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Menschen mit chronischen Krankheiten wie Diabetes haben meist erhebliche Probleme, eine Risikoversicherung abzuschließen. Vor allem eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder Lebensversicherung sind oft nur schwer bzw. nur zu wenig attraktiven Konditionen zu bekommen. Und wer beim Versicherungsantrag Fehler macht, bekommt im Ernstfall möglicherweise kein Geld.
Für viele Menschen mit Diabetes ist es inzwischen schwierig geworden, eine Risikoversicherung (Lebensversicherung, private Krankenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Dread-Disease-Versicherung) zu erhalten. Allerdings ist es nicht unmöglich, es kommt immer auf den Einzelfall an.
Das Problem ist die Gesundheitsprüfung, die vor Versicherungsabschluss erfolgt. Dort muss man vollständige und umfassende Angaben über alle Erkrankungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen machen. Auch die Diabetes-Erkrankung muss dort angegeben werden. Macht man unwahre oder unvollständige Angaben, kann die Versicherung den Vertrag wegen Täuschung anfechten und braucht im Leistungsfall nicht zu bezahlen!
So beispielsweise das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe (Urteil vom 05.02.2013 – 12 U 140/12): “Das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen rechtfertigt grundsätzlich die Annahme einer Täuschung. Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände, auch Untersuchungen, stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war und das Schweigen daher auf Arglist schließen lässt. […]”
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass es keine Rolle spielt, ob die nicht angegebene Krankheit mit dem Grund der Berufsunfähigkeit überhaupt etwas zu tun hat: Die Versicherung musste die Berufsunfähigkeitsrente aufgrund einer psychischen Erkrankung daher nicht zahlen, weil die Betroffene beim Versicherungsabschluss die Angabe versäumt hatte, dass sie wegen Rückenschmerzen in Behandlung war (BGH, Urteil vom 28.10.2009, Az. IV ZR 140/08). Aber kann man sich wirklich immer noch daran erinnern? Um sicherzugehen, dass man nichts vergisst, sollte man daher vorab bei seiner Krankenkasse bzw. Krankenversicherung eine Selbstauskunft einholen.
Wichtig: Prüfen Sie die Selbstauskunft genau, ob die dort enthaltenen Daten auch wirklich stimmen! Denn manchmal sind bei der Krankenkasse auch falsche Daten gespeichert, beispielsweise aufgrund von Eingabefehlern. Auch kommt es manchmal vor, dass Ärzte – aus welchen Gründen auch immer – Behandlungsleistungen mit der Krankenkasse abrechnen, die nie erbracht wurden. In einem etwaigen Streit mit der Versicherung müssten Sie dann beweisen, dass Sie die bei der Krankenkasse dokumentierte Behandlung nicht arglistig verschwiegen haben, sondern diese gar nicht stattgefunden hat. Dies könnte – vor allem mit zeitlichem Abstand – sehr schwierig werden.
Die Versicherung entscheidet dann je nach individueller Risikoabschätzung, ob sich der Abschluss eines Vertrags für das Unternehmen “lohnt”. Bei Menschen mit Diabetes – zumal mit bereits vorhandenen Folgeerkrankungen – führt diese Risikobewertung oft dazu, dass das Versicherungsrisiko als zu hoch eingeschätzt wird und daher kein Versicherungsvertrag angeboten wird. Ansonsten müssen immer Risikozuschläge, also ein erhöhter Beitrag, einkalkuliert werden. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass dasselbe Unternehmen mit dem einen Menschen mit Diabetes einen Vertrag abschließt, während einem anderen keine Versicherungsmöglichkeit angeboten wird. Es gibt auch keine gesetzliche Verpflichtung für die Unternehmen, einen Vertrag anzubieten bzw. abzuschließen. Diese können in jedem Einzelfall selbst entscheiden.
Im Fall einer Ablehnung könnte eine Dread-Disease-Versicherung eine Alternative sein. Damit können zumindest einzelne schwere Risiken abgesichert werden. Eine solche Absicherung für den Fall einer Querschnittslähmung oder Lähmung wäre möglicherweise erreichbar, da die Diabetes-Erkrankung hierfür das Risiko nicht erhöht.
Allerdings sollte man hier nicht zu viel erwarten: Wenn man aufgrund der Diabetes-Erkrankung nicht einmal einen Berufsunfähigkeitsschutz erhält, dürften deren konkrete Risiken wie Erblindung, Herzinfarkt, Schlaganfall usw. meist ebenfalls nicht versicherbar sein. Man sollte die Versicherungsbedingungen daher sehr genau prüfen.
Neben den Gesundheitsfragen muss man beim Stellen des Antrags auch oft angeben, ob man bereits von einem anderen Unternehmen abgelehnt wurde bzw. dort einen Antrag gestellt hat. Da man auch diese Frage wahrheitsgemäß beantworten muss, führt dies zu folgendem Problem: Wer bereits von einem Versicherer abgelehnt wurde, den wird auch ein anderes Unternehmen kaum versichern wollen. Auch wenn keine solche Frage gestellt wird: Bei einer Ablehnung eines Antrags erfolgt in der Regel eine Meldung an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) der deutschen Versicherungswirtschaft (HIS-Wagnisdatei). Wer dann einen Antrag bei einer anderen Versicherung stellt, wird womöglich gleich abgelehnt.
Man sollte sich für das Stellen des Antrags daher unbedingt einen unabhängigen Versicherungsmakler suchen, der kompetent berät und nach Angeboten sucht. Dieser kann auch eine anonyme Anfrage bei verschiedenen Anbietern stellen, sodass die Chancen eingeschätzt werden können, ohne dass Daten in die Wagnisdatei gelangen. Anschließend sollte man zeitgleich Anträge bei allen in Frage kommenden Versicherungen stellen – sodass man wahrheitsgemäß in jedem Antrag angeben kann, zuvor von keiner anderen Versicherung abgelehnt worden zu sein und in der Vergangenheit auch keinen anderen Antrag gestellt hat.
Seit einiger Zeit werden spezielle Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherungen für Menschen mit Diabetes angeboten, manche Anbieter werben auch mit einem schnellen Online-Abschluss per Internet. Allerdings gilt das meist nur für Menschen, die jung sind und neben dem Diabetes keine nennenswerten Krankheiten haben. Diese Personen dürften aber auch bei anderen Versicherungen einen vergleichbaren Vertrag angeboten bekommen.
Wer älter ist als 50 Jahre oder bereits Folgeerkrankungen hat, wird – trotz der vollmundigen Werbeversprechen – in der Regel dort ebenfalls keine vernünftige Absicherung erhalten. Auch hier gilt, zunächst nur eine anonyme Anfrage bzw. einen Probeantrag zu stellen.
Leider sind nicht alle Versicherungsmakler seriös. Ein “Trick” ist beispielsweise, dass der Makler zunächst vorgibt, sich um eine Berufsunfähigkeits- oder Lebensversicherung zu bemühen, obwohl ihm klar ist, dass sich für den Betroffenen keine solche Versicherung finden lässt. Als vermeintliche “Rettung” wird dann gern eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung aus dem Hut gezogen. Viele Betroffene sind dann froh, dass es überhaupt eine Versicherung für sie gibt – und vergessen, nachzurechnen, ob sich der angebotene Tarif wirklich lohnt bzw. der Abschluss einer solchen Versicherung überhaupt sinnvoll ist.
Natürlich kann eine Absicherung gegen Erwerbsunfähigkeit sinnvoll sein – allerdings muss man dazu wissen, dass eine solche Versicherung grundsätzlich nur bezahlen muss, wenn man “wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit” außerstande ist, “unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein”. Denn erst dann liegt nach der gesetzlichen Definition (§ 43 II SGB VI) – die in der Regel auch für private Versicherungen gilt – eine Erwerbsunfähigkeit vor. Wer noch bis zu sechs Stunden arbeiten kann, gilt als teilweise erwerbsunfähig und kann – je nach Versicherung – allenfalls eine Teilrente erhalten. Daraus folgt: Wer noch sechs Stunden wenigstens einfachste Tätigkeiten ausüben kann, bekommt in der Regel keine Leistungen aus einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung.
Wichtig: Es kommt nicht darauf an, ob man seinen Beruf noch ausüben kann, sondern ob man überhaupt noch arbeitsfähig ist bzw. wenigstens leichte Hilfsarbeiten ausführen kann.
Vor diesem Hintergrund sollte man den angebotenen Tarif genau durchrechnen und prüfen, ob die Versicherung unter diesen Umständen wirklich etwas bringt. Geringe monatliche Prämien bedeuten in der Regel nämlich auch eine relativ geringe Rentenleistung, wenn es tatsächlich zur Erwerbsunfähigkeit kommt.
Was man auch beachten sollte: Im schlechtesten Fall hat man gar nichts von seiner Versicherung, sondern spart nur dem Staat einiges an Geld! Denn wer bedürftig ist und staatliche Leistungen erhält, muss sich die von der Versicherung bezahlte Rente womöglich ganz oder teilweise anrechnen lassen.
Immer mehr Versicherungen fragen inzwischen auch danach, ob eine (Schwer-)Behinderung festgestellt ist oder dies in der Vergangenheit beantragt wurde. Auch diese Frage muss wahrheitsgemäß beantwortet werden. Wenn Eltern also für ihr Kind einen Schwerbehindertenausweis beantragt hatten, hilft es hier gar nichts, wenn dieser mit Erreichen des 16. Lebensjahrs womöglich aus taktischen Gründen nicht mehr verlängert wurde – angeben muss man das trotzdem.
Die meisten privaten Krankenversicherungen bieten zumindest für Beamte inzwischen eine Aufnahmegarantie, selbst wenn Vorerkrankungen vorliegen. Der Risikozuschlag soll dabei höchstens 30 Prozent betragen. Allerdings bleibt diese Möglichkeit meist nur dann, wenn man innerhalb von sechs Monaten nach der Verbeamtung einen entsprechenden Antrag stellt.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (11) Seite 20-22
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