- Technik
Ich bin “geflasht”!
3 Minuten
Wow, nach fast 30 Jahren Typ-1-Diabetes nun plötzlich einen Alltag ganz ohne Blutzuckermessen: Das soll möglich sein? O.k., die, die mich länger kennen, wissen, dass ich seit 2008 Dauerträgerin eines Systems zum kontinuierlichen Glukosemessen (CGM) bin, aber das soll hier kein Thema sein – denn Flash Glukose Monitoring (FGM), also das Gerät, das mich gerade "flasht", hat nichts mit CGM zu tun, außer, dass ein Sensor im Unterhautfettgewebe liegt, aber damit hören dann die Gemeinsamkeiten auch fast auf: FGM soll ein Ersatz für das umständliche Blutzuckermessen sein.
Sensor kaum bemerkt
Als es Anfang September ernst wurde, war ich sehr gespannt, was mich erwartet. Gemeinsam mit einer nichtdiabetischen Kollegin wurden wir von zwei Abbott-Mitarbeitern geschult und bekamen das FGM-System angelegt, FreeStyle Libre heißt es. Das Setzen war einfach, der Sensor so kurz und fein, dass ich ihn gar nicht gemerkt habe, und der Sender ist so flach und klein, dass man ihn schon Sekunden nach dem Legen vergessen hat.
Eine Stunde mussten wir warten, dann konnten wir das Lesegerät über den Sensor halten, quasi scannen, und schwups, der erste Glukosewert erschien im Display. Da der Sensor den Glukosewert im Unterhautfettgewebe misst, ist dieser nicht identisch mit dem Blutzuckerwert.
Zuverlässige Werte
Am ersten Tag waren die angezeigten Werte in unserem Fall sehr niedrig. Deshalb würde ich jedem Flash-Träger empfehlen, am ersten Tag wie bisher die Blutzuckerwerte zu messen und das Gerät erst einmal kennenzulernen. Nach 24 Stunden hatte ich das Gefühl, dass sich das System "gefunden" hatte, die Werte waren und sind zuverlässig. Ich habe auch mit Messwerten aus dem Labor verglichen: Labor 125 mg/dl, FreeStyle Libre 126 mg/dl.
Aber der Kleine kann noch mehr: Er misst nicht nur den Gewebszucker, er hat auch einen Bolusrechner integriert, der allerdings nur mit einer Blutzuckermessung funktioniert, integriert im Gerät, und er misst auch Blutketone.
Vorteil: Trendanzeigen
Der wirkliche Vorteil liegt aber nicht in den genauen Messwerten, sondern in den Trendanzeigen: Ich sehe nicht nur die aktuelle Höhe meines Werts, sondern auch die Richtung, in die sich mein Glukoseniveau gerade entwickelt. Bei einem Wert von 132 mg/dl sehe ich zum Beispiel einen Pfeil schräg nach oben, der Zucker steigt also leicht an (1 – 2 mg/dl in der Minute). Das sagt mir, dass ich mich getrost auf mein Fahrrad setzen und nach Hause radeln kann, was ich bei 132 mg/dl und einem Pfeil senkrecht fallend (mehr als 2 mg/dl in der Minute) nicht tun sollte.
Viele Daten auswerten
Für Freunde der Statistik hat das System auch einiges zu bieten: Man kann sich seine Glukosemittelwerte zu den jeweiligen Tageszeiten, ein Tagebuch, den Tagesverlauf, lückenlos über 24 Stunden – wenn man mindestens alle 8 Stunden einmal scannt –, die Werte im Zielbereich, Tagesmuster, Anzahl der Hypoglykämien etc. im Display anzeigen lassen. Wenn man die Daten aus dem Gerät mit der zugehörigen Software in einen Computer (oder Mac) ausliest, sind die Möglichkeiten noch vielfältiger: Die Daten werden mit dem Ambulanten-Glukose-Profil-Report, kurz AGP-Report, gleich ordentlich aufbereitet.
Praxistest bestanden
Zurück zu meinem Praxistest. Ich habe das System Härtetests unterzogen: eine lange Strecke laufen, sehr schnelles, schweißtreibendes Spinning, Fußball spielen mit durchaus heftigem Körperkontakt. Das System hat gehalten, sogar ohne zusätzliche Fixierung. Damit hätte ich nicht gerechnet … Scannen kann man das Gerät problemlos durch jede Kleidung, auch durch eine dickere Jacke hindurch. Dadurch ist es extrem unauffällig und auch bei längeren Autofahrten gut nutzbar.
Begeisterung, Rührung …
Aber was mich am meisten beeindruckt hat, waren die Reaktionen der Patienten, die ich in den folgenden Tagen zur Diabetesschulung hatte. Bei einer musste ich mich fast körperlich zur Wehr setzen, damit sie es mir nicht vom Arm reißt, eine andere war vor Begeisterung, Rührung, Erleichterung, Freude über diese neue Lebensqualität, die sie damit erfahren darf, so ergriffen, dass sie 15 Minuten geweint hat. Alle wollten sich sofort auf der Seite registrieren lassen, um das System, sobald es verfügbar ist, ausprobieren zu können.
Selbst eine eher technikkritische Diabetologin, bei der ich einige Tage später geschult habe, war so angetan von dieser komplett neuen Möglichkeit, dass sie darüber sofort einen Vortrag für ihren Qualitätszirkel von Hausärzten haben wollte. Die Reaktionen der Diabetiker waren bewegend. Hier ein paar Kommentare: "Wow, gestern wollte ich mir unbedingt das neue IPhone 6 kaufen, bin ein totaler Apple-Freak und brauche da immer das neuste Gerät, aber wenn ich das sehe, vergiss das IPhone 6, ich will Flash kaufen."
Ein junges Paar, finanziell nicht gerade als wohlhabend zu bezeichnen, er seit vielen Jahren Typ-1-Diabetiker, kam in die Sprechstunde; nachdem sie das FGM gesehen hatten, meinte sie sofort: "Weißt du was, wir tun beide was für unsere Gesundheit: Ich höre auf zu rauchen und von dem Geld kaufen wir dann deine Flash-Sensoren!" Das nenne ich wahre Liebe!
Natürlich braucht es für dieses System eine gute Schulung, einen reflektierten Umgang mit der Diabetestherapie, aber der Gewinn an Lebensqualität ist sensationell. Deshalb mein Tipp: Ausprobieren.
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche, 2 Tagen
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 3 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike