Eine Hochzeit zu viert

4 Minuten

Community-Beitrag
Eine Hochzeit zu viert

Janis und ich sind nicht nur seit fast fünf Jahren ein Paar, sondern mittlerweile auch ein Jahr verheiratet.
Unsere Hochzeit war wunderschön und doch stellenweise ziemlich herausfordernd – denn: Auch der Diabetes war natürlich mit von der Partie.

Der große Tag

Ich bin ein Mensch, der einen ziemlich nervösen Magen hat. Schon am Morgen unserer Hochzeit war mir speiübel. Ich würgte trotzdem ein halbes Brötchen hinunter, denn es war klar: So schnell würde ich nicht wieder etwas zwischen die Zähne bekommen. Meine Angst vor einer Unterzuckerung während der Trauung war riesig!

Das Hochzeitskleid

Mein Hochzeitskleid war ein Traum aus Tüll mit einer ziemlich engen und festen Korsage, die keinerlei Platz für irgendetwas „drunter“ ließ – also weder BH noch Korsage oder gar ein Pumpenband.
Ich hatte zuvor wirklich lange darüber nachgedacht, wie ich die Insulinpumpe an unserem großen Tag am besten verstauen könnte. Die Überlegung, meine Pumpe für den Tag abzulegen, verwarf ich relativ schnell wieder. Es war mir deutlich wichtiger, durch den Sensor vor Unterzuckerungen etwas geschützt zu werden und den Diabetes ein bisschen mehr „nebenher“ laufen lassen zu können.

Quelle: Carolin Sandt

Viele Bräute mit Diabetes lassen sich eine Tasche in ihren Rock einnähen. Aufgrund des weichen Tülls war das bei meinem Kleid leider keine Option – die Pumpe hätte den Stoff permanent verzogen.
Ich probierte auch spezielle Unterhosen mit Pumpentasche aus. Erstens fand ich das leider schrecklich unbequem und zweitens stellte es sich als schlichtweg unpraktikabel heraus. Einen schweren, 6-lagigen bodenlangen Rock bis über die Hüfte hochzuraffen, um auf die Pumpe schauen zu können, sieht nicht nur ulkig aus, sondern ist auch quasi unmöglich zu bewerkstelligen.

Wohin mit der Insulinpumpe?

Letztendlich war die Lösung so einfach wie praktikabel: Ich steckte die Insulinpumpe mit dem Clip nach außen schlichtweg in den (extrabreiten) Gummibund meiner halterlosen Strümpfe. Zur Sicherheit, um den Strumpf zusätzlich vom Rutschen abzuhalten, trug ich einen Strapshalter unter meinem Kleid.
Dieses Konstrukt saß die ganzen 20 Stunden der Hochzeit(sfeier) bombenfest und ließ sich dennoch relativ gut bedienen.
Mein Mann trug seine Pumpe elegant im Rücken. Dort verschwand sie einfach im Kummerbund.

Einige werden sich jetzt vielleicht fragen, wieso wir so viel Wert darauf legten, die Pumpen nicht offen zu tragen. Denn auch unsere Sensoren saßen an diesem Tag nicht offen am Arm, sondern unsichtbar am Bein.
Ganz einfach: An diesem Tag sollte es nur um uns und unsere Liebe zueinander gehen. An diesem Tag hatte der Diabetes einfach mal keinen Platz in unserem Leben!

Ein unerfüllbarer Wunsch

Zum ersten Mal seit der Diagnose machte mich der Diabetes traurig, wütend und irgendwie auch machtlos. Ich hätte unsere Hochzeit so gern wie jedes andere Paar ohne Sorgen und ohne besondere Beachtung dieser blöden Krankheit gefeiert. Unbeschwert eben.

Naja – was soll das Gejammer. Wir konnten es ja ohnehin nicht ändern.

Leider lief der Tag dann bei mir diabetestechnisch auch so überhaupt nicht rund. Dank der Aufregung und des (positiven) Stresses konnte ich kaum etwas essen. Mir war permanent ein bisschen schlecht und ich fürchtete mich wahnsinnig vor einer Hypoglykämie. Zu dieser Zeit hatte ich besonders große Hypoängste! Nach wenigen Bissen musste ich unser eigentlich wirklich sehr leckeres Essen beiseiteschieben. Da wir ja auch lange auf den Beinen waren, hatte ich vorsorglich die Basalrate ein bisschen reduziert und spritzte für die winzige Kartoffelspalte und das Stückchen Möhre, das ich gegessen hatte, lieber gar nicht. Auch für das Glas Rotwein und den Aperitif ließ ich mein Insulin weg. Ich war schließlich permanent auf Achse und wollte auch ordentlich tanzen!

Der Diabetes mischt sich ein

Das stellte sich im Laufe des Abends dann leider als schwerer Fehler heraus. Kurz vor Mitternacht wurde mir wahnsinnig schlecht und ich hatte das Gefühl, schwer Luft zu bekommen. Ein Blick auf die Insulinpumpe zeigte mir dann auch den Grund: Mein Blutzucker war klammheimlich auf über 400 mg/dl (22,2 mmol/l) geklettert.

Janis nahm mich am Arm, drückte mir ein großes Glas Wasser in die Hand und schleuste uns erst einmal von der Hochzeitsgesellschaft weg. Ab nach draußen an die frische Luft und schnell mit dem Pen korrigiert.
Mein Magen beruhigte sich ziemlich schnell und Janis und ich hatten endlich auch mal kurz die Gelegenheit, innezuhalten. So hatte selbst dieser Ausrutscher etwas Gutes – denn mein frisch vermählter Mann und ich hatten einen kleinen privaten Moment nur für uns, der im Trubel der Feier einfach richtig guttat.

Die Hochzeitstorte und die „saublöde Mistkrankheit“

Anschließend waren wir sowas von bereit für den Anschnitt der Hochzeitstorte, die meine Mutter liebevoll und wahnsinnig professionell selbst gebacken hatte. Innerlich triumphierte ich ein bisschen. „Das hast du es, du saublöde Mistkrankheit! Wir sind glücklich und zufrieden – trotz dir!“

Quelle: Carolin Sandt

Ich tanzte den letzten Rest des hohen Blutzuckers einfach weg und beschloss endgültig, mir diesen Tag durch absolut nichts verderben zu lassen.

Morgens um 4 Uhr fielen wir dann todmüde, erschöpft, aber glücklich ins Bett. Wir wollten einfach nur noch schlafen. Natürlich mischte sich auch hier der Diabetes ein – als ich mich glücklich in meine Decke einkuschelte, riss ich mir mit Wumms den Katheter aus dem Bein. Na klasse!

Die Hochzeitsnacht

Genervt knipste ich das Licht wieder an und sah erst jetzt das volle Ausmaß: Das weiße Bettlaken hatte sich bereits richtig schön mit Blut vollgesaugt.
Während die Sonne  sich langsam am Himmel zeigte, erledigten wir unsere erste Haushaltspflicht als Mann und Frau.
Was soll man sagen. Der Diabetes ist eben immer für eine Überraschung gut. Sogar für eine Hochzeitsnacht der etwas anderen Art 😉


Heiraten mit Diabetes: Traumkleid, Traumtag, Traumzucker! – so lief die Hochzeit von #BSLounge-Autorin Antje!

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

100 Jahre Insulin: ein Grund zu feiern

Mirjam war am 24. Juli 2021 zu Gast bei dem Festakt zum Feiern von „100 Jahre Insulin“ in Berlin. Für die #BSLounge hat sie eine Zusammenfassung der Veranstaltung erstellt.

3 Minuten

Community-Beitrag

Wie viel Positives hat der Diabetes in unser Leben gebracht? (Podcast)

Diabetes ist blöd, gar keine Frage. Der Alltag wäre schöner und weniger beschwert ohne ihn. Und trotzdem hat er das Leben von Antje (Typ-1-Diabetes seit 2010) und ihrem Mann Christoph (Typ-F-Diabetes) um eine Menge toller Begegnungen, Erkenntnisse, Erfahrungen und Impulse bereichert. In ihrer neuen Episode unterhalten sich die beiden über schöne Dinge, die sie allein Antjes Diabetes zu verdanken haben.

< 1 minute

Community-Beitrag

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

Verbände