Nachgefragt | Recht: Zweitmeinung und freie Arztwahl – so ist die rechtliche Situation

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Nachgefragt | Recht: Zweitmeinung und freie Arztwahl – so ist die rechtliche Situation | Foto: HNFOTO – stock.adobe.com
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Nachgefragt | Recht: Zweitmeinung und freie Arztwahl – so ist die rechtliche Situation

Menschen mit chronischen Krankheiten wie Diabetes stehen mitunter vor weitreichenden medizinischen Entscheidungen – vor allem, wenn es um Operationen oder neue Therapien geht. In solchen Situationen sind das Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung und die freie Arztwahl besonders wichtig. Nicht jedem ist das bekannt. Wie sieht die rechtliche Situation aus?

Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse haben gemäß § 27b Sozialgesetzbuch (SGB) V einen Anspruch darauf, vor bestimmten planbaren Eingriffen bzw. Operationen eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung zu erhalten. Eine solche Zweitmeinung bedeutet dabei keinen Misstrauensbeweis gegenüber dem Arzt, sondern dient einer umfassenderen Grundlage für die Entscheidung. Denn selbst bei identischen Befunden können Fachärzte durchaus zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen.

§ 27b SGB V
„(1) Versicherte, bei denen die Indikation zu einem planbaren Eingriff gestellt wird, bei dem insbesondere im Hinblick auf die zahlenmäßige Entwicklung seiner Durchführung die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen ist, haben Anspruch darauf, eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung bei einem Arzt (…) einzuholen. (…)“

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) definiert in Richtlinien, für welche Eingriffe dieses Recht gilt – z. B. bei Amputationen beim Diabetischen Fußsyndrom, Operationen an Herz, Wirbelsäule, Schilddrüse, Knie oder Gebärmutter. Für bariatrische Operationen, also chirurgische Eingriffe zur Behandlung extremen Übergewichts (Adipositas), wie Magen-Bypass, Schlauchmagen oder Magenband, ist bislang allerdings noch kein formales Zweitmeinungsverfahren vorgesehen.

Wichtig: Reine Therapie-Entscheidungen wie ein Umstellen der Insulintherapie gelten nicht als „planbare Eingriffe“. Hier gibt es kein ausdrückliches Recht auf eine Zweitmeinung.

Wann ist eine Zweitmeinung sinnvoll?

Insbesondere bei größeren Eingriffen kann die Einschätzung eines zweiten Arztes hilfreich sein. Besonders wichtig ist dies bei Amputationen – hier sollte man unbedingt eine ärztliche Zweitmeinung einholen. Eine Zweitmeinung kann auch helfen, Unsicherheiten abzubauen, die durch Informationen im Internet, widersprüchliche Aussagen oder persönliche Erfahrungen entstanden sind. Nicht selten ergibt sich dann, dass ein geplanter Eingriff gar nicht so dringlich ist – oder dass es schonendere Alternativen gibt.

Amputation – NEIN Danke!
Informations- und Kampagnen-Website für Zweitmeinung beim Diabetischen Fußsyndrom
www.amputation-nein-danke.de

Wie erhält man eine Zweitmeinung?

Patienten müssen vom Arzt vor einem solchen Eingriff über das Zweitmeinungsrecht informiert werden (§ 630e Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Man kann dann die notwendigen Befunde und Unterlagen beim Arzt kostenfrei anfordern. Die Zweitmeinung selbst muss durch einen Arzt erfolgen, der unabhängig ist, d. h. nicht in derselben Praxis oder Klinik arbeitet. Die Kosten übernimmt die gesetzliche Krankenkasse. Es empfiehlt sich, dort vorab nach speziellen Programmen oder Vorgaben zu fragen.

Freie Arztwahl: gesetzlich garantiert

Jeder gesetzlich Versicherte darf sich grundsätzlich von jedem zugelassenen Arzt oder Zahnarzt behandeln lassen (§ 76 Absatz 1 SGB V). Dieses Recht ist besonders wichtig, wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist oder die Kommunikation nicht stimmt. Ein Arztwechsel ist jederzeit ohne Begründung möglich.

Was gilt bei DMP und Hausarztprogrammen?

Viele Patienten nehmen an strukturierten Versorgungsprogrammen teil, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern sollen. Die Teilnahme an einem Disease-Management-Programm (DMP), z. B. für Diabetes, verpflichtet Patienten zu bestimmter Mitwirkung. Dazu gehören etwa Quartals-Untersuchungen, Schulungen und Ziel-Vereinbarungen mit dem Arzt. Dabei wird die Behandlung durch einen betreuenden Arzt koordiniert, der auch die medizinische Dokumentation an die Krankenkasse übermittelt.

Trotz dieser strukturierten Abläufe bleibt das Recht auf freie Arztwahl im DMP vollumfänglich erhalten. Patienten dürfen jederzeit andere Fachärzte oder Kliniken aufsuchen, auch ohne Überweisung. Ebenso können sie das gesetzlich garantierte Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung uneingeschränkt wahrnehmen – etwa vor einer geplanten Amputation oder bei kritischen Eingriffen an den Augen oder Gefäßen. Wichtig ist lediglich, dass neue Befunde oder Therapie-Empfehlungen anschließend mit dem DMP-Arzt abgestimmt werden, damit sie in die Planung der Behandlung einfließen.

Etwas anderes gilt bei Hausarzt-Programmen („Hausarztzentrierte Versorgung“, § 73b SGB V), denn dort ist die freie Arztwahl eingeschränkt. Man verpflichtet sich mit der Teilnahme, grundsätzlich immer zuerst den gewählten Hausarzt aufzusuchen. Termine bei Fachärzten sind meist nur mit Überweisung möglich. Das gesetzliche Recht auf eine Zweitmeinung besteht jedoch auch hier.

Arztwahl und Zweitmeinung

  1. Mitglieder von gesetzlichen Krankenkassen haben freie Arztwahl sowie Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung vor bestimmten planbaren Eingriffen.
  2. Die Teilnahme an einem DMP bringt keine Einschränkungen bei der Arztwahl.
  3. Wer sich freiwillig in ein Hausarztprogramm einschreibt, muss zunächst den gewählten Hausarzt aufsuchen, d. h. die freie Arztwahl ist hier vertraglich eingeschränkt.

von Rechtsanwalt Oliver Ebert

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Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (8/9) Seite 50-51

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