- Eltern und Kind
DELFIN: Training für den Alltag
5 Minuten
Eltern von Kindern mit Diabetes finden sich häufiger als andere in der Situation wieder, unangenehme Pflichten durchsetzen zu müssen. Das DELFIN-Elterntraining soll sie in ihrem Familienalltag unterstützen.
„Nein, jetzt will ich nicht!“ Jonah, 4 Jahre, soll zum Katheterwechsel kommen. Er spielt gerade mit seinem großen Bruder und will sich diese seltene Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen. Seine Mutter seufzt. Diese Reaktion kennt sie schon. Wahrscheinlich gibt es jetzt wieder ein langes, zähes Ringen, das in lautem Schreien auf beiden Seiten endet. Sie überlegt verzweifelt, womit sie diesmal effektiv drohen könnte, damit sie den längst fälligen Katheterwechsel hinter sich bringen können.
Vielleicht sollte sie aber auch eine große Belohnung in Aussicht stellen? Oder den Katheterwechsel doch noch um einen Tag verschieben? Diabetestherapie passt selten in den Zeitplan von Kindern. Und wie wir Erwachsenen auch, sind Kinder bemüht, lästige Pflichten – wenn möglich – zu umgehen.
Viel Konfliktpotential
Eltern von Kindern mit Diabetes finden sich noch viel häufiger als andere Eltern in der Situation wieder, unangenehme Pflichten durchsetzen zu müssen. Neben Zähne putzen, Hausaufgaben machen, Zimmer aufräumen usw. sind sie auch gefordert, das Messen des Blutzuckers, Protokollieren der Werte, Wechseln des Katheters, Einpacken der Diabetesutensilien und vieles mehr zu kontrollieren und durchzusetzen. Dadurch erhöht sich automatisch die Anzahl potentieller Konfliktsituationen im Alltag.
Zusätzlich stellt die Diagnose einer chronischen Erkrankung für die meisten Eltern eine große persönliche Belastung dar, deren Ausmaß für Nichtbetroffene oft schwer nachzuvollziehen ist. Dabei geht es nicht in erster Linie um die aufwendige und oft komplizierte Therapie, sondern um den Umgang mit Ängsten, Sorgen und Stress.
Das DELFIN-Elterntraining soll Eltern von Kindern mit Typ-1-Diabetes in ihrem Familienalltag unterstützen. Das Programm basiert auf bewährten Erkenntnissen der Pädagogik und der Familienberatung.
Sechswöchiges Gruppentraining
Im Rahmen eines sechswöchigen Gruppentrainings werden mit den Eltern Strategien zu verschiedenen Themen erarbeitet. Die wöchentlichen Hausaufgaben dienen dazu, diese neuen Strategien praktisch umzusetzen. In der ersten Sitzung wird mit den Gruppenteilnehmern erarbeitet, was wichtig ist, um eine vertrauensvolle Beziehung zu seinen Kindern aufzubauen, also ein tragfähiges Fundament zu schaffen. Wie bei einem Haus muss dieses Fundament stabil sein, um in stürmischen Zeiten standzuhalten.
Gemeinsam verbrachte Zeit und gute Kommunikation sind die zwei wesentlichen Strategien für eine gute Beziehung. Wie Eltern diese effektiv zwischen Beruf, Putzen, Kochen, Waschen und eigenen Bedürfnissen umsetzen können, wird in der ersten Gruppensitzung erarbeitet. Eine Strategie ist z. B. die Edelsteinzeit, bei der ein Elternteil wertvolle Zeit mit einem Kind verbringt.
Dabei bedeutet wertvoll, dass nicht nebenbei Dinge wie Hausaufgaben, Diabetestherapie oder Haushalt abgearbeitet werden, sondern, dass Eltern und Kind füreinander Zeit haben und sich mit Dingen beschäftigen, die das Kind interessieren und die Spaß machen.
- Sitzung 1: Das Fundament einer vertrauensvollen Beziehung
- Sitzung 2: Wie Eltern und Kinder ticken
- Sitzung 3: Kindern sagen, was sie tun oder lassen sollen
- Sitzung 4: Typische Herausforderungen des Diabetes
- Sitzung 5: Gewappnet sein
- Sitzung 6: Individueller Telefonkontakt
Wer tickt wie?
Damit der weitere Aufbau des Hauses gelingt, ist es wichtig zu wissen, wie die verwendeten Baumaterialien eingesetzt werden können. Auch für den Umgang mit unseren Kindern oder mit elterlichen Problemen und Sorgen ist das Wissen um Lern- und Verhaltensregeln unentbehrlich.
Warum verhält sich mein Kind in einer bestimmten Situation so und nicht anders? Was lernt es in dieser Situation für zukünftige Situationen? Wie kann ich Selbständigkeit und Selbstbewusstsein fördern? Warum reagiere ich in bestimmten Situationen so gereizt/verärgert/ängstlich? Solche und ähnliche Fragen werden in der zweiten Gruppensitzung beantwortet.
Forderungen durchsetzen
Schließlich muss bei jedem Hausbau über die Anzahl und Lage der Fenster, Türen, Steckdosen usw. entschieden werden. Genauso entscheiden Eltern, was sie für ihre Kinder als wichtig erachten und was sie im Familienalltag umsetzen möchten. Mal angenommen, Jonahs Mutter hält den Katheterwechsel am geplanten Tag für sehr wichtig. Wie kann sie ihre Forderung durchsetzen? Hierfür werden im DELFIN-Training unterschiedliche Strategien vorgestellt.
