- Soziales und Recht
Vom Friedhof in die Forschung
3 Minuten

Evidenzbasierte Leitlinien brauchen wissenschaftliche Daten als Quellen. Oft sind das randomisierte, kontrollierte klinische Studien, der Gold-Standard unter den Studien. Ebenfalls wertvoll und bei manchen Fragestellungen der einzige Weg zu validen Informationen sind Register und Versorgungs-Daten. Doch die bürokratischen Hürden zur Nutzung sind hoch, wie jetzt die AWMF beklagte.
Eine medizinische Leitlinie ist im Idealfall die Krönung der evidenzbasierten Medizin. Diagnostisches und therapeutisches Handeln soll sich danach auf wissenschaftliche Belege stützen und nicht nur auf plausibel klingende Theorien oder die Meinung von Experten. In Deutschland liegt das Erstellen von Leitlinien in den Händen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften, was laut Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), im internationalen Vergleich durchaus eine Besonderheit ist. Oft werden sie zum Beispiel in Frankreich oder auch den USA von staatlichen Stellen verfasst.
Eine Folge davon könne eine sinkende Akzeptanz der Leitlinien bei den Behandlern sein, warnte Prof. Josef Hecken auf einer Pressekonferenz der AWMF Ende April. Als „Staatsmedizin“ würden solche Papiere mit einer Versorgung assoziiert, die sich auch an politischen Zwängen orientiert, gab der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu bedenken.
Erstellen von Leitlinien kostet Geld
Hecken verwies aber auch auf ein Problem des deutschen Konstrukts: „Wenn Sie die Verantwortung haben, aber kein Geld, haben Sie ein Problem!“, die Fachgesellschaften werden für die Erstellung der Leitlinien nämlich nicht bezahlt. Problematisch sei dies insbesondere für kleinere Fachgesellschaften und bei speziellen, komplexeren Patienten-Gruppen. Er habe sich daher vor dreieinhalb Jahren dafür eingesetzt, dass aus dem vom G-BA verwalteten Innovationsfonds zur Förderung von neuen Versorgungs-Formen und Versorgungs-Forschung jährlich mindestens fünf Millionen Euro für das Erstellen von evidenzbasierten Leitlinien in Bereichen eingesetzt werden, die einen solchen Bedarf haben. „Die jährlich mit am besten angelegten fünf Millionen Euro“ des Fonds, lobte Hecken.
Zunehmend Forschungs-Hürden
Die Basis für Leitlinien bilden medizinische Forschung und deren Erkenntnisse. „Doch die Gesetzgebung hat in den vergangenen Jahren zunehmend Hürden für die klinische Forschung aufgebaut, was am Beispiel der Digitalisierung besonders deutlich wird“, kritisierte Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, stellvertretender Präsident der AWMF. Weil Gesundheits-Daten bereits heute digital erfasst werden, entstehen in den Registern der Krankenkassen große Mengen an medizinischen Informationen. Sie können dazu beitragen, Kenntnisse über die medizinische Versorgungs-Realität zu gewinnen: Mithilfe dieser Routine-Daten lässt sich beispielsweise der unmittelbare Nutzen bestimmter Behandlungen erforschen. Derzeit stünden diese Daten aber nicht für die Forschung zur Verfügung.
Auch bei der Nutzung von Register-Daten gebe es bürokratische Hürden. „Wir haben einen großen Datenschatz, der sehr gut gehütet wird“, veranschaulichte er – und das prinzipiell aus gutem Grund, Stichwort Datenschutz. „Es besteht die Gefahr, dass hier riesige Daten-Friedhöfe entstehen, deren großes Potenzial für die Gesundheits-Forschung ungenutzt bleibt“, warnte Schliephake vor den Folgen eines überambitionierten Schutzes. Die AWMF fordert die Politik deshalb auf, die Nutzung von Gesundheits-Daten für die Forschung klar zu regeln und den Zugang zu diesen Daten zu erleichtern.
Neues Zentrum für Forschung
Ein Beispiel für diesen Datenschatz sind die Abrechnungs-Daten aller 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland. Die standen bisher schon nach den Vorgaben der Datentransparenz-Verordnung zur Verfügung, doch die Daten seien zu alt und zu schwer zugänglich gewesen, gestand Prof. Dr. Karl Broich auf der Veranstaltung zu. Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) berichtete, dass mit dem Forschungsdatenzentrum (FDZ) jetzt ein für Forscher nutzerfreundliches Frontend für diese Daten entwickelt wird. Zurzeit können leider noch keine Anträge zur Daten-Nutzung gestellt werden, da aktuell die rechtlichen, technischen, personellen und organisatorischen Maßnahmen des neuen FDZ definiert und implementiert werden, wie es beim BfArM heißt. Es habe einige Verzögerungen gegeben, so Broich, im Verlauf des Sommers solle das Portal aber an den Start gehen.

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (6) Seite 46-47
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gingergirl postete ein Update vor 16 Stunden, 3 Minuten
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus -
hexle postete ein Update vor 1 Tag, 19 Stunden
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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