Wie Menschen häusliche Isolation gut überstehen können

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Wie Menschen häusliche Isolation gut überstehen können

Häusliche Isolation und Quarantäne sind Ausnahmesituationen, die psychisch sehr belastend sein können. Für Familien und Wohngemeinschaften bergen sie verstärktes Konfliktpotential, Alleinlebende sind unter Umständen mit Einsamkeitsgefühlen konfrontiert. Welche Möglichkeiten haben Menschen, mit Schwierigkeiten häuslicher Isolation umzugehen? Prof. Dr. Frank Jacobi (s. Bild oben), Leiter des Fachbereichs Verhaltenstherapie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB), empfiehlt Verhaltensmaßnahmen und Strategien, die Menschen helfen können, Phasen von Ausgangsbeschränkung psychisch gut zu überstehen.

Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 und die dadurch verursachte Krankheit mit offiziellem Namen Covid-19 veranlassen weltweit drastische Maßnahmen, die die massenhafte Ausbreitung verhindern sollen. Wenn keine bevölkerungsweite Verhaltensänderung eintritt, „(…) besteht die Gefahr, dass wir in zwei bis drei Monaten bis zu 10 Millionen Infizierte haben, mit entsprechender Überlastung des Gesundheitssystems“. Dieser Prozess lässt sich allerdings bremsen. Neben den bekannten Hygieneregeln spielt insbesondere das Einhalten zwischenmenschlicher Distanz dabei eine entscheidende Rolle.

Häusliche Isolation und Quarantäne sind Ausnahmesituationen, welche die meisten Menschen noch nicht erlebt haben. Diese gesetzten Maßnahmen können auf die Psyche einwirken und für Betroffene sehr belastend sein. Die wichtigsten Stressoren hierbei sind – besonders wenn die Quarantänemaßnahmen länger andauern – Ansteckungsängste, Frustration und Langeweile, Einschränkung der materiellen Versorgung, Fehlinformation, finanzielle Nöte und Stigmatisierung von Betroffenen.

Es gibt allerdings klare, in der Psychologie wissenschaftlich erforschte und bewährteVerhaltensmaßnahmen und mentale Strategien, die es ermöglichen, diese Ausnahmesituation zu meistern. Grundsätzlich gilt: Jeder Mensch ist anders und sollte die individuell zur Person und zur Lage passenden Strategien suchen, ausprobieren und umsetzen. In außergewöhnlichen Zeiten kann es zu neuen Belastungen und ungewohnten Emotionen kommen. Es braucht Zeit, sich an diese neuen Umstände und Herausforderungen – einschließlich von Langeweile – zu gewöhnen.

Die folgenden Checklisten enthalten für Sie möglicherweise nicht wirklich neue Erkenntnisse, können aber dennoch Unterstützung bieten, „kühlen Kopf zu bewahren“ und für sich und IhreNächsten die besten Strategien zu entwickeln, mit der neuartigen Situation umzugehen und den eigenen Beitrag zu leisten, dass wir persönlich und als Gesellschaft gemeinsam und solidarisch die anstehenden Herausforderungen bewältigen.

Allgemeine hilfreiche Maßnahmen


An die Quarantäneempfehlungen und Richtlinien zur Reduzierung direkter sozialer Kontakte halten!

Quarantäne und Abstandhalten helfen anderen – insbesondere schwachen, älteren oder körperlich angegriffenen Mitmenschen. Diese Maßnahmen sind daher in großem Maße sinnvoll, und zwar nicht nur für die anderen: diejenigen, die etwas für die Gemeinschaft tun, haben weniger Angst. Auch Großzügigkeit gegenüber anderen, denen es aktuell schlechter gehen mag als einem selbst, kann die eigene Gefühlslage verbessern und stabilisieren.

Allein die Sinngebung ist bereits wichtig. Wir zeigen große kollektive soziale Verantwortungdurch dieses altruistische Handeln. Wenn uns dies klar ist, fällt es uns leichter, akzeptierend und respektvoll auch mit eigenen Spannungen umzugehen.


Halten Sie eine Tagesstruktur ein!

