- Soziales und Recht
„Mit offenen Karten spielen?“ Nein!
3 Minuten
Rechtsanwalt Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Rechteck Antworten auf Rechtsfragen rund um das Thema Diabetes.
Die Frage
Ich bin seit längerer Zeit arbeitslos; leider erhalte ich immer nur Absagen und werde nicht einmal zu Bewerbungsgesprächen eingeladen, obwohl ich wohl sogar eher überdurchschnittlich gut qualifiziert bin.
Nun will mir das Arbeitsamt die Leistungen kürzen: Ich würde mich bei meiner Bewerbung absichtlich unvorteilhaft präsentieren, indem ich auf meine Schwerbehinderung und meinen Diabetes hinweise. Dadurch würde ich dem Arbeitgeber signalisieren, dass ich die Stelle eigentlich gar nicht antreten wollte. Die Arbeitslosigkeit sei daher von mir verschuldet und ich müsse somit wegen „Pflichtverletzung“ eine Kürzung meiner Leistungen hinnehmen.
Das finde ich eine Unverschämtheit, ich muss doch mit offenen Karten spielen. Zudem bin ich ja verpflichtet, den Arbeitgeber über meinen Schwerbehindertenausweis zu informieren!
Claudio R.
Die Antwort von Oliver Ebert
Es ist tatsächlich so, dass die Arbeitsagentur gemäß § 31 SGB II in manchen Fällen das Arbeitslosengeld tatsächlich kürzen darf, beispielsweise wenn der Betroffene sich so verhält, dass er nicht vermittelt werden kann. Dies wäre u. a. dann der Fall, wenn der Arbeitssuchende bereits durch sein Verhalten bei der Bewerbung den Eindruck vermittelt, dass die Leistungsfähigkeit in Frage steht.
Ich entnehme Ihrer Anfrage, dass Sie im Bewerbungsgespräch bzw. in Ihren Unterlagen Ihren Gesundheitszustand möglicherweise allzu offensiv thematisiert oder womöglich auch noch Einschränkungen bzw. Sonderregelungen erwähnt haben – anders ist nämlich nur schwer zu erklären, dass die Arbeitsagentur nun eine Sanktion einleitet.
Generell sollte man es vermeiden, einen potenziellen Arbeitgeber ohne Notwendigkeit über vorhandene Krankheiten zu informieren. Dies ist nur im Ausnahmefall erforderlich, vor allem bei Ansteckungsgefahr oder, wenn aufgrund der Krankheit ganz massive Gefährdungen einhergehen, die sich auch durch Arbeitsschutzmaßnahmen nicht akzeptabel beherrschen lassen.
Selbst wenn der Arbeitgeber sogar ausdrücklich nach der Diabetes-Erkrankung fragt, gilt dasselbe – eine solche Frage müsste daher nur in wenigen Ausnahmefällen beantwortet werden. Erst recht sollte man den Diabetes nicht unaufgefordert zum Thema machen. Auch wenn Sie vielleicht nur mit „offenen Karten“ spielen wollen – beim Arbeitgeber könnten Sie dadurch unbeabsichtigt einen ganz anderen Eindruck vermitteln. Möglicherweise hält der Arbeitgeber Sie deswegen nicht für sonderlich leistungsfähig oder durch den Diabetes für sehr eingeschränkt, denn ansonsten hätten Sie ja keinen Grund, ungefragt auf Ihre Krankheit hinzuweisen.
Oder man unterstellt womöglich, dass Sie die angebotene Stelle gar nicht ernsthaft wollten und der Arbeitgeber mit solchen Informationen daher abgeschreckt werden sollte. Auch, dass man einen Schwerbehindertenausweis hat, muss man im Bewerbungsgespräch nicht mitteilen. Auf eine entsprechende Frage des Arbeitgebers darf man die Antwort verweigern. Dies ist aber natürlich meist nicht sinnvoll, denn das würde erst recht misstrauisch machen. Es ist daher erlaubt, dass man hier ausnahmsweise die Unwahrheit sagt, d. h. die Schwerbehinderteneigenschaft wahrheitswidrig verneint.
Vor diesem Hintergrund sollten Sie zunächst prüfen, ob Sie sich bislang denn wirklich optimal präsentiert und tatsächlich alles getan haben, um potenzielle Arbeitgeber von sich zu überzeugen.
Ansonsten halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass eine Leistungskürzung womöglich schon vorstellbar wäre. Sie sollten dann aber auf jeden Fall Widerspruch einlegen, vielleicht kommt die nächsthöhere Behörde – bzw. im Fall einer Klage das Sozialgericht – zu einer anderen Beurteilung.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (3) Seite 52-53
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