- Diabetes-Grundwissen
Aufruf zur Aufklärung
4 Minuten
„Jaja, Diabetiker. Schlimm ist das. Immer messen. Nichts Süßes essen. Ach, und der Körper spielt auch verrückt? Jeden Tag anders. Hmmm. Ahja. Und dann immer diese Unterzuckerungen. Eieiei. Ich kann mir das gar nicht vorstellen.“
Solches oder Ähnliches höre ich oft. Nicht täglich, aber sicher wöchentlich. Und natürlich kommt es von Mitmenschen, die mit Diabetes bislang so gar nichts am Hut hatten. Denjenigen, die glauben, dass man Diabetes vor allem von zu viel Zucker in der Kindheit bekommt.

Natürlich ist Diabetes nicht wichtig genug, um als Schulfach gelehrt zu werden. Und wir Diabetiker können nicht erwarten, dass alle Erwachsenen sich damit auskennen und wissen, was genau dahintersteckt, was die Auswirkungen sind und was Diabetes eigentlich heißt. Könnte man meinen. Wenn ich aber lese, dass fast 10 % der Deutschen entweder Diabetiker sind oder (noch) nicht wissen, dass sie einer sind, dann frage ich mich schon, ob ein wenig mehr Aufklärung nicht gut tun würde. Den Betroffenen, die unter dem verbreiteten Halbwissen immer wieder zu leiden haben, aber auch den Stoffwechselgesunden, deren Chancen gar nicht so klein sind, früher oder später einmal selber mit der Thematik in Berührung zu kommen. Und dabei möchte ich bewusst die Diskussion ausblenden, ob nun Typ 1 oder 2 der bessere Diabetes ist. Denn ich finde, wir haben wichtigere Dinge zu tun, als diese Frage zu klären.
Es gibt nicht die eine Wahrheit über Diabetes
In den Diabetes-Gruppen, -Foren und -Blogs liest man ganz oft, welcher Behauptungen man sich als Durchschnittsdiabetiker so erwehren muss. Hier hat der übergewichtige alte Mann, der schon als Kind nur Fanta bekommen und sich dann so gut wie gar nicht mehr bewegt hat, einfach mehr Publicity bekommen als der Diabetiker, der sich die Krankheit wirklich nicht ausgesucht hat. Letzterer kann durchaus normalgewichtig und sportlich sein und auf gesunde Ernährung achten. Es hat ihn trotzdem erwischt, die genauen Ursachen sind noch nicht erforscht, aber insulinabhängig ist er trotzdem. Und gehört nun zu einer Gruppe von Menschen, die unterschiedlicher nicht sein kann. Die Ursache ist von Fall zu Fall unterschiedlich (aber der Unwissende vermutet zunächst natürlich viel zu viel Zucker und zu wenig Bewegung). Die Symptome treten bei jedem Betroffenen anders in Erscheinung (aber der Unwissende denkt spontan an amputierte Beine und Fettleibigkeit). Jeder Diabetiker wird individuell behandelt (aber der Unwissende sieht grausige Spritzen und viel Blut). Diabetiker können grundsätzlich alles essen, was auch stoffwechselgesunden Menschen gut tut (aber der Unwissende fragt bei jedem Plätzchen ungläubig nach).
Und woher soll dieser Unwissende es auch besser wissen? Ich kann keinem meiner Freunde und Bekannten vorwerfen, nicht interessiert zu sein. Ich kann auch niemandem vorwerfen, sich in dem großen Dickicht an unterschiedlichen Diabetes-Ausprägungen nicht auszukennen und Vorurteile und Vermutungen zu vermischen. Sich darüber aufzuregen, ist nicht nur müßig, sondern auch unfair. Denn gute, sinnvolle Aufklärung kann nur von uns Betroffenen kommen. Wir selber müssen dafür sorgen, dass fundiertes Wissen zum Thema verbreitet und dauerhaft zementiert wird. Dann wird es für alle einfacher.
Die richtigen Informationen müssen aktiv verbreitet werden
Gut ist, dass es rund ums Thema viele Möglichkeiten gibt, sich zu informieren. Es gibt richtig gute Blogs, lebhafte Foren, hilfreiche Facebook-Gruppen und durchaus kreative Aktionen rund um Diabetes. Allerdings werden all diese Angebote zumeist von Diabetikern und vielleicht noch deren Angehörigen wahrgenommen. Das ist natürlich wichtig, denn auch dort gibt es erschreckend viel Unwissen und Aufklärungsbedarf. Um jedoch wirklich etwas zu bewegen, ist jeder aufgerufen, an der Verbreitung der vielen Informationen teilzuhaben. Ob eine Ice Bucket Challenge dazu wirklich geeignet ist, sei dahingestellt (denn zur Aufklärung über ALS hat sie nur begrenzt beigetragen).
Wir können nicht erwarten, dass Menschen, die eigentlich gar nicht betroffen sind, sich auf einmal in diesen Foren und Facebook-Gruppen für Diabetiker tummeln. Diese Leute müssen wir auf anderen Wegen „erwischen“. Hier gilt wie bei jedem anderen Thema: Wer eine Meinung, aber keine Ahnung hat, der muss auch damit leben, aufgeklärt zu werden. Das kann man wunderbar charmant machen, bloß nicht besserwisserisch klingen. Und Aufgeben gilt nicht. Oftmals sind die Meinungen so eingefahren, dass man mit Argumenten nicht weiterkommt. In solchen Fällen setze ich auf Aufklärung durch den Aha-Effekt. Ich erinnere mich gerne daran, als meine 93-jährige Großmutter mir vor ein paar Monaten meinen Diabetes erklären wollte. Sie erzählte mir von ihrer Mutter, die seinerzeit ebenfalls daran litt (und die Betonung liegt hier auf litt). Ich müsse aufpassen und dürfe ja nun nichts mehr ohne Einschränkung essen.
Meine Beteuerungen, dass heutzutage alles wesentlich einfacher sei und viel mehr Freiheiten möglich sind, stießen auf Granit. Also setzte ich mich beim anschließenden Essen bewusst neben sie und ließ es mir schmecken. Ich präsentierte beiläufig, aber stolz meinen Pen und erklärte nebenbei, dass das Dessert aber heute besonders gut sei. Außerdem berichtete ich von meinem letzten Besuch beim Diabetologen und meinen durchaus guten Langzeitwerten. Das führte schnell zum gewünschten Ergebnis. Und seit ich kürzlich meiner Oma das FreeStyle Libre demonstrierte, habe ich kein einziges kritisches Wort mehr zu dem Thema gehört. Dazu muss man sagen, dass meine Oma grundsätzlich ein für ihr Alter sehr moderner und weltoffener Mensch ist – und ehemalige Ärztin.
Motivation durch Aufklärung
Das hier ist ja eine Kolumne zum Thema Motivation. Habe ich also diesmal am Thema vorbei geschrieben? Ich hoffe nicht. Denn wer aus seinem Umfeld positive Signale erhält, der ist auch motiviert und voller Tatendrang. Das gilt in allen Bereichen des Lebens, sei es im Job oder im Privatleben. Also auch, wenn es um Diabetes geht.

Ich möchte Euch alle motivieren, offen mit dem Thema umzugehen, höflich aber bestimmt auf falsche Tatsachen hinzuweisen und Euch nicht zurückzuziehen. Lasst Euch nicht unterkriegen und helft anderen Menschen dabei, Verständnis zu entwickeln und zu lernen. Dann wird es für alle einfacher. Und angenehmer. Der Weg dorthin ist noch lang, aber die Aussichten sind gut.
Diabetiker dieser Welt, helft mit bei der Aufklärung!
Hier kommt ihr zum nächsten Teil von Christians „Motivation monatlich“: Motiviere dich selbst, sonst macht es ja keiner!
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche, 1 Tag
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 2 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike