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Eine Hochzeit zu viert
4 Minuten
Janis und ich sind nicht nur seit fast fünf Jahren ein Paar, sondern mittlerweile auch ein Jahr verheiratet.
Unsere Hochzeit war wunderschön und doch stellenweise ziemlich herausfordernd – denn: Auch der Diabetes war natürlich mit von der Partie.
Der große Tag
Ich bin ein Mensch, der einen ziemlich nervösen Magen hat. Schon am Morgen unserer Hochzeit war mir speiübel. Ich würgte trotzdem ein halbes Brötchen hinunter, denn es war klar: So schnell würde ich nicht wieder etwas zwischen die Zähne bekommen. Meine Angst vor einer Unterzuckerung während der Trauung war riesig!
Das Hochzeitskleid
Mein Hochzeitskleid war ein Traum aus Tüll mit einer ziemlich engen und festen Korsage, die keinerlei Platz für irgendetwas „drunter“ ließ – also weder BH noch Korsage oder gar ein Pumpenband.
Ich hatte zuvor wirklich lange darüber nachgedacht, wie ich die Insulinpumpe an unserem großen Tag am besten verstauen könnte. Die Überlegung, meine Pumpe für den Tag abzulegen, verwarf ich relativ schnell wieder. Es war mir deutlich wichtiger, durch den Sensor vor Unterzuckerungen etwas geschützt zu werden und den Diabetes ein bisschen mehr „nebenher“ laufen lassen zu können.

Viele Bräute mit Diabetes lassen sich eine Tasche in ihren Rock einnähen. Aufgrund des weichen Tülls war das bei meinem Kleid leider keine Option – die Pumpe hätte den Stoff permanent verzogen.
Ich probierte auch spezielle Unterhosen mit Pumpentasche aus. Erstens fand ich das leider schrecklich unbequem und zweitens stellte es sich als schlichtweg unpraktikabel heraus. Einen schweren, 6-lagigen bodenlangen Rock bis über die Hüfte hochzuraffen, um auf die Pumpe schauen zu können, sieht nicht nur ulkig aus, sondern ist auch quasi unmöglich zu bewerkstelligen.
Wohin mit der Insulinpumpe?
Letztendlich war die Lösung so einfach wie praktikabel: Ich steckte die Insulinpumpe mit dem Clip nach außen schlichtweg in den (extrabreiten) Gummibund meiner halterlosen Strümpfe. Zur Sicherheit, um den Strumpf zusätzlich vom Rutschen abzuhalten, trug ich einen Strapshalter unter meinem Kleid.
Dieses Konstrukt saß die ganzen 20 Stunden der Hochzeit(sfeier) bombenfest und ließ sich dennoch relativ gut bedienen.
Mein Mann trug seine Pumpe elegant im Rücken. Dort verschwand sie einfach im Kummerbund.
Einige werden sich jetzt vielleicht fragen, wieso wir so viel Wert darauf legten, die Pumpen nicht offen zu tragen. Denn auch unsere Sensoren saßen an diesem Tag nicht offen am Arm, sondern unsichtbar am Bein.
Ganz einfach: An diesem Tag sollte es nur um uns und unsere Liebe zueinander gehen. An diesem Tag hatte der Diabetes einfach mal keinen Platz in unserem Leben!
Ein unerfüllbarer Wunsch
Zum ersten Mal seit der Diagnose machte mich der Diabetes traurig, wütend und irgendwie auch machtlos. Ich hätte unsere Hochzeit so gern wie jedes andere Paar ohne Sorgen und ohne besondere Beachtung dieser blöden Krankheit gefeiert. Unbeschwert eben.
Naja – was soll das Gejammer. Wir konnten es ja ohnehin nicht ändern.
Leider lief der Tag dann bei mir diabetestechnisch auch so überhaupt nicht rund. Dank der Aufregung und des (positiven) Stresses konnte ich kaum etwas essen. Mir war permanent ein bisschen schlecht und ich fürchtete mich wahnsinnig vor einer Hypoglykämie. Zu dieser Zeit hatte ich besonders große Hypoängste! Nach wenigen Bissen musste ich unser eigentlich wirklich sehr leckeres Essen beiseiteschieben. Da wir ja auch lange auf den Beinen waren, hatte ich vorsorglich die Basalrate ein bisschen reduziert und spritzte für die winzige Kartoffelspalte und das Stückchen Möhre, das ich gegessen hatte, lieber gar nicht. Auch für das Glas Rotwein und den Aperitif ließ ich mein Insulin weg. Ich war schließlich permanent auf Achse und wollte auch ordentlich tanzