- Leben mit Diabetes
Language matters: Selbstbild und Zielbild machen auch bei Diabetes den Unterschied
4 Minuten

Wissen allein reicht oft nicht aus, um etwas zu verändern. Auch unsere Gedanken nehmen Einfluss auf den Prozess der gewünschten Veränderung. Aber was haben unsere Gedanken mit unserem Leben und unserer Gesundheit zu tun und warum ist dieses Wissen auch für Menschen mit Diabetes nützlich?
Unsere Gedanken haben Einfluss darauf, wie wir uns und unsere Umwelt wahrnehmen, und darauf, wie wir leben. Dies ist insbesondere im Umgang mit und in der Bewertung von Erkrankungen ein hilfreiches Werkzeug. Wissen allein reicht dabei nicht, wir dürfen unser Wissen anwenden. Um das zu verstehen, lohnt es sich, den menschlichen Verstand zu betrachten.
Verstand ist nicht nur das Gehirn
Es ist herausfordernd, unseren Verstand zu beschreiben. Wahrscheinlich denken die meisten zuerst an das Gehirn. Das ist jedoch in diesem Zusammenhang nur gemeint, wenn wir ihm das Denken zuschreiben. Tatsächlich sind uns allerdings nur 5 Prozent unserer Gedanken bewusst und 95 Prozent dagegen nicht bewusst. Wir sagen etwas und tun das Gegenteil. Unser Körper und unsere Handlungen folgen dem Unterbewusstsein. Will ich beispielsweise eine Therapie umsetzen, die mir bekannt ist, und ich tue es nicht oder nur teilweise, dann lohnt es sich, genauer hinzusehen. Irgendein unbewusster Gedanke sabotiert die Umsetzung.
In diesem Zusammenhang lohnt sich der Vergleich mit dem Sinken der Titanic. Die Spitze des Eisbergs (5 Prozent) hat nicht zum Sinken geführt. Dies war der Teil des Eisbergs unter der Wasseroberfläche (95 Prozent). Wäre den Menschen auf der Titanic der Teil des Eisbergs unter Wasser bewusst gewesen, wären sicher andere Handlungen getroffen worden, um die Kollision zu verhindern. Ähnlich ist es auch im Umsetzen von Therapie-Empfehlungen.
Zum eigenen Kapitän werden
Wenn es um das Anwenden unseres Wissens geht, dürfen wir unsere Handlungen genau beobachten. Spannend wird es besonders dann, wenn Wissen und Handlung nicht zusammenpassen. Dann lohnt es sich, die eigenen Gedanken zu beobachten. Sobald wir uns unserer Gedanken bewusst werden, können wir sie auch verändern, wenn wir andere Ergebnisse wollen.
Wir werden wieder zum Kapitän und nehmen das Steuer in die Hand. Egal, um welchen Diabetes-Typ es sich handelt – täglich gilt es, verschiedene Herausforderungen zu meistern. Manchen Menschen gelingt dies anscheinend mühelos, andere dagegen scheinen zu verzweifeln. Da beides möglich ist, hat es mit dem Diabetes erst einmal nichts zu tun, sonst müssten alle Menschen gleich reagieren. So kommen wir zurück zu unserem Verstand. Unsere Gedankenmuster, die wir häufig in der frühen Kindheit entwickelt haben, beeinflussen, wie wir Dinge und uns selbst bewerten und wir die Welt sehen. Die täglichen Gedanken sind so etwas wie eine Sprache, die wir mit uns selbst sprechen.
Hilfreiche Strategien
- Hinterfragen der eigenen Gedanken und Bewertungen
- Etablieren eines neuen Selbstbilds mit positiven Bewertungen und Ausrichtung auf das, wie es sein soll
- Entwickeln eines (Gesundheits-)Zielbilds: Wie soll es ganz konkret sein und warum? Was ist dann anders?
- Language matters – liebevolle, achtsame Sprache mit und über sich selbst
Language matters
Seit vielen Jahren sprechen Menschen mit Diabetes in Diskussionen unter Gleichgesinnten über die Macht der Wörter und der Kommunikation. Dabei geht es insbesondere um den Schaden, welcher durch negative (Vor-)Urteile und unbedachte Äußerungen entstehen kann. Seit 2022 gibt es ein deutsches Positionspapier und auch auf Kongressen haben sich Symposien dazu etabliert. Aber nicht nur die Art, wie andere über den Diabetes sprechen, kann Einfluss auf das Erleben und das Leben haben. Die Art, wie wir über uns selbst denken und sprechen, hat genauso Macht.
Wie wir uns im Spiegel betrachten, über unsere Erfolge oder Misserfolge nachdenken, über eine Erkrankung denken und sprechen, das alles hat Einfluss auf den Umgang mit uns und mit Erkrankungen. Jede Botschaft wird in unserem Unterbewusstsein gespeichert, wenn wir sie regelmäßig senden. Wenn wir etwas verändern wollen, ist es also sinnvoll, sich mit unserem Selbstbild zu beschäftigen. Wie denken wir täglich über uns? Wie denken wir über unsere Erkrankung?
Menschen tendieren dazu, sich eher auf Misserfolge und „Fehler“ zu konzentrieren, als uns für unsere Erfolge anzuerkennen. Das hat seine Berechtigung, denn ein Fehler könnte lebensbedrohliche Folgen haben und unser Verstand will uns vor Unheil bewahren. Erfolge zu feiern, ist dabei erst einmal zweitrangig und doch so entscheidend für unser Selbstbild. Sich selbst zu erkennen, ist der erste Schritt für Veränderung.
Welche Rolle das Selbstbild spielt
Bereits 1960 erschien das Buch „Psycho-Cybernetics“ von Maxwell Maltz, der als Schönheitschirurg in den USA arbeitete. Er machte die Erfahrung, dass die meisten seiner Patienten durch eine Schönheitsoperation ein gesteigertes Selbstwertgefühl erreichten, einige jedoch nicht. Er schlussfolgerte, dass kosmetische Korrekturen zu keiner Veränderung führen, wenn das Selbstbild des Patienten schlecht ist.
In seinem Buch beschreibt er, wie sich das Selbstbild verbessern lässt. Das Verändern des Selbstbilds durch positive Gedanken, durch eine liebevolle Sprache mit sich selbst kann Krankheitsverläufe oder Gesundungsprozesse positiv beeinflussen. Da unser Unterbewusstsein nicht zwischen realer oder gedachter Erfahrung unterscheidet, kann unser Körper sprichwörtlich neu programmiert werden und der Therapie-Verlauf lässt sich positiv beeinflussen.
Buch-Tipp
Wichtig: ein Zielbild haben
Wenn man chronisch krank ist, ist ein weiterer wichtiger Schlüssel, ein Zielbild zu haben, ein „Warum“, das in herausfordernden Zeiten so stark ist, dass wir unseren inneren Schweinehund überwinden. Ein Ziel zu haben, das uns emotional berührt, macht einen erheblichen Unterschied – kein Ziel, das sich medizinisch gut anhört oder uns realistisch erscheint. Ein Ziel, das einen Unterschied in unserem Leben macht, und dieses Ziel darf groß sein und im ersten Moment unrealistisch erscheinen.
Die Frage ist immer: Will ich das wirklich? Was ist anders, wenn ich das Ziel erreicht habe? Eine klare Absicht und eine starke Emotion in der Zielsetzung machen den Unterschied. Das Ziel immer wieder vor Augen zu haben und das Erreichen zu fühlen, bevor es erreicht wurde, signalisieren unserem Unterbewusstsein etwas Neues. Der Fokus ist positiv ausgerichtet und früher oder später wird das Ziel erreicht, da wir anders denken, anders fühlen und dadurch andere Entscheidungen treffen und andere Handlungen ausführen.
Durch ein positives Selbstbild und ein emotionales Zielbild werden wir ein „neuer“ Mensch – und dies zeigt sich im Therapie-Verlauf. Einige Symptome werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz verschwinden und bestätigen: Eine Diagnose zu bekommen, heißt nicht, ein Leben lang mit allen Symptomen zu leben!
von Dr. Katja Schaaf
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 74 (10) Seite 38-39
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