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Die neue britische Premierministerin Theresa May (59), die nach dem Rücktritt von David Cameron den Brexit vollziehen soll, hat in den vergangenen Tagen in den internationalen Medien mit ihrer zum Teil recht extravaganten Garderobe für Schlagzeilen gesorgt. Doch wenn die Umzugswagen rollen, bringen sie nicht nur nietenbesetzte Pumps und Stiefel mit Leopardenmuster in das berühmte Stadthaus in der Londoner Downing Street Nummer 10, sondern auch jede Menge Insulinampullen, Blutzuckerteststreifen und Pennadeln. Denn die neue Premierministerin hat Typ-1-Diabetes.
Theresa May ist, ebenso wie ich übrigens, eine Diabetes-Spätzünderin. Sie war 56 Jahre alt, als die Stoffwechselerkrankung bei ihr festgestellt wurde. Auch wenn ich politisch ganz sicher eher nicht auf einer Linie mit ihr stehe – so eine Gemeinsamkeit verbindet irgendwie. Im November 2012 stellte sich bei einer Untersuchung bei ihrem Hausarzt heraus, dass sie nicht wegen einer hartnäckigen Erkältung so viel Gewicht verloren hatte, sondern weil ihr Immunsystem auf einmal zu der Fehlentscheidung gelangt war, den Betazellen ihrer Bauchspeicheldrüse den Garaus zu machen. In einem Portrait in der Online-Ausgabe des „Daily Express“ kann man nachlesen, dass sie wie wohl die meisten Spätdiagnostizierten auf diese Nachricht reagierten: „Nein, das kann nicht sein, für Typ-1-Diabetes bin ich doch viel zu alt!“ Genau so ging es mir auch, als mich mein Hausarzt im März 2010 mit einem Blutzuckerwert jenseits der 370 mg/dl auf schnellstem Wege zum Diabetologen schickte und dieser mir schonungslos mitteilte: „Für so einen hohen Wert gibt es nur eine Erklärung, und die heißt Diabetes. Und da sie nicht übergewichtig sind und es in Ihrer Familie keinen Typ-2-Diabetes gibt, tippe ich auf Typ-1-Diabetes.“
Theresa May sagt, ihr sei vor ihrer Diagnose nicht klar gewesen, wie viel Arbeit hinter einem guten Diabetesmanagement steckt. Sie war zum Zeitpunkt ihrer Diagnose bereits Innenministerin von Großbritannien – ein Job, zu dem man ganz sicher nur gelangt, wenn man über eine ordentliche Portion Disziplin und Durchhaltewillen verfügt. Der Titel „Iron Maiden“ („eiserne Jungfrau“) wurde Theresa May ganz sicher nicht per Zufall verpasst. Diese Eigenschaften halfen ihr natürlich auch dabei, ihre neue Aufgabe zu bewältigen – auch wenn ihr politisches Amt mit seinen vielen Reisen, Abendterminen und Festbanketten sicherlich mehr Herausforderungen im Diabetesmanagement bereithält als das Leben von uns Otto-Normal-Diabetikern. Nun werden noch viele Auslandsreisen, Gipfeltreffen und politische Termine hinzukommen, bei denen sie im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Doch sie sagt zum Thema Typ-1-Diabetes ganz klar: „You can still do what you want to!“ („Du kannst immer noch machen, was du willst!“) Gut so, denn das ist doch genau das, was wir Diabetiker der Welt gern vermitteln möchten: Ja, unsere Erkrankung erfordert intensives Management und sollte nicht mit Sätzen wie „Ach, ist doch nur Diabetes!“ abgetan werden. Und ja, der Diabetes hindert uns nicht daran, unsere beruflichen oder privaten Ziele weiter zu verfolgen (und im besten Fall auch zu erreichen).
Ich beneide Theresa May nicht um ihre Aufgabe, nun den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union vorzubereiten, den sie selbst nie gewollt hat. Aber ich bin gespannt, ob und wie sich die Wahrnehmung von Typ-1-Diabetes in der Öffentlichkeit nun ändern wird, da nun – meines Wissens erstmals – ein Mensch mit Typ-1-Diabetes die Regierungsgeschäfte einer Nation lenkt.
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