Wenn der Typ-1-Diabetiker mit der Typ-2-Diabetikerin…

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Wenn der Typ-1-Diabetiker mit der Typ-2-Diabetikerin…

OK, mir ist schon länger klar, dass Diabetes Typ 2 keine besonders sexy Erkrankung ist. Als Typ-2-Diabetikerin erlebe ich nämlich immer wieder Merkwürdigkeiten im Umgang mit Menschen, die sich mit der Krankheit nie befasst haben, aber trotzdem ihre ganz eigene Meinung über Diabetiker in die Welt blöken. Geschenkt, die wissen es nicht besser und da hake ich das als lautstarke und unsensible Trumperei ab.

Typ 1 Diabetes, Typ 2 Diabetes

Typ-2 -Diabetes – kein echter Diabetes?

Aber als mir neulich ein Typ-1-Diabetiker unverblümt ins Gesicht gebrettert hat, dass ich mich doch bitte nicht so anstellen soll, ich würde schließlich nicht an „echtem“ Diabetes leiden, sondern nur an der „angefressenen“ Variante, da ist mir doch direkt kurz das Gesicht vor Schreck eingeschlafen. Und dieser verbale Faustschlag hinterließ Spuren in meiner diabetischen Gedankenwelt. Wie zur Hölle kommt der Mensch, von dem ich mir Solidarität und etwas Zuspruch erhofft hatte, eigentlich zu seiner persönlichen Haltung?

Gut, es gibt mehrere Arten von Diabetes, die jedoch identische oder sehr ähnlich gelagerte Symptome zeigen. Die gesunde Regulierung des Blutzuckers ist bei uns allen im Eimer. Wir spielen demnach am Ende alle in der gleichen Mannschaft. Also, warum der Höhenflug?

Die Diabetestypen sind durch Nummerierung unterscheidbar. Aber macht die Klassifizierung in Typ 1 vielleicht schon die Königsklasse der Diabeteserkrankung aus und Typ 2 ist dadurch nur die zweite Wahl? Bin ich etwa eine schiefe Diabetes-Gurke und wusste nicht mal was davon? In den elitären Club der Typ-1er darf dann natürlich kein Typ 2 eindringen, ja, selbst als Gesprächspartner wird man in der Regel nicht für voll genommen. Was will die eigentlich, die ist ja „nur“ Typ 2!

Ich weiß, Typ-1-Diabetiker sind von der Natur böse gestraft. Meist schon früh bricht die Krankheit der Typ-1er aus und als Autoimmunerkrankung ist da auch kein Kraut dagegen gewachsen. Brachial verändert das gesundheitliche Problem das Leben, ohne dem entrinnen zu können. Dazu keine Möglichkeit, der Diabeteserkrankung selbst ein Schnippchen zu schlagen, beschäftigt die unverschuldete Krankheit bis zum Ende des Daseins mit einer ganzen Reihe von Einschränkungen.

Typ-1-Diabetes ist nicht der Nabel der Diabetes-Welt

Kein Typ 2 will den Typ-1-Diabetikern diesen Status streitig machen. Aber hey, dieser Umstand macht euch trotzdem nicht zum Nabel der Diabetes-Welt, denn zahlenmäßig sind wir Typ-2er haushoch überlegen. Wenn das alles nicht schon doof genug wäre, hat Diabetes in der Gesellschaft ein total unsexy Image und alle Diabetiker, egal welchem Verein sie nun angehören, werden gerne pauschal in einen Topf geworfen.

„Diabetes, das sind doch die undisziplinierten faulen Dicken, die selbst dran schuld sind.“

Dieses Vorurteil begegnet mir leider auch gelegentlich, und sicher bekommen ebenfalls viele Typ-1er, deren Erkrankungsursache ja komplett anders gelagert ist, so ihr Fett ungerechtfertigterweise immer wieder weg. Aber ist das ein Grund, diese negative Energie an uns Typ-2-Diabetiker weiterzugeben? „Angefressene Variante“ hallt noch weiter in meinem Kopf. Bäääm!

Klar doch. „Ich armer Typ-1-Diabetiker habe ein schlechtes Image, nur, weil die Typ-2-Diabetiker so verfressen sind.“ Wollte er mir das damit sagen? Ich hätte ja gefragt, aber ich war nach der gefühlten Ohrfeige echt zu perplex, um angemessen zu reagieren. Hinterher fallen einem dann ja immer die schlauesten Antworten ein, aber in der Situation reichte es bei mir nur zu hektischer Schnappatmung.

Nein, liebe Typ-1-Diabetiker und alle, die meinen, man könnte Typ 2 einfach so über den Selbst-Schuld-Faktor abhandeln und diesen wie einen Knüppel über den Betroffenen tanzen lassen. Auch Typ 2 hat mehr Dimensionen, ist also viel komplexer als häufig gedacht. Denn oh Wunder, es gibt schlanke Typ-2er! Außerdem ist begünstigendes Übergewicht nicht für jeden so problemlos steuerbar, wie das in den Köpfen einiger superschlanker Menschen theoretisch möglich ist. Ich war früher richtig dick und kann mich noch gut an die Zeit erinnern, in der ich aus meinem Schutzpanzer aus Fett nicht herauskonnte. Niemandem ist geholfen, wenn er dann Vorwürfe erntet, die sogar noch schwerer wiegen, wenn sie aus den eigenen diabetischen Reihen kommen. Wir sind doch alle im Diabetes-Club und sollten gemeinsam für mehr gesellschaftliche Aufklärung und Akzeptanz sorgen.

Aber auch Typ-2er schießen gerne mal über das Ziel hinaus.

Jaaa, ich weiß, es gibt sie, die militanten Typ-2er, die permanent versuchen, die Typ-1er zu belehren und zu retten. Das nervt! Scheinbar gibt es nämlich auch da eine ganze Menge Kandidaten, die nicht verstanden haben, dass die Krankheitsursache bei Typ 1 eine andere ist, und die gut gemeinten Ratschläge eben nur teilweise Sinn machen. Ein Typ-1er hat aus eigener Kraft nicht die Möglichkeit, das auszurichten, was ein Typ 2 schaffen kann. Wo keine Insulinresistenz die Ursache ist, da bringt auch alles an Bemühungen nichts, diese umzukehren. Wenn die Langerhans’schen Inseln die Dienste in Folge der Autoimmunerkrankung eingestellt haben, dann ist der Ofen eben aus. Weniger Kohlenhydrate und mehr Bewegung helfen, den Blutzuckerspiegel im Lot zu halten, aber der Krankheit richtig in den Arsch zu treten, geht als Typ 2 doch wesentlich besser. Also bitte, liebe superdisziplinierte Typ-2er, terrorisiert keine Typ-1er mit ach so guten Ratschlägen, denn ab einem gewissen Punkt geht das tierisch auf die Nerven.

Typ 1 Diabetes, Typ 2 Diabetes

Wir können alle voneinander lernen und uns gegenseitig unterstützen. Aber mit unfairen Vorbehalten oder überzogenen Verhaltensanweisungen ist niemandem geholfen und wir machen uns das Diabetikerleben schwerer, als es ist. In diesem Sinne wünsche ich sämtlichen Diabetikern einen gut eingestellten Blutzucker und ein langes harmonisches Leben.

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