Tief durchatmen – und beim nächsten Mal besser planen

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Tief durchatmen – und beim nächsten Mal besser planen

Seit Wochen sehe ich meine alte Schulfreundin Lena (Pseudonym) zum ersten Mal wieder. Sie hat gerade ihr Staatsexamen in Medizin bestanden, jetzt geht es an den praktischen Teil ihrer Ausbildung. Das will natürlich gefeiert werden.

Ein ausführlicher Brunch

Wir sitzen zum Brunch zusammen, es gibt Brötchen, Croissants, Tee, Kaffee, Kakao, Marmelade, Eier… kurz gesagt, alles, was das Herz begehrt. Und alles, wofür man so richtig viel Insulin braucht. Aber dafür hat man ja eine Pumpe, oder? Ich überschlage also, was ich so alles essen will, gebe einen guten Schwung Insulin vorab und stelle den Rest verzögert auf eine Stunde ein.

Spontane Bewegung? Besser nicht…

Mehr oder minder exakt in dem Moment, in dem der letzte Teil des verzögerten Insulins abgegeben worden ist, schaut Lena sehnsüchtig aus dem Fenster. Die Sonne blitzt zwischen den Wolken hervor, es scheint doch noch ein schöner Frühsommertag zu werden. „Es ist so schön draußen, lass uns noch eine Runde spazieren gehen“, schlägt sie vor. Ich seufze innerlich. So eine Info brauche ich, bevor ich eine viertel Tagesdosis Insulin für so einen Brunch abgebe. Das kann nicht gut gehen. Das sage ich ihr auch: „Wenn ich mich jetzt bewege, geht mein Zucker ganz schnell runter, dafür habe ich viel zu viel Insulin wirksam.“ Ich verkneife mir den Nachsatz „Du als Medizinerin kennst doch die Physiologie dahinter“.

„Ach, das wird schon, nur eine kleine Runde“

Doch Lena ist nicht überzeugt. „Ach komm, eine kleine Runde wird schon drin sein, wir sind ja nicht lange unterwegs.“ Ich habe keine Lust, ewig zu diskutieren, und gehe davon aus, dass eine „kleine Runde“ maximal eine halbe Stunde ist. Sicherheitshalber packe ich eine Packung Kekse ein, ein Päckchen Saft, Traubenzucker und Gummibärchen. Das sollte mehr als ausreichen. Wir gehen los, und die Sonne ist wirklich angenehm. Lena wohnt am Stadtrand und innerhalb von ein paar Minuten sind wir in einer wunderschönen Hügellandschaft.

Eine größere „kleine Runde“

Nach zwanzig Minuten beschleicht mich das Gefühl, dass Lenas Idee einer „kleinen Runde“ eine andere ist als meine. Unglücklicherweise werden genau jetzt meine Knie unangenehm weich und ich muss mich anstrengen, um die Füße vom Boden zu bekommen. Es fühlt sich an, wie durch morastigen Schlamm zu waten. Wie mit Kaugummi festgeklebt zu sein. Die erwartete „Hypo“. Fünf Minuten später wird der gefühlte Kaugummi unter meinen Füßen zu zäh. Ich muss mich hinsetzen und essen.

Zwangspause

Also tippe ich Lena, die gerade telefoniert, auf die Schulter und teile ihr mit, dass ich eine Pause brauche. Irgendwann ist sie mit ihrem Telefonat fertig, ich habe den Großteil meines Zuckervorrats gegessen und bin ziemlich frustriert – Hunger hatte ich keinen, es gab ja einen tollen Brunch. Und dass das mit dem Zucker so laufen würde, hatte ich ihr doch vorher schon gesagt. Außerdem ärgere ich mich über mich selbst – warum habe ich nicht vorgeschlagen, dass wir uns einfach auf den Balkon oder vor die Tür setzen? Aber jetzt ist erstmal wichtiger, den Zucker wieder in einen Bereich zu bekommen, in dem ich zurück nach Hause laufen kann. Daraus lernen kann ich, wenn mein Gehirn wieder funktioniert.

„Wann können wir denn jetzt endlich weiter?“

Ich bin also voll mit meinem Frust beschäftigt und damit, dass sich mein Körper anfühlt, als würde ich noch halb in einem Schlammloch festhängen, als Lena mich etwas genervt ansieht und fragt, wann wir denn endlich weitergehen können. Ich seufze tief: „Es dauert noch, bis der Zucker richtig wirkt, ich hab’ dir doch gesagt, dass mein Zucker mir abschmiert, wenn ich mich nach so einem Brunch mit so viel Insulin bewege.“ Und wieder diese Stimme in meinem Kopf „Du als Ärztin solltest das echt besser wissen“.

Tief durchatmen und beim nächsten Mal früher planen

In solchen Situationen hilft nur eins: ganz tief durchatmen und nicht zu hart zu sich selbst (und anderen) sein. Und beim nächsten Mal wirklich lieber entweder auf dem Balkon sitzen bleiben oder vor dem Brunch klären, ob vielleicht noch ein Spaziergang auf dem Programm steht. Denn so eine Zwangspause auf halber Strecke ist wirklich nicht nötig.

Diese Geschichte und viele andere hat die Künstlerin und Sprachwissenschafts-Kollegin Alex Lorson in Comics verwandelt. Mehr von ihrer Kunst findet ihr auf Instagram.


Mirjams vorherigen Comic-Beitrag findet ihr hier.

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  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 2 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

  • tako111 postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

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