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Das Echt essen-Gasthaus im Juli: Das Trampolin ist eine außergewöhnliche Eisdiele im Herzen Münchens, in der es handwerkliche Gelati gibt, die in Deutschland ihresgleichen suchen.
„Echt Essen“ steht für die leidenschaftliche Suche nach dem guten Produkt. Meistens stelle ich Gasthäuser vor – aber diesmal präsentiere ich mit besonderer Freude eine außergewöhnliche Eisdiele im Herzen von Schwabing, das „Trampolin“. Seit vier Jahren produziert hier Stefano Santini handwerkliche Gelati, die in Deutschland ihresgleichen suchen.
Sein Geheimnis: Er nimmt nur das, was uns die Natur schenkt, echte Früchte und Beeren, echte Schokolade, Gewürze, Kräuter – und er verzichtet vollständig auf Fertigmischungen, nimmt keine Farbstoffe, keine künstlichen Aromen, die oft „naturidentisch“ heißen, wo aber die „Natur“ aus Sägemehl besteht, auf dem die Aromen „gezüchtet“ werden. Stefano Santini schüttelt es, wenn er davon erzählt. Er macht ein natürliches Eis, eines, das wieder schmeckt wie früher.
„Un gelato naturale“, Signore Santini? „Naturalmente!“
Herrlich zitronig-minzig duftet es, als ich den 46-jährigen frühmorgens in seiner blitzsauberen Eisküche besuche. Frisch ausgepresst hat er gerade einige Dutzend Zitronen, in ihrem Saft schwimmt frische, intensiv-grüne Minze. Dann zeigt er mir den selbst kandierten Ingwer. Der Minz/Zitronen-Saft und der Ingwer ergeben anschließend ein hinreißend frisches Eis, zu dem der Ingwer eine brizzelnde Schärfe beifeuert.
Italienische Eis-Hochzeit: Geminzter Zitronensaft vermählt mit kandiertem Ingwer
Italienische Eis-Hochzeit: Geminzter Zitronensaft vermählt mit kandiertem Ingwer
Sichtlich stolz zeigt der Gelatiere mir seine kostbaren Schätze, die Grundlagen seiner berühmten Gelati. Etwa eine 71-prozentige Schokolade der besonders edlen Sorte Cacao Criollo „Riechen Sie mal“, sagt er, präsentiert ein ganzes Bündel Bourbon-Vanille, seine Paradezutat. Um die 100 Euro kostet ein Kilo dieser verführerisch duftenden schwarzen Schoten mit ihren als Liebesstoff geltenden Pheromonen. Das häufig verwendete synthetische Vanillin kostet nur ein Bruchteil davon, trotzdem verlangt das „Trampolin“ für eine Kugel wie für alle anderen Kugeln gerade mal 1,20 Euro. Wer einmal das Eis aus dieser echten Vanille gegessen hat, weiß auch warum die kleine Eisdiele nahe dem beliebten Münchner Elisabeth-Markt „Trampolin“ heißt: Weil die Geschmacksknospen auf der Zunge vor Begeisterung hüpfen!
links: Edle Zutaten, echtes Eis: 71-prozentiger „Cacao Criollo“
rechts: „Gelato d´Amore“ mit dem Liebesstoff Vanille
„Probieren Sie diese Haselnüsse, die duften doch wunderbar“, ruft Signore Santini. Ja, sie tun es, und während er mir die Geschichte dieser Nüsse erzählt, putze ich das ganze Schälchen weg: „Die Nüsse kommen von einem kleinen Produzenten aus dem Piemont, den rufe ich an, dann erst knackt er die Nüsse, röstet sie – und eine Woche später sind sie bei mir, und ich mahle sie frisch. Beeindruckt hat mich bei meinem Besuch, dass er vor der Ernte das Gras mäht, und nicht nur Gift spritzt, wie die meisten“. Ein Gelatiere, der zu seinen Lieferanten fährt, sich persönlich ein Bild macht, wahrlich eine Ausnahme.
links: Morgens gemahlen, abends Gelato: Haselnüsse
rechts: Kein Bio, dafür aber gut: Steirische Kürbiskerne
„Was ist das“, staune ich, „irgendwie kommt mir der Duft bekannt vor?“ Verschmitzt lächelt der 46-jährige: „Das sind Holunderblüten, die mein Vater im Wald gesammelt hat, und er hat das Aroma in Apfelsaft ausgezogen. Daraus mache ich ein Eis, das es aber nur solange gibt, wie der Holunder blüht“. Es ist eine der vielen saisonalen Spezialitäten, die nur kurze Zeit da sind, wie etwa demnächst Eis von den friaulischen Fragolino-Trauben oder von den roten Johannisbeeren.
Ja, der Vater, ohne den liefe vieles in diesem Familienbetrieb nicht so gut. Einen richtigen „Echt-Essen-Gasthof“ hatte er im hessischen Schlüchtern mit einer eigenen Landwirtschaft, wo auch geschlachtet wurde. Immer legte er Wert auf beste Produkte – eine Philosophie, die der Sohn gerne übernommen hat. Eine klassische Kochausbildung durchlief Stefano Santini in renommierten Häusern in Heidelberg und Königstein, bevor es ihn vor rund 15 Jahren endgültig zum Eis hinzog, sicher auch, weil das in den Familiengenen liegt, schließlich hatte sein Großvater am wohl prestigeträchtigsten Ort für den Eisverkauf in Europa seine Eisdiele: Direkt an der Rialto-Brücke in Venedig.
Bio muss zuallerst schmecken! lautet das Credo von Stefano Santini. Sicher ist er als politisch engagierter Mensch (was er über die derzeitige italienische Regierung sagt, schreibe ich lieber nicht) und nachhaltig Denkender ein Freund des Ökologischen. Aber im Vordergrund steht für den Liebhaber guten Eises, der es selbst mit Leidenschaft isst, der Geschmack – und den gewährleistet eben Bio allein nicht immer, wobei er soweit es geht, Bio-Ware nimmt, etwa bei der Milch.
So zeigt er mir Bio-zertifizierte Kürbiskerne aus China, die aber nach nichts schmecken. Da nimmt er doch lieber die großartigen Kerne aus der Steiermark, die auch noch den Vorteil haben, dass sie nicht durch die halbe Welt gekarrt werden müssen.
Kann denn Süßes Sünde sein? Ja, aber eine Zimt-Himmlische!
Sag mir, wie hältst Du´s mit dem Zucker? Eine Frage, die ich natürlich stellen muss, bin ich doch mit meiner „Lauber-Methode“ ein erklärter Gegner der schnellen Zucker. Santinis Antwort ist eindeutig: „Rund 17 Prozent Zucker müssen im Eis sein, sonst ist es kein Eis, ist zu hart, hat keine Cremigkeit“. Puh, wo er recht hat, hat er recht.
Also, was heißt das? Das heißt rund 15 Gramm Zucker pro Kugel, macht rund drei Zuckerwürfel. Na gut, in einem Liter Red Bull sind über 50, aber das macht es ja nicht besser. Trotzdem, meine Empfehlung lautet: 3 Kugeln pro Besuch sollten reichen (wie Sie unten sehen, waren es dann bei mir doch wieder 4) – und wer dazu noch die gute Biosahne nimmt, senkt durch das enthaltene Fett den glykämischen Index, verhindert also den schnellen Anstieg des Blut mit der sofortigen Ausschüttung des dick machenden Insulins. Aber macht Fett nicht auch fett?
Ja, sicher, aber jetzt genießen Sie einfach dieses wunderbare Eis, das seine thailändische Frau Tai Santini ihnen mit einem freundlichen Lächeln an der kleinen Theke kredenzt, schließlich essen Sie es ja nicht jeden Tag.
Glück del Gelato: Zitrone (vorne), Haselnuss (links), Holunder (rechts), gekrönt vom Mango
Einen Traum habe ich: Mit Stefano Santini ein Eis kreieren, wo ich natürliche Zuckersenker wie Zimt, Kakao, Grüntee, bewusst optimiert einsetze – um so vielleicht einen kleinen Trick zu erreichen: Sozusagen dem kleinen Belzebub Zucker mit den natürlichen Zuckerbalancierern ein Schnippchen zu schlagen. Ob´s funktioniert? Keine Ahnung, aber auf jeden Fall einen süßen Versuch wert.
Natürlich wird das kein „Diabetiker-Eis“, so was ist mit dem leidenschaftlichen, aber immer auch experimentierfreudigen Stefano Santini nicht zu machen. Es würde ein „richtiges“ Eis, aber halt eins mit natürlich-funktionellen Eigenschaften. Vielleicht kann ich ihm das als kleine „Hausaufgabe“ für den späten Herbst mitgegeben. Denn dann ist das „Trampolin“ geschlossen und Santini sitzt wieder in Brescia auf der Schulbank der „Castaliment“, der renommierten Akademie für die besten Eismacher. Dieses Jahr will er, der scheinbar schon alles weiß, sich damit beschäftigen, wie er den Alkohol beim Eismachen so einsetzen kann, dass er nicht die Proteine beschädigt, und statt Eis „Matsch“ herauskommt. Freuen Sie sich also auf spannende Kreationen fürs nächste Jahr!
Warum macht der Gelatiere das alles? Selbst würde es der bescheidene Santini nie sagen: Aber ich denke, er will anerkanntermaßen zu den besten Eismachern Europas gehören – und eröffnet dann vielleicht in der Familientradition eine Gelateria am Canale Grande. Es würde eine Pilgerstätte werden.
Eis macht glücklich: Ehepaar Stefano und Tai Santini
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
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