Kritik am Bundes-Klinik-Atlas: Ein Atlas ins Nirgendwo

Kritik am Bundes-Klinik-Atlas: Ein Atlas ins Nirgendwo
Kritik am Bundes-Klinik-Atlas: Ein Atlas ins Nirgendwo
Foto: Eva Polikarpova – stock.adobe.com

Der Bundes-Klinik-Atlas hat einen Schnell-, aber keinen Traumstart hingelegt. Während Landespolitiker angesichts von Informations-Fehlern wie früher Peter Lustig „Abschalten!“ forderten, ist die Kritik aus der Diabetologie differenzierter – aber ebenso vehement.

Seit dem 17. Mai ist er online zugänglich, der Bundes-Klinik-Atlas. Die Gesetzesgrundlage dieses Verzeichnisses, das Krankenhaustransparenzgesetz, trat am 28. März 2024 in Kraft. Die Umsetzung des Klinik-Registers war also durchaus sportlich. Aber sie erfüllte immerhin fast die Ende Februar öffentlichkeitswirksam von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geäußerte Ankündigung, der Start des Portals sei weiterhin für den 1. Mai geplant. Damals hatte das Gesetz mit einer Einigung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat die letzte inhaltliche Hürde genommen. Zuvor ist es im November letzten Jahres vom Bundesrat ausgebremst worden.

Der Bundes-Klinik-Atlas soll Bürgerinnen und Bürgern mehr Transparenz über Versorgungs-Angebote und eine direkte Vergleichbarkeit von Krankenhäusern bieten. Der gleichen Idee hat sich zum Beispiel auch das Deutsche Krankenhaus Verzeichnis der Deutschen Krankenhausgesellschaft verschrieben. Es besteht schon seit 2002, wie die Website wahrscheinlich nicht zufällig direkt in ihrem Logo betont.

Um die versprochene Transparenz zu erreichen, bildet der Bundes-Klinik-Atlas zum Start folgende Daten ab:

  • Krankenhäuser mit Standorten (Karte),
  • Bettenzahl,
  • Status „Sicherstellungshaus“ für flächendeckende Versorgung,
  • teilstationäre Behandlungsplätze,
  • Fallzahlen insgesamt, je Fachabteilung und je Behandlung,
  • Pflegekräfte für den Standort und Pflegepersonal-Quotienten,
  • Mindestmengen,
  • Notfallstufen,
  • ausgewählte Zertifikate.

Gesundheitspolitiker: „Stellen Sie den Klinik-Atlas offline!“

Die erste Resonanz auf den Atlas lässt sich vorsichtig mit „schnell ist nicht gut“ zusammenfassen. Landespolitiker, beim Thema Klinik-Landschaft zugegeben stets sehr empfindlich aus Sorge um die eigenen Krankenhäuser, übten deutliche Kritik. So forderte der Gesundheitsminister Niedersachsens Andreas Philippi, immerhin wie Lauterbach von der SPD, Anfang Juni kurz und knapp: „Stellen Sie den Klinik-Atlas offline!“ Seinen Appell formulierte er gemeinsam mit der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. Der Bundes-Klinik-Atlas sei aus politischen Gründen vor der Krankenhausreform „überstürzt umgesetzt worden“ und strotze vor Fehlern. Philippis Vorschlag ist vernichtend: Während die Krankenhausreform weiterverhandelt werde, könne das Portal „in Ruhe neu und seriös aufgesetzt werden“, sodass es dann „vernünftig betrieben werden“ könne.

Dass die erste Version des Bundes-Klinik-Atlas noch einer Baustelle gleicht, steht verklausuliert auch auf der Internetseite selbst: Er werde kontinuierlich weiterentwickelt und aktualisiert. Geplant seien in diesem Jahr noch zwei weitere Updates. Diese sollen unter anderem Qualitätsdaten zu den Komplikationsraten von Eingriffen sowie die Zuordnung der Krankenhäuser in Level und Leistungsgruppen ergänzen sollen. Ein erstes Update habe der Atlas bereits erhalten, vermeldet die Website, es habe Hinweise aus der Praxis aufgegriffen. Gleichzeitig mahnt der Atlas nach dem Schwarzer-Peter-Prinzip: Das System könne nur die Daten ausweisen, die von den Krankenhäusern gemeldet würden. Die Website wurde unter Verantwortung des Bundesministeriums für Gesundheit in enger Kooperation mit dem Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) und dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) erstellt.

Kritik am Bundes-Klinik-Atlas: DDG sieht Diabetes unterrepräsentiert

Dass auch mit den zur Verfügung stehenden Daten eine deutlich bessere Orientierung für die Patienten möglich wäre, ist Kernpunkt der Kritik der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am Bundes-Atlas. „Das Portal ist durch seinen unfertigen Charakter wenig aussagekräftig“, so die Fachgesellschaft Ende Mai, die Volkskrankheit Diabetes sei darin kaum abgebildet. „In Deutschland gibt es allein rund 350 stationäre Einrichtungen mit einer DDG Zertifizierung für Diabetes Typ 1 und Typ 2 und für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms“, erklärte Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland, Vorsitzender des DDG-Ausschusses „Qualitätssicherung, Schulung und Weiterbildung“.

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Doch diese Zertifizierung findet sich nicht im Bundes-Atlas. Laut BMG sei die Aufnahme nicht vor 2025 geplant, obwohl die DDG nach eigenen Angaben seitens Vertretern der Ampel-Koalition bereits Zusicherung erhalten hat, die DDG-Zertifikate in das Register einzuflechten. „Zertifikate sind der Grundstein für Patientensicherheit und Transparenz. Es ist unverständlich, warum diese wichtige Information nur kleckerweise ins Portal fließt. Bis es soweit ist, können Menschen mit Diabetes mellitus – insbesondere diejenigen mit Folge und Begleiterkrankungen – im Klinik-Atlas keine für sie passenden Behandlungseinrichtung finden. Das konterkariert die Ansprüche, die Professor Lauterbach an sein neues Register stellt“, kritisierte Müller-Wieland.

DDG besteht auf „rasche Nachbesserungen“ beim Bundes-Klinik-Atlas

Auf der Website des Klinik-Atlas wird der Wert von Zertifikaten ebenfalls betont, auch einen erklärenden Hinweis findet man dort. Das Krankenhaustransparenzgesetz sehe vor, dass das IQTIG bestimmt, welche Zertifikate für eine Veröffentlichung im Bundes-Klinik-Atlas geeignet sind. Für diese Auswahl entwickelt das Institut eine Methodik, die auf einer Beauftragung im Sozialgesetzbuch beruht. Und das dauert, übergangsweise bildet der Atlas daher nur sieben ausgewählte Zertifikate ab. Zum Beispiel die für „Stroke Units“ der Deutschen Schlaganfallgesellschaft. „Wir bestehen darauf, dass das BMG rasche Nachbesserungen macht, die die Versorgungslandschaft realistisch abbildet und den Betroffenen die tatsächlichen Expertisen der Kliniken aufzeigt“, forderte DDG-Präsident Prof. Dr. Andreas Fritsche.



Marcus Sefrin

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