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Schritt für Schritt gehe ich die Serpentinen auf dem Schotterweg nach oben, bis ich auf einen schmalen Steig treffe. Auf ihm gehe ich weiter: teils über Baumwurzeln durch den Wald und nach der Baumgrenze über große Steine. Dabei wird der Weg immer steiler. 1000 Höhenmeter wollen wir zunächst auf- und später wieder absteigen. Mein Blutzucker bevorzugt während des Aufstiegs jedoch gleich den Abstieg. Doch ich finde Mittel und Wege, auch den Diabetes in meinem schweren Rucksack voller Broteinheiten mit nach oben zu schleppen. Hier meine Tipps für ein- und mehrtägige Wanderungen mit schweren Aufstiegen und bis zu acht Stunden Gehzeit:
Aufstiege von 1000 Höhenmetern und mehr kosten Kraft und Ausdauer. Um dafür vorher ausreichend Energie zu speichern, empfehle ich, unbedingt gut und kohlenhydratreich zu frühstücken. Die Broteinheiten des Frühstücks solltet ihr genau kennen, um nicht versehentlich zu viel Insulin dafür einzugeben und die Tour mit Unterzucker beginnen zu müssen. Ich persönlich frühstücke rund vier bis sechs Broteinheiten und gebe mir nur maximal vier Einheiten ein, um mit einem Wert von 180-200 mg/dl (10,0-11,1 mmol/l) die Tour zu starten. Welcher Startwert der beste ist und wie viele Broteinheiten zum Frühstück sinnvoll sind, muss allerdings jeder für sich selbst herausfinden.
Da ich schon mal für eine lange Wanderung bis zu 16 Broteinheiten zusätzlich einwerfen musste (und das bei einer teilweise ganz ausgeschalteten Insulinpumpe), empfehle ich, genügend Broteinheiten mitzunehmen. Zusätzlich ist eine Wanderung manchmal auch ein Abenteuer. Der Aufstieg kann länger dauern als gedacht, nicht immer gibt es eine Hütte in der Nähe und manchmal haben die Almen geschlossen. Zudem kann das Wetter in den Bergen schnell umschlagen und man muss gegebenenfalls länger bleiben als geplant. Genügend Broteinheiten und ausreichend Insulin sind daher sehr wichtig. Hier meine Packliste mit den wichtigsten Diabetes-Utensilien für eine Tagestour:
In der Gruppe oder zu zweit geht es sich leichter, denn man motiviert sich gegenseitig. Zusätzlich bietet eine Wandergruppe noch einen Vorteil: Ob bei einer Schürfwunde von einem Stein, bei einem umgeknickten Fuß oder einer Unterzuckerung – bei kleinen und großen Notfällen sind Menschen da, die helfen können.
Sobald ich die Berge vor mir sehe, möchte ich am liebsten motiviert losrennen. Wenn ich das machen würde, wäre ich nach nur einem Kilometer im Unterzucker. Daher ist es sinnvoller, ein langsames und gleichmäßiges Tempo zu wählen. Einem solchen Tempo kann ich meine Basalrate gut anpassen. In der Regel habe ich meine Basalrate um 50 Prozent reduziert. Aber auch das muss jeder für sich selbst herausfinden. Um nicht zu schnell zu laufen, hilft es, so viel es geht von der Natur wahrzunehmen, zu betrachten und zu bestaunen. Später lohnen sich auch kurze Pausen an aussichtsreichen Stellen der Wanderung.
Manchmal ist der Aufstieg anstrengender, als wir denken, manchmal weniger anstrengend, als er anfangs aussah. Die Landschaft beim Wandern ändert sich manchmal mit jedem Schritt und unsere Schritte passen sich ihr an. Je nachdem, wie steil und wie holprig der Weg ist, ändert sich unser Energiebedarf. Deshalb sollte man häufig messen, um keine Blutzuckerschwankung zu verpassen. Denn gerade an steilen Passagen und Gratwanderungen können Schwindelgefühle gefährlich sein. Bei stetigen Aufstiegen kann es helfen, regelmäßig ein paar Schlucke Apfelsaft zu trinken, um den Blutzucker nicht absinken zu lassen.
Ein kleines Beispiel: 400 Höhenmeter sind in wenigen Stunden geschafft, der erste Schweiß ist auf dem Rücken zu spüren und der erste Unterzucker hat sich schon angekündigt. Nun erstmal eine ausgiebige Pause machen und warten, bis der Wert genügend gestiegen ist, um die weiteren Höhenmeter zu absolvieren.
Eine lange Pause empfehle ich, unbedingt zu vermeiden. Denn wer geschwitzt ist und sitzen bleibt, der kühlt von der frischen Bergluft schnell aus. Anstatt lange zu pausieren, ist es besser, immer wieder kurze Stopps zu machen und Broteinheiten zu sich zu nehmen. So verhindert man, auszukühlen und aus dem Schrittrhythmus zu kommen.
Wer viel wandert, sollte nicht an Kohlenhydraten sparen. Schon gar nicht, wenn es draußen kühl ist und der Körper dadurch mehr Energie verbraucht. Vor allem Menschen, die zu den sogenannten Hunger-Ketoazidosen neigen (Ketoazidose bei normalen Blutzuckerwerten aufgrund von zu wenig Essen), sollten ihre Mahlzeiten nicht vergessen. Da habe ich schon aus so manchem Erlebnis gelernt. Mein Tipp: Ein kleines Picknick mit einem Käsebrot und einer Banane liefert schon mal vier Broteinheiten und kann relativ schnell bei einer kurzen Pause (oder auch zwei Pausen) zu sich genommen werden.
Der Aufstieg ist geschafft, das warme Mittagessen ist eingenommen und das Insulin dafür gespritzt. So weit, so gut, doch da war doch noch etwas: der Abstieg. Meistens benötigen wir für den Abstieg zwar deutlich weniger Energie als für den Aufstieg, doch unterschätzen sollten wir ihn deshalb nicht. In der Regel reduziere ich meine Basalrate dabei nur gering (um 30 bis 40 Prozent) und esse etwa eine BE zusätzlich. Auch hier gilt, dass der Blutzucker eines jeden Wanderers sich unterschiedlich verhält.
Wandern ist Sport und der kann seine Nachwirkungen haben. Um nächtliche Unterzuckerungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Blutzucker am Abend gut zu beobachten und gegebenenfalls sich mit einem etwas höheren Wert als sonst ins Bett zu legen. Auch wenn man bei Nächten im Mehrbettlager auf der Hütte niemanden wecken will: Der Blutzucker geht vor und sollte notfalls auch nachts gemessen werden.
Mit den vielen Broteinheiten und Diabetes-Utensilien im Rucksack mag eine Tages- oder Mehrtageswanderung im Gebirge zwar mehr Aufwand sein, doch dieser Aufwand wird mit einem unbeschreiblichen Freiheitsgefühl, einem Blick über Täler und Wolken und gemütlichen Aufenthalten in urigen Hütten belohnt. In diesem Sinne: Berg heil!
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