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Als schwerbehindert anerkannte Menschen können nicht nur vorzeitig in Altersrente gehen, sondern haben u. a. auch Anspruch auf Steuervergünstigungen und einen erhöhten Schutz vor Kündigung im Arbeitsleben. Häufig wird daher gefragt, ob die Diabetes-Erkrankung zum Schwerbehindertenausweis berechtigt. In diesem Beitrag fassen wir die Rechtslage zusammen.
Der Begriff der Behinderung wird in § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB IX definiert: “(…) Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.” Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung (GdB) auf einer Skala von 0 bis 100 ausgedrückt. Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn ein GdB von mindestens 50 festgestellt ist. Dann erhält man auch einen entsprechenden Ausweis, mit dem man die mit dem Schwerbehinderten-Status einhergehenden Nachteils-Ausgleiche beanspruchen kann.
Ein Grad der Behinderung von 50 liegt nur bei Menschen mit Diabetes vor, die eine “Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung.” Damit der Diabetes zu einer Anerkennung als “schwerbehindert” führt, müssen hiernach folgende Voraussetzungen vorliegen:
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Anders als bis noch vor einigen Jahren reicht eine Diabetes-Erkrankung mit Insulintherapie allein daher nicht aus, um die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung zu erfüllen. Selbst ein hoher Therapieaufwand – also häufige Blutzuckermessungen, das Spritzen von Insulin bzw. der mit Insulinpumpe oder kontinuierlichem Glukose-Monitoring (CGM) verbundene Aufwand – stellen nach aktueller Rechtslage noch keine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung dar.
Gravierende Beeinträchtigungen liegen nach Auffassung der Rechtsprechung selbst dann noch nicht vor, wenn es zu “spürbaren” Beeinträchtigungen bei der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten und der Mobilität kommt. Generell achten die Gerichte auch darauf, dass der Vergleichsmaßstab zu anderen Krankheitsbildern eingehalten wird. Ein GdB von 40, der bei insulinpflichtigem Diabetes fast immer festgestellt wird, ist nämlich schon recht hoch – der Verlust eines Auges führt im Vergleich dagegen nur zu einem GdB von 30. Eine Schwerbehinderung aufgrund des Diabetes liegt beispielsweise nur vor, wenn “die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen”. (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09.03.2016 – L 7 SB 81/13)
Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, allein aufgrund des Diabetes einen GdB von 50 zu erreichen. Hat man neben der Diabetes-Erkrankung noch andere erhebliche Gesundheits-Beeinträchtigungen, stehen die Chancen besser. Relevant sein können insbesondere Störungen des Bewegungsapparats, Bandscheibenvorfälle, Allergien oder Folgeerkrankungen. Diese Erkrankungen werden jeweils gesondert bewertet und mit einem GdB eingestuft. Bei der Gesamtbewertung kann es im Ergebnis dann doch zur Feststellung einer Schwerbehinderung kommen. Aus der Gesamtschau wird der Gesamt-GdB gebildet. Dabei wird u. a. geprüft, ob die einzelnen Beeinträchtigungen sich wechselseitig auswirken, beispielsweise ob diese ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen.
Im Antrag auf Feststellung einer Behinderung sollte man ausführlich auf alle genannten Voraussetzungen eingehen – wer sich dort nur auf den hohen Aufwand seiner Insulin- bzw. Insulinpumpen-Therapie stützt, wird wahrscheinlich damit keinen Erfolg haben. Sie sollten daher ausführlich beschreiben und begründen, inwiefern Sie aufgrund des Diabetes erhebliche Einschränkungen erleiden, die sich “gravierend” auf Ihre Lebensführung auswirken. Schildern Sie hierzu möglichst umfassend, wie ein reguläres Alltagsleben durch den Diabetes beeinträchtigt wird. Bei stark schwankenden Blutzuckerwerten oder häufigen Unterzuckerungen könnte aus medizinischer Sicht möglicherweise eine “instabile Stoffwechsellage” vorliegen. Wenn diese mit einem ärztlichen Attest nachvollziehbar und plausibel begründet werden kann, dann könnte dies zu einer Höher-Stufung führen.
Wichtig: Vergessen Sie nicht, neben dem Diabetes sämtliche anderen Krankheiten bzw. Gesundheits-Beeinträchtigungen aufzuführen, die sich auf Ihren Alltag auswirken.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (10) Seite 46-48
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