Struktur hilft gegen Chaos, gibt Sicherheit und stärkt in Stresssituationen. Vorhersehbarkeit und Selbstwirksamkeit werden dadurch gefördert, und Zustände von Hilflosigkeit werden reduziert. Das bedeutet konkret: nicht im Pyjama bleiben, sondern wie immer aufstehen, sich anziehen, übliche Essens-, Schlafens-, Arbeits- oder Lernzeiten (und auch Feierabendzeiten) einhalten. Passen Sie Ihre Tagesstruktur an die aktuelle Situation an. Setzen Sie sich realistische Ziele und planen Sie Ihren Tag möglichst genau und verbindlich!

Aufgaben-Verwaltungs-Tools können hilfreich sein, insbesondere wenn man nun arbeitsbezogen mehr auf sich allein gestellt ist. Erstellen Sie nicht nur „to-do“-Listen, sondern auch „done“-Listen und erzählen Sie anderen von Ihrer Zielerreichung! Durch geplantes Handeln hat man das Gefühl, einer Situation nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern diese aktiv zu gestalten. Sie könnten zum Beispiel „Projekte“ starten, die Sie bisher aufgeschoben haben – vielleicht sind das auch „kleine Dinge“ wie Tagebuch schreiben, neue Fertigkeiten lernen, aufräumen, oder Arbeiten erledigen, die sonst immer liegen geblieben sind.

Planen Sie ein Highlight pro Tag, auf das Sie sich freuen können! Sollte es Ihnen nicht immer gelingen, Ihre Tagesstruktur einzuhalten, ist das allerdings verständlich. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, diesbezüglich nachsichtig mit sich umzugehen.


Konsumieren Sie Medien bewusst und gezielt!

Wir wissen aus Erfahrung von Menschen, die Katastrophen und Tragödien erlebt haben, dass ein Übermaß an Beschäftigung mit diesen Geschehnissen in Nachrichten und Meldungen aller Art negative emotionale Folgen haben und die negativen Effekte noch weiter verstärken kann. Zwar helfen Fakten gegen überschwemmende Gefühle von Kontrollverlust und Hilflosigkeit, denn seriöse und klare Informationen geben Orientierung und Sicherheit.

Jedoch kann ununterbrochener Medienkonsum überfordern, indem immer wieder bestimmte Bilder und Schilderungen wiederholt werden. Zudem sind auch einige Falschinformationen im Umlauf. Deshalb ist es wichtig, den Bezug zur Realität nicht zu verlieren. Im Grunde reicht dafür ein tägliches Update aus einer verlässlichen Quelle aus, um angemessen auf dem Laufenden zu bleiben.


Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte über die Distanz!

Verbundenheit mit der Familie oder dem Freundeskreis gibt Halt. Auch regelmäßige Treffen mit Kolleginnen und Kollegen per Chat oder Videokonferenz können nett und motivierend sein. Bleiben Sie also in Verbindung, auch wenn Sie sich nicht von Angesicht zu Angesicht nahe sein sollen. Nutzen Sie dazu Telefon, Videochats, soziale Netzwerke & Co. Und scheuen Sie sich nicht, Unterstützung zu suchen, wenn Sie welche benötigen – die allermeisten Mitmenschen helfen gerne!

Halten Sie sich bei Ihren sozialen Kontakten von Panikmachern fern! Wenn Sie das Gefühl haben, dass bestimmte Kontakte immer wieder Covid-9 bezogene Informationen wiederholen und dies Ihnen ein ungutes Gefühl gibt, setzen Sie Grenzen und verzichten Sie auch darauf, die nicht persönlichen, massenweise kursierenden SMS, E-Mails, Videos, WhatsApp-Nachrichten und Meldungen auf sozialen Medien zur Pandemie zu lesen. Vielleicht ist es Ihnen stattdessen möglich, sich auch gemeinsame positive Inhalte zu fokussieren, etwa „Was hat dich heute gefreut?“ oder „Wofür bist du dankbar?“.

Und: Denken Sie auch an entferntere Verwandte, Nachbarn und Bekannte, die möglicherweise kein soziales Netzwerk haben und kontaktieren Sie auch diese, damit sie sich nicht vergessen fühlen und gegebenenfalls Hilfebedarf äußern können!


Besinnen Sie sich auf Ihre Stärken!

Ressourcen helfen, Krisensituationen durchzustehen. Innere Ressourcen sind alles, was Sie an positiven Erfahrungen in Ihrem Leben gemacht haben, alle Probleme die Sie schon überwunden und gelöst haben, Ihre Stärken und Talente, Ziele und Werte. Ressourcen sind Kraftquellen. Aktivieren und nutzen Sie diese – und haben Sie dabei auch neue Freiräume, Spielräume, Ruhe und Entschleunigung in den eigenen vier Wänden im Blick, die einen wohltuenden Nebeneffekt der zwangsweisen Auszeit, denen viele von uns ausgesetzt sind darstellen. Das kann beispielsweise sein, sich dem Hobby zu widmen, kreativ tätig zu sein.

Auch hier gilt: Sie müssen das nicht in der Zeit, die Sie zuhause verbleiben, perfektionieren. Manche Tage wird es Ihnen besser gelingen, Ihre Ressourcen zu nutzen, an anderen Tagen finden Sie vielleicht nur schwer Zugang. Auch das ist kein Grund zu Besorgnis und bedeutet nicht, dass Sie mit der Situation nicht gut umgehen können.


Geben Sie Ihren Gefühlen Raum!

Wir alle haben unterschiedlichste Gefühle in dieser ungewohnten Situation, z.B. Verwirrung, Angst oder Stresserleben. Diese Gefühle sind absolut verständlich. Beachten Sie diese und versuchen Sie, Ihre Gefühle zu akzeptieren: Unfreiwillig in häuslicher Quarantäne zu sein, kann verschiedene emotionale Reaktionen hervorrufen. Es kann helfen, in solch gefühlsbestimmten Zeiten keine gravierenden Entscheidungen zu treffen, etwa über einen neuen Arbeitsplatz oder die Beendigung einer Beziehung.

Nehmen Sie sich Zeit, um wahrzunehmen und auszudrücken, was Sie fühlen. Manche Menschen schreiben ihre Gefühle gerne nieder oder werden kreativ (z.B. malen, musizieren oder meditieren). Häufig hilft es schon, die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten – wie würde eine nahestehende Person damit umgehen? Sprechen Sie über Ihre Gefühle, zum Beispiel mit einer hilfreichen Bezugsperson.

Sollte diese im näheren Umfeld nicht vorhanden sein, holen Sie sich professionelle Hilfe, z.B. bei Krisendienst, Notfallseelsorge, lokalen und überregionalen Hotlines, die derzeit eingerichtet werden. Vermeiden Sie ungesunde Strategien der Gefühlsregulation – zum Beispiel schädlichen Gebrauch von Alkohol und Drogen!


Begrenzen Sie das Grübeln!

Über etwas intensiv nachzudenken ist eine von vielen Strategien im Umgang mit Stresssituationen. Ein Zuviel an Grübeln ist jedoch oft kontraproduktiv, da es zusätzlichen Stress verursachen kann. Überlegen Sie sich daher schon im Vorhinein Tätigkeiten, die Sie ausführen können, sollten Sie ins Grübeln verfallen. Machen Sie etwas ganz anderes, das Ihnen guttut. Manche Menschen backen, lesen oder schreiben beispielsweise gerne. Auch Humor ist in ernsten und sorgenvollen Zeiten nicht nur erlaubt, sondern geradezu erwünscht.

Übrigens ist es eine hilfreiche Strategie, das Grübeln zu verschieben und auf selbst festgelegte Grübelzeiten zu begrenzen! Nehmen Sie sich vorab festgelegt am Tag 10-20 Minuten Zeit, in der Sie so viel Grübeln können wie Sie möchten. Wenn außerhalb dieser Zeiten Sorgen auftauchen, sagen Sie zu sich selbst: „Darüber denke ich nachher (oder morgen) in meiner Grübelzeit nach – aber nicht jetzt.“

Wenn man das regelmäßig übt, dann automatisiert man diesen gedanklichen Prozess und kann sich große Entlastung schaffen. Solche Grübelzeiten sollten übrigens nicht auf den Abend oder die Nacht gelegt werden.


Führen Sie einfache Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen durch!

Angst und Entspannung kann nicht gleichzeitig passieren. Daher machen Sie Entspannungsübungen, diese reduzieren Ängste und können helfen, achtsam und akzeptierend mit der einengenden Situation umzugehen. Auch im Internet finden Sie Anleitungen für Entspannungsübungen.Beispiel: Eine einfache Übung ist, zu bemerken, wo man gerade sitzt und den Kontakt zur Sitzfläche wahrzunehmen.

Vielleicht gelingt es Ihnen, kurz die Augen zu schließen und zu spüren, ob Sie im Körper Spannungen wahrnehmen. Stellen Sie sich vor, es verläuft ein Faden entlang Ihrer Wirbelsäule, der Sie aufrichtet. Nun können Sie sich auf Ihren Atem konzentrieren: wie langsam oder schnell ist dieser? Wo spüren Sie ihn am stärksten – in der Bauchregion, beim Einfließen der Luft in die Nase? Versuchen Sie, einem Atemzug von Beginn des Einatmens bis zum Ausatmen zu folgen.

Es geht nicht darum, den Atem in irgendeiner Form zu verändern – er ist so, wie er ist, absolut in Ordnung. Es geht nur darum, ihn wahrzunehmen. Sollten Gedanken auftauchen, versuchen Sie, Ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Atem zu lenken. Sie können mit einer Minute beginnen und diese Übung so oft Sie mögen wiederholen.


Bewegen Sie sich!

Bleiben Sie nicht nur mental, sondern auch körperlich aktiv. Bewegung bewirkt Wunder im Kopf und wirkt sich, wissenschaftlich nachgewiesen, positiv auf unsere Psyche aus. Sport ist auch auf engem Raum möglich: Videos im Internet liefern Anregungen und Trainingsprogramme. Viele Anbieter von Trainingsstudios machen ihre Angebote nun auch online verfügbar. Auch hier gilt: sicherlich ist es nicht einfach, die gewohnte Routine in den nun veränderten Alltag zu integrieren. Möglicherweise müssen Sie etwas daran ändern, wie Sie gewohnt sind, Sport zu treiben. Trotzdem ändert dies nichts an den positiven Effekten von Bewegung auf Ihre körperliche und mentale Gesundheit.


Bei alledem: Denken Sie daran, dass die Situation vorübergehen wird!

Es ist es wichtig zu verstehen, dass die aktuelle Pandemie unweigerlich irgendwann vorübergehen wird. Auf die derzeitigen Gefahren, Ängste und Sicherheitsmaßnahmen werden mit Sicherheit auch wieder Entwarnung, Neubesinnung und Normalisierung folgen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Welt wegen Covid-19 oder der daraus erwachsenden Probleme untergeht.

Manches hilft, diesen Prozess der Normalisierung zu beschleunigen – hierzu zählen „(…) schonungslose Transparenz, besonnene und entschlossene Entscheidungskonsequenz, diszipliniertes Durchhaltevermögen aller, Offenheit für neue Perspektiven wie die Wiederentdeckung solidarischer Werte und das Bewusstsein, in einer globalen Schicksalsgemeinschaft gemeinsam bestehen zu können.“

Unterschätzen Sie nicht die einfachen und bekannten effektiven Möglichkeiten, um Ihr Erkrankungsrisiko jetzt zu vermindern und die Infektion zu verlangsamen (z.B. durch regelmäßiges Händewaschen und Vermeiden von engem zwischenmenschlichem Kontakt). Planen Sie aber auch Aktivitäten, die Sie nach dem Überstehen der jetzigen Situation ausführen möchten!

Besondere Maßnahmen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen

Isolation ist eine Belastung. Das oberste Ziel in der Isolation ist daher, diese Zeit möglichst stressfrei zu bewältigen (nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Erwachsenen). Die Isolation ist nicht dazu da, die Familie besser zu machen. Die Erziehung der Kinder oder die Konfliktbewältigung mit dem Partner sollen in dieser Zeit nicht im Fokus stehen.

  • Halten Sie die gewohnte Tagesstruktur ein.
  • Planen Sie klare Lern- und Freizeiten. Bieten Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, sich auch mental zu betätigen, z.B. durch Lesen, Schreiben oder Knobelaufgaben.
  • Definieren Sie klar abgegrenzte Stunden, in denen sich jede/r alleine beschäftigt.
  • Machen Sie gemeinsame Aktivitäten.
  • Ermöglichen Sie Rückzugsmöglichkeiten, um Konflikte zu verhindern bzw. zu reduzieren.
  • Auch wenn es keinen adäquaten Ersatz für den Spielplatz oder das Spielen im Freien gibt: Ermöglichen Sie Ihrem Kind körperliche Betätigung im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten.
  • Eine gesunde Ernährung ist immer wichtig, gerade jetzt.
  • Erarbeiten Sie gemeinsame Regeln, wie die gewonnene Zeit bestmöglich genützt werden kann.
  • Limitieren Sie mit dem Kind gemeinsam die „Screen-Zeiten“ für Fernsehen, Mobiltelefon oder Computer.
  • Erklären Sie Ihrem Kind in altersgerechten Worten die aktuelle Situation.Wenn Ihr Kind Fragen stellt, beantworten Sie diese ehrlich. Sagen Sie offen, wenn Sie etwas selbst nicht wissen. Sie können dann gemeinsam überlegen, wer Ihnen die gewünschte Antwort geben kann.
  • Kinder haben ein anderes Zeiterleben als Erwachsene. Malen Sie z.B. einen Kalender und streichen Sie – ähnlich einem Adventskalender – jeden Tag der Quarantäne ab, sodass die Zeitspanne für Ihr Kind greifbarer wird.
  • Akzeptieren Sie, wenn Ihr Kind anhänglicher ist als sonst und kommen Sie diesem Bedürfnis Ihres Kindes nach. Es braucht gerade jetzt Sicherheit und Geborgenheit.
  • Verzichten Sie darauf, gerade jetzt große Erziehungsmaßnahmen zu setzen und sehen Sie möglichst von Strafen ab. Versuchen Sie ihr Kind durch Lob positiv zu verstärken und zu erwünschtem Verhalten zu motivieren.
  • Bewahren Sie sich eine positive Grundhaltung: Dies kann sich auch auf Ihr Kind übertragen und vermittelt Zuversicht und Sicherheit.

Maßnahmen gegen das Auftreten von Konflikten

Auf engen räumlichen Verhältnissen entsteht sogenannter „Dichtestress“. „Unter Lagerkollereinzelner oder mehrerer Personen versteht man umgangssprachlich einen vorübergehenden psychischen Erregungszustand bei zwangsweiser Lagerunterbringung, wie er vor allem in Gefängnissen, Kasernen, Kriegsgefangenenlagern, Deportierungslagern, Flüchtlingslagern, Notunterkünften und Katastrophenschutzlagern bei anhaltend belastenden und unabsehbar lange andauernden Bedingungen vorkommt.

„Koller“ (althochdeutsch kolero = „Wut“ von mittellateinisch cholera = „Zornausbruch“, vgl. auch Choleriker) ist eine volkstümliche Eindeutschungund bezeichnet eine plötzlich aufbrechende oder stille, schwere psychologische Erregung, die sich aus einer Umgebung oder Situation ableiten lassen. Er äußert sich bei einzelnen Personen in Angst, Wut, Verzweiflung, Überaktivität sowie depressiven Zuständen.“ Die jetzigen Quarantänemaßnahmen in Deutschland lassen sich zwar nicht mit Zwangsinhaftierung vergleichen.

Dennoch kann man die in der psychologischen Forschung zu Extremsituationen gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um uns den Umgang mit der aktuellen Situation zu erleichtern. Bereits durch die ungewohnt viele gemeinsame Zeit können Konflikte in der Partnerschaft oder im Familienleben entstehen. All dies kann sich in Streit bis hin zu Gewalthandlungen entladen.

Folgende Maßnahme sind hier präventiv hilfreich:

  • Definieren Sie klar abgegrenzte Stunden, die jede/r für sich allein verbringt.
  • Ermöglichen Sie allen Familienmitgliedern Rückzugsmöglichkeiten. Machen Sie alleine einen Spaziergang um den Häuserblock oder durch den Wald.
  • Sprechen Sie Ärger an, noch bevor die Situation eskaliert. Kurzfristige Konflikte wird es bei jedem immer wieder mal geben – wichtig ist, dass diese gelöst werden.
  • Machen Sie einen täglichen Familien-Mini-Krisenstab oder -Konferenz: Wie geht’s allen Beteiligten, wer braucht was, welche Ideen und Wünsche haben die Einzelnen?
  • Seien Sie nachsichtiger als sonst, sich selbst und den anderen gegenüber! Die derzeitige ungeplante soziale Isolierung mit „Zwangsferien“, die im Grunde gar keine Ferien sind, weil man nicht alles tun kann, was man im Urlaub gerne tut, ist durchaus eine Herausforderung für alle Familien und Freundeskreise.

Maßnahmen gegen Gewalt

Räumliche Enge, fehlende Rückzugsmöglichkeiten, der Mangel an Intimität kann zu Aggression und Gewalt führen. Steuern Sie einer Eskalation der Situation aktiv und bewusst entgegen.

Folgende Möglichkeiten dazu haben Sie:

  • Erkennen und benennen Sie Gewalt. Auch bei sich selbst! Gewalt hat viele Formen: Schlagen, Anschreien, Abwerten, längeres Ignorieren… Seien Sie sich selbst gegenüber ehrlich und reagieren Sie, wenn Sie merken, dass Sie selbst beginnen, vollkommen überfordert und in der Folge gewalttätig werden.
  • Telefonieren Sie zur eigenen Entlastung! Telefonieren Sie mit einem Freund/einer Freundin und sei es nur, um mal wieder mit jemand anderem zu sprechen. Wenn möglich, gehen Sie in ein anderes Zimmer. Atmen Sie tief durch.
  • Leben Sie Gewalt nicht aus! Negative Emotionen, Anspannung und Aggressionen sind in Ausnahmesituationen normal. Es ist nicht schlimm, jemandem gegenüber aggressiven Gefühlen zu haben – gefährlich wird es erst, wenn man sie auslebt.
  • Wenn Gewalt passiert: Reden Sie! Wenn Sie bemerken, dass andere Erwachsene zuhause gewalttätig werden – gerade gegen Kinder oder Jugendliche –, reden Sie mit ihnen. Vielleicht sind Sie in dieser Situation die einzige Person, die den Schutz des Kindes jetzt herstellen kann. Lassen Sie sich dabei unterstützen: von der Telefonberatung eines Gewaltschutzzentrums, der Männerberatung, eines Kinderschutzzentrums, beim Krisendienst.
  • Holen Sie sich Hilfe, wenn Sie von Gewalt betroffen sind! Dasselbe gilt natürlich auch, wenn Sie selbst von Gewalt betroffen sind. Hier ist wichtig, dass Sie nicht allein bleiben – denn Sie sind nicht allein, auch wenn es gerade in einer Isolationssituation so erscheinen mag. Holen Sie Hilfe: Bei Freunden, Beratungseinrichtungen, bei der Telefonberatung eines Gewaltschutz- oder Kinderschutzzentrums, bei massiver Gewalt auch bei Polizei oder Kinder- und Jugendhilfe.
  • Und vor allem: Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe! Warten Sie nicht, bis es zu spät ist. Die vorangestellten Tipps gegen Langeweile, gegen Ängste und Sorgen und vor allem die Tipps gegen Konflikte helfen, mit den unangenehmen Gefühlen umzugehen, die in angespannten, oft beengten Situationen entstehen, bevor diese sich in Gewalt entladen.

Quelle: Psychologische Hochschule Berlin

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