Warten auf das grüne Licht

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Warten auf das grüne Licht

Im Sport nennt man es ein Heimspiel, wenn man vor einem Publikum antritt, das einem wohlgewogen ist und einen Sieg der eigenen Sache herbeisehnt. Genau so ein Heimspiel hatte Bundesernährungsminister Cem Özdemir Anfang Novemberauf der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Der Grünen-Politiker sprach auf dem Symposium "Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung: Wird Deutschland vom Schlusslicht zum Vorreiter?" und warb um Unterstützung für seinen Gesetz-Entwurf für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung. Zum Teil erntete er dafür Szenenapplaus und zum Schluss lang anhaltenden Beifall – der Saal im Leipziger Kongresszentrum war voll auf Özdemirs Seite und zeigte sich begeistert. Heimspiel gewonnen?

Auch wenn Özdemir das Symposium vielleicht mit einem guten Gefühl wie nach einem Sieg verließ – der eigentliche Kampf um die an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung findet auf einem anderen Spielfeld statt. Und er ist überhaupt noch nicht entschieden. Den Befürwortern der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), die das Symposium in Leipzig veranstaltete, stehen Kritiker aus den Reihen der betroffenen Unternehmen gegenüber, der scheidende politische Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) Oliver Huizinga nannte auf der Veranstaltung die Verbände von Lebensmittelindustrie und -handel, Werbewirtschaft und privaten Medien. Wichtiger noch: Auch in der Ampel-Koalition gibt es nach wie vor zwei Seiten, wie Özdemir berichtete. "Die Partei, der ich angehöre, will, dass da etwas passiert. Dann gibt es eine andere Partei, die FDP, die sagt: ‚Das sehen wir alles ein bisschen kritisch.‘" Launig gab er auch einen Einblick in die Gründe des bisherigen Unentschiedens in der Frage der Werbe-Einschränkungen: "Da ist doch noch eine dritte Partei, ich komme gerade nicht auf den Namen, sie stellt glaube ich sogar den Kanzler. Wie wäre es denn, wenn man die mal fragt: ‚Was ist denn eure Meinung dazu?‘ Und würdet ihr die mal äußern? Ihr könntet zur Abwechslung doch mal sagen: ‚Das steht auch in unserem Parteiprogramm drin. Wir haben das mit ausverhandelt in der Koalitionsvereinbarung.‘ "Özdemir wünschte auf dem Symposium ausdrücklich, dass sich die SPD an seine Seite stellt und das Gesetzesvorhaben gemeinsam durchkämpft. "Dann hätte ich eine ganz andere Verhandlungsmacht, dann wären wir einen großen Schritt weiter", erklärte er.

Aktueller Stand des Gesetzesvorhabens sei, dass der Entwurf seines Ministeriums noch in der Ressort-Abstimmung innerhalb der Bundesregierungsteckt. "Manch einem dauert es zu lang. Dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft dauert es auch zu lang", gestand Özdemir und forderte, schnell mit einem Ressort-abgestimmten Entwurf in die Länder- und Verbändeanhörung und ins parlamentarische Verfahren zu kommen.

Der ursprüngliche Entwurf des Bundesernährungsministeriums für gesetzliche Werbe-Einschränkungen aus dem Februar 2023 war unter anderem von DANK sehr gelobt worden. "Ich habe mich bereits bewegt", erinnerte Özdemir an im Juli bekannt gewordene Änderungen an diesem Entwurf, zum Beispiel, was die Zeiten angeht, in denen Werbe-Einschränkungen gelten sollen. "Wir erwarten jetzt allerdings auch, dass sich andere bewegen", forderte der Minister. Klar sei aber, dass man in der jetzigen Regierungskonstellation ohne Kompromisse nicht zu einem Ergebnis komme. "Da will ich Ihnen an der Stelle auch nichts Falsches vormachen, das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Aber Kompromiss bedeutet auch nicht, dass man faktenfrei alles in einen Topf werfen kann", übte er Kritik am Stil, in dem die Diskussion mitunter geführt wird.

Weil das ernste Spiel um die Kindergesundheit also noch offen ist, warb der Minister auch klar um die anhaltende Unterstützung der im Raum anwesenden Akteure im Gesundheitswesen: "Bringen Sie sich bitte weiterhin mit Ihrem geballten Wissen, mit Ihrer großen Glaubwürdigkeit in die Debatte ein!"

Ein von Kritikern oft vorgebrachtes Argument gegen Beschränkungen für an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel ist, dass wissenschaftliche Beweise für die Wirkung solcher Beschränkungen fehlen würden. Dieser Behauptung trat auf der Veranstaltung in Leipzig Prof. Dr. Emma Boyland mit einer beeindruckenden Reihe an Studienentgegen. Die Forscherin aus Liverpool war an maßgebenden Arbeiten zu dem Thema selbst beteiligt. Differenziert zeigte sie, dass die kindgerechte Werbung den Verzehr von Süßigkeiten und Snacks steigere und die Auswahl von Lebensmitteln beeinflusse. Die übertrieben üppigen Darstellungen auf Verpackungen steigerten auch die Größe der aufgefüllten Portionen. Und es gebe umfangreiche Daten zu den Auswirkungen von Werbe-Beschränkungen, die zum Beispiel zeigen würden, dass verpflichtende Einschränkungen viel wahrscheinlicher einen positiven Effekt haben als freiwillige. Und dass die Werbe-Erlöse insgesamt durch solche Maßnahmen gar nicht, wie oft gefürchtet, sinken würden, sondern sich nur verlagerten, "so, wie wenn man einen Luftballon eindrückt", veranschaulichte Boyland.

Der Minister machte in Leipzig ganz klar, dass Werbe-Beschränkungen kein Wundermittel sind. "Wir sind uns sicher einig: Ein Gesetz alleine macht noch keine gesunde Ernährung. Es ist aber ein wichtiger Baustein von einer Vielzahl von Maßnahmen, die wir als Gesellschaft angehen müssen." Er nannte als Beispiele Schulsport, der wirklich stattfindet, gutes warmes Essen in Kita und Schule ("das darf in der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht am Geld scheitern") und zeitgemäße Bildungsangebote, wie gutes, gesundes und nachhaltiges Essen aussieht.

Özdemirs Appell an die Diabetologie war klar: "Lassen Sie uns gerne gemeinsam hart an dem Thema arbeiten, im Wissen darum, dass es kein Sprint ist, sondern wohl eher ein Marathon."


Marcus Sefrin

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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