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Achtung unpopular Opinion: ich glaube, wir Menschen mit Diabetes tragen eine Mitschuld an dem Unwissen der anderen. An den Fragen “Nimmst du bei Unterzucker Insulin?”, “Hast du den guten oder den schlechten Typ?”, und der Aussage “Diabetes ist nicht so schlimm”. Gewagt, ich weiß. Ich bringe aber Argumente mit.
10 Uhr, Teammeeting bei der Arbeit. Gerade suchen sich alle einen Platz, bevor das Meeting losgeht. Pumpe vibriert: 210 mg/dl mit 2 Pfeilen nach oben. Korrektur 1 folgt. Der Chef steht auf und beginnt seine Ansprache mit diversen Powerpoint-Slides. Erste Stunde ist rum, Sensor zeigt 230 mg/dl mit einem Pfeil nach oben. Zeit für Korrektur 2. Zwei 0,3 L Flaschen Wasser sind bereits leer. Ich greife lieber nicht zur dritten, sonst muss ich gleich noch aufstehen und zur Toilette.
11:15 Uhr, dieser Wert will einfach nicht runter. Bolus Nummer 3 folgt. Noch 45 Minuten, dann kann ich zur Toilette. Jetzt sollen wir auch noch alle aufstehen und begutachten, was die Kollegin auf ihrem Laptop vorbereitet hat. Ich steh auf, die Blase schreit “ALARM”, die Pumpe macht im Chor mit und ich nutze den Aufsteh-Aufruhr, um kurz im Bad zu verschwinden. Der Blutzucker ist soweit stabil, allerdings immer noch auf 230 mg/dl. Okay, nur noch 20 Minuten
bis zur Mittagspause, ich spritze einfach schon mal fürs Essen.
11:55 Uhr, schon wieder die Pumpe, die sich meldet. 120 mg/dl, drei Pfeile nach unten und die Debatte von den zwei Arbeitskollegen nimmt kein Ende. Mist. Thomas hat gerade den letzten Saft auf dem Tisch leer gemacht. Steh ich schon wieder auf? Alle schauen gespannt auf das Gespräch. Äh warte, alle schauen mich an. “Michelle, was denkst du?”. Okay, Michelle, Fokus. Mach es wie die Politiker. “Ich denke, beide haben valide Argumente. Wie siehst du das?”. Falsche Antwort. Ich bin eigentlich sehr entscheidungsfreudig. Aber erklär ich dem Team jetzt, dass mich mein Diabetes abgelenkt hat? Ist das professionell?
12:20 Uhr, 70 mg/dl mit 2 Pfeilen nach unten. Ich war heute eh nicht wirklich hilfreich, dann kann ich jetzt auch nochmal verschwinden. Mir ist eh schon super warm. Zieht ihren Pulli aus. Kollegin, die immer friert “Michelle, woher nimmst du immer diese Hitze?” Alle Blicke wieder auf mich. Lieb’s. Schiefes Lächeln aufsetzen, nichts wie raus aus dem Zimmer und etwas für den Unterzucker suchen. Und bloß nicht zu viel nehmen diesmal!
13 Uhr, Meeting vorbei, Wert wieder stabiler. Heute ist Döner Tag. Habe mich den ganzen Tag darauf gefreut, durch die Zucker-Aktion aber gerade schon 50g Kohlenhydrate zu mir genommen. Bestelle dann lieber nur einen Salat. Gleiche Kollegin: “Michelle, wieso bestellst du nicht mit? Bist du wieder auf deinem Fitnesstrip?” Option A) Lächeln und ignorieren. Option B) Aufklären. Nehmen wir mal B). […] “Oh wirklich, das hab ich gar nicht bemerkt!” Ganz ehrlich, wie auch?
Wenn ich in jeder Lebenslage möglichst “normal” sein möchte und nicht auffallen, dann werde ich auch als normal wahrgenommen und falle nicht auf. Dann wissen die Arbeitskollegen aber auch nicht, was bei mir alles neben dem Meeting passiert und wie viele Entscheidungen ich parallel für mein Diabetesmanagement treffen muss. Der
zusätzliche Stress durch den Versuch, unauffällig zu bleiben, macht das Ganze nicht besser.
Mein Körper, dadurch noch insulinresistenter als eh schon. Nehm ich aber hin, um unter gar keinen Umständen als hilfebedürftig rüberzukommen. Selbst schuld. Dann erwarte auch nicht, dass die Menschen um dich rum wissen, was durch den Diabetes alles passiert, wenn du es ihnen nicht zeigst.
Wie macht ihr das? Geht ihr immer offen mit dem Diabetes um? Schreibt Michelle gerne in die Kommentare!
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