Eltern planen dabei ihr „Haus“ selbst. Das heißt, sie entscheiden, welche Dinge für sie nicht verhandelbar sind und welche Maßnahmen zur Durchsetzung für sie in Frage kommen. Alle im Programm vorgestellten Strategien sollen sicherstellen, dass Eltern in Konfliktsituationen ruhig bleiben können und nicht mit körperlicher oder psychischer Gewalt reagieren.
Ein Reetdach? Eine Holzverkleidung? Jedes Haus hat Besonderheiten. In Sitzung 4 geht es um ganz konkrete Herausforderungen durch den Diabetes. Zu mehreren beispielhaften Konfliktthemen wie “Blutzuckerwerte messen und protokollieren” oder “Diabetesutensilien dabeihaben” oder “Geschwisterstreit” wird im Einzelnen erarbeitet, was dazu beitragen kann und wie Eltern effektiv mit solchen Situationen umgehen und ihnen in Zukunft vorbeugen können.
Nächste Seite: Wie mit zukünftigen Herausforderungen umzugehen ist und was zu tun ist, wenn Probleme bestehen bleiben.
Wie mit zukünftigen Herausforderungen umgehen?
Ein Haus soll mehrere Jahrzehnte überstehen und viele Hausherren überlegen schon früh, wie sie mit zukünftigen Herausforderungen umgehen wollen, wann z. B. das Dach erneuert werden muss oder ein neuer Anstrich fällig ist. Gewappnet zu sein, ist auch für Eltern hilfreich. So geht es in der letzten Gruppensitzung vor allem darum, wie Familien mit zukünftigen Herausforderungen umgehen können.
Es wird vermittelt, wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen können, die Diabetestherapie selbständig zu übernehmen, welche Therapiebestandteile in welchem Alter von Kindern alleine zu leisten sind und woran Eltern dies merken können.
Das DELFIN-Programm wendet sich zwar an Eltern von Kindern zwischen zwei und zehn Jahren, gibt in dieser Sitzung aber schon einen Ausblick auf Strategien zum Umgang mit älteren Kindern. Außerdem geht es um die Frage, wie Eltern gut für sich selbst sorgen und auch wertvolle Zeit für sich als Person und als Paar in den Familienalltag integrieren können.
Individueller Telefonkontakt
Der letzte Abschnitt des Programms besteht in einem individuellen Telefonkontakt. Jede Familie kann hier eine Situation aus ihrem persönlichen Familienalltag besprechen. Gemeinsam soll überprüft werden, welche Strategien in der praktischen Umsetzung hilfreich waren oder woran es gelegen hat, dass sie weniger hilfreich waren.
“Edelsteinzeit” ist Zeit, die ein Elternteil alleine mit einem Kind verbringt. Wichtig ist, dass Eltern während dieser Zeit wirklich nur für ihr Kind da sind und nicht nebenbei den Geschirrspüler ausräumen, telefonieren oder am PC arbeiten.
Sie sollten in dieser Zeit mit Ihrem Kind etwas tun, was diesem Freude bereitet (etwas vorlesen, mit ihm spielen, sich unterhalten oder kuscheln). Hausaufgaben oder Diabetestherapie sind in der Regel keine günstigen Inhalte für die Edelsteinzeit. Dise Zeitspanne müssen nicht lang sein. Wichtiger ist, gerade bei kleinen Kindern, dass sie regelmäßig wahrgenommen werden. Auch Geschwisterkinder benötigen Edelsteinzeiten!
Auch Eltern brauchen “Edelsteinzeit”: Überlegen Sie sich zwei konkrete Beispiele, um in der nächsten Woche etwas für Ihr persönliches Wohlbefinden zu tun.
Wenn Probleme bestehen bleiben
Nicht jedes Problem in einer Familie lässt sich durch guten Willen und angemessene Erziehungsstrategien in überschaubarer Zeit beheben. Die Gründe dafür sind vielfältig und können in der Persönlichkeit des Kindes, einer schwierigen Lebenssituation der Familie, starker beruflicher Belastung der Eltern, seelischer oder körperlicher Krankheit eines Familienmitglieds oder anderen unerwarteten Herausforderungen liegen.
Bleiben Probleme bestehen, sollten Eltern frühzeitig Beratung in Anspruch nehmen. Hilfen bieten z. B. Familienberatungsstellen, Psychotherapeuten oder psychologisch ausgebildete Mitglieder von Diabetesteams an.
Hat ein Kind Diabetes, erhöht sich automatisch die Anzahl potentieller Konfliktsituationen im Familienalltag, z.B. durch Blutzuckermessungen oder Katheterwechsel. Zusätzlich stellt die Diagnose einer chronischen Erkrankung für die meisten Eltern eine große persönliche Belastung dar. Dabei geht es vor allem um den Umgang mit Ängsten, sorgen und Stress.
Das DELFIN-Elterntraining soll Eltern in ihrem Familienalltag unterstützen. Das Programm basiert auf bewährten Erkenntnissen der Pädagogik und der Familienberatung. In sechs Sitzungen werden neue Strategien erarbeitet. Angesprochen sind Eltern von Kindern zwischen zwei und zehn Jahren.

Kontakt:
Diplom-Psychologin, Medizinische Hochschule Hannover, E-Mail: sassmann.heike@mh-hannover.de
, www.mh-hannover.de/medpsych.html
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2014; 7 (1) Seite 10-12
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Tag, 13 Stunden
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bloodychaos postete ein Update vor 5 Tagen, 20 Stunden
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
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ole-t1 antwortete vor 5 Tagen, 15 Stunden
Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.) -
bloodychaos antwortete vor 5 Tagen, 10 Stunden
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
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rolli-xx antwortete vor 3 Tagen, 20 Stunden
@bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).
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loredana postete ein Update vor 1 Woche
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
