuchen, wann und so oft ich will. Ich weiß, dass mein Körper das nun mehr als nötig hat. Ohne dieses Stückchen Apfelkuchen würde ich hier nicht mehr lange sitzen. Glauben Sie mir.“ Der Herr blickt verwirrt auf, schüttelt kurz den Kopf (ebenso die Herrschaften am Nachbartisch… dazu sage ich nichts) und macht sich auf den Weg, nun auch noch mein Stück Kuchen zu bringen. Beim Servieren sagt er kein Wort und lächelt verlegen. Ich – ich lächle nicht. Ich ziehe mein kleines Notizbuch hervor, blättere ein wenig darin herum, rühre in einer Tasse und nehme einen tiefen Schluck schwarzen, heißen, kräftigen Kaffee.

Mein Apfelkuchen-Moment

Das ist mein Moment. Der gehört nur mir und meinem Apfelkuchen. Ich erinnere mich an früher. An die späten Herbsttage bei meiner Uroma im Vorgarten. Meine Schwester und ich sind auf den eisernen Stangen auf- und abbalanciert, haben uns zwischen der dicht bewachsenen Hecke versteckt und mit der großen grünen Kanne und dem
„Regenduschenaufsatz“ die letzten verdorrten Blumen gegossen. So lange, bis meine Oma aus dem Fenster rief. Schon von dort oben wehte der Duft in den Garten. Ein heißes Stück Apfelkuchen, mit Zuckerguss und kalter mit Vanillestückchen durchzogener Sahne. Wir haben uns die Bäuche vollgeschlagen. Das war pures Glück!

„Und ob ich Apfelkuchen essen kann.“

Ich steche in die saftige, warme Teigmasse. Der leicht knusprige Teig bricht knackend und der Duft dieses wundervollen Stückchen Glücks umhüllt mich wie eine Wolke. Ich lächle wieder, kaue und kann mir beim besten Willen keinen schöneren Moment vorstellen. „Und ob ich Apfelkuchen essen kann.“ Es schießt mir blitzartig unkontrolliert durch den Kopf. Dieser kleine, trotzige, Rechenschaft ablegende Gedanke. Er macht mich wütend – nein – inzwischen nur noch traurig. Früher wurde ich rasend bei dem Gedanken. Da wäre ich wieder bei meiner Frage, ob man als Diabetiker überhaupt genießen könne?
Wenn es nicht die schlechten Blutzuckerwerte oder die eiserne Selbstdisziplin ist, die mich hindert, dann ist es eben ein unwissender Kellner, der versucht, mir ein schlechtes Gewissen einzureden.
Es ist immer dasselbe. Das Sich-rechtfertigen-Müssen für die kleinen Genussmomente. Für die Momente, die ich so sehr liebe. Ein Stück Kuchen nach einem langen Wandertag oder einem langen Spaziergang. Der Moment am Tag, an dem ich bewusst ein Stück süßes Glück vor mir habe und es einfach genießen will.

Genießen können – eine wichtige Lektion

Mein Stück ist schon so gut wie aufgeputzt. Die letzten Krümel drücke ich mit der Gabel zusammen und grinse. Ja, ich KANN genießen. Genießen will gelernt sein! Gerade als Diabetiker etwas Überlebenswichtiges.

Lektion eins: Lass dir von keinem Menschen deinen Genussmoment nehmen! Niemand kennt dich und deinen Zucker so gut wie du selbst! Du weißt, was du brauchst und was dir guttut! Und wenn es das Stück Apfelkuchen ist, dann genieß ihn – voll und ganz!

Ich mache mich auf den Weg. Zurück nach Hause. Auf dem Weg sammle ich noch einen Sack voll Äpfel. – Tja, um so schnell wie möglich eine neue Portion Glück in meiner kleinen Küche stehen zu haben. Genießen tut man ja schließlich nicht nur einmal im Leben!

Lasst es euch gut gehen… mit einem Friede-Freude-Apfelkuchen-Happy-End

Quelle: privat

Hier das passende Rezept dazu:

Apfelkuchen mit Zitronenglasur

Zutaten für eine runde Springform

Für den Teig:

250 g Mehl

150 g Butter

50 g Zucker

1 Ei

1 Prise Salz

Zitronenschale, fein gerieben

1 TL Zimt, Vanille

Alles zusammen zu einem glatten Teig verrühren. Diesen halbieren und in Klarsichtfolie wickeln (es reicht auch das Backpapier, um Plastik zu sparen). Dann für 30 min kalt stellen.

Eine Hälfte zu einem Kreis ausrollen und in eine gefettete Springform drücken. Auch den Rand bis oben hin (ich lass ihn immer nach außen hängen). Die Äpfel darüber und das Ganze bis oben hin füllen. Gut andrücken. Dann die andere Teighälfte ausrollen und auf die Äpfel legen. Wenn Teig übrig bleibt, einfach den Deckel damit verzieren. Drückt die Kanten mit der Gabel zusammen.
Im vorgeheizten Ofen bei 180°C für etwa 45 Minuten backen. Zuckerguss auf dem Kuchen verteilen, während dieser immer noch heiß ist. Der Guss sollte leicht zähflüssig sein, damit man ihn gut mit dem Pinsel verstreichen kann.

Für die Füllung:

1 Hand Semmelbrösel (oder Haselnüsse gemahlen)

1 kg Äpfel, fein geschnitten

2 TL Vanillezucker

50 g brauner Zucker

je 1 TL Anis, Nelken, Zimt

3 EL Rum

Saft 1 Zitrone

Äpfel (wenn gewünscht schälen – ich schäle sie nie… hat meine Oma auch nie gemacht). Mit einem Hobel fein in Spalten hobeln (ca. 5-6 mm). Mit Rum, Zitrone, Zucker, Vanillezucker und Gewürzen bestreuen. Die Nüsse oder Brösel untermengen und gut mit der Hand vermischen.

Für die Glasur:

100 g Puderzucker

Zitronensaft, nach Bedarf

Puderzucker sieben und so viel Zitronensäure, wie ihr möchtet. Nach und nach den Zitronensaft (ca. 1 TL) einrühren, bis die Masse sich bindet. Sie soll dünn, aber nicht flüssig sein.

P.S.: Der gesamte Kuchen hat etwa 500 g Kohlenhydrate.

Liebe Grüße aus der nach Zimt und Rum duftenden Apfelkuchen-Küche!

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  • carogo postete ein Update vor 1 Tag, 12 Stunden

    Hallo zusammen! Ich habe mich mit einer Freundin über die Rezepte in der Zeitschrift unterhalten und wir haben uns gefragt, was es eigentlich konkret mit den Nähwertangaben und der Unterscheidung zwischen Kohlenhydraten und anrechnungspflichtign KH auf sich hat?

    • Das wüsste ich auch gerne.

    • Liebe Carogo,
      anrechnungspflichtige KH sind Kohlenhydrate, die den Blutzuckerspiegel erhöhen. Es gibt auch KH, die nicht direkt blutzuckersteigernd wirken und damit für die Insulintherapie nicht oder nicht voll angerechnet werden müssen, wie bspw. Ballaststoffe oder KH, die nur sehr langsam den Blutzucker beeinflussen.
      VLG
      Gregor aus der Diabetes-Anker Redaktion

    • @gregor-hess: danke für die Antwort! Könntest du hierfür mal Beispiele nennen?

  • cesta postete ein Update vor 1 Woche, 4 Tagen

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

  • sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 3 Wochen

    hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • mayhe antwortete vor 3 Wochen

      Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • sveastine antwortete vor 3 Wochen

      @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

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