Altersarmut: eine Null zu viel

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Altersarmut: eine Null zu viel

Die Unstatistik des Monats April ist eine Meldung des WDR, der für 50% der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Ruhestand in Altersarmut prognostiziert hat („Fast jedem Zweiten droht eine Armutsrente“, Stand: 20. April 2016). Kein Wunder, dass eine solche Zahl zu Deutschlands Rente die Republik in Aufregung stürzt. Nur ist sie falsch, und 5% ist eine wahrscheinlichere Prognose.

Das Vorgehen des WDR scheint zunächst plausibel. Er ließ sich die augenblickliche Verteilung des Arbeitseinkommens auflisten, nahm an, dass diese auch in Zukunft so bestehen bleibt, und errechnete dann die Rentenansprüche für das bereits jetzt festgelegte niedrigere Rentenniveau im Jahr 2030. Nach dieser Rechnung liegen in der Tat 50% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an oder unter der Grundsicherungsgrenze.

Der erste Denkfehler

Wo liegen die Fehler? Der erste Denkfehler ist ein Klassiker in der Statistik: Aus Daten eines heutigen Querschnitts kann man nicht auf die Dynamik eines zukünftigen Erwerbslebens schließen. Das folgende krass überzeichnete Beispiel macht das klar: Wenn alle Menschen die erste Hälfte ihres Lebens in Ausbildung mit einem sehr geringen Gehalt verbringen und dann anschließend in der zweiten Lebenshälfte ein so hohes Einkommen hätten, so dass sie auf das ganze Leben bezogen genau das heutige Durchschnittseinkommen erzielten, dann würde die WDR-Methode Altersarmut für die Hälfte der Bevölkerung prognostizieren. Richtig berechnet würde in diesem Beispiel jedoch kein einziger Mensch altersarm werden.

Der zweite Denkfehler

Der zweite Fehler ist ein Klassiker in der Sozialpolitik: Grundsicherung wird nicht auf das individuelle Arbeitseinkommen bezogen, sondern auf das Gesamteinkommen eines Haushalts. Und das liegt in der Regel deutlich über dem Arbeitseinkommen einer einzelnen Person. Laut der WDR-Methode erschiene in einer Ehe mit einem viel und einem wenig verdienenden Partner eine Person altersarm. Nach richtig angewendetem Recht wäre der Haushalt jedoch keineswegs altersarm.

Es ist eine Null weniger – trotzdem muss man wachsam bleiben

Auch wenn die WDR-Rechnung das Problem der Altersarmut in grotesker Weise überschätzt, ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Berechnungen des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium aus dem Jahr 2013 kommen im pessimistischsten Szenario auf einen Anstieg der Grundsicherungsempfänger von derzeit 3% auf 5,4%, also fast eine Verdoppelung. Dennoch: eine Null weniger als beim WDR.

Die Unstatistik des Monats
Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. In diesem Monat haben die Gastautoren Axel Börsch-Supan und Tabea Bucher-Koenen die „Unstatistik“ verfasst. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de.

Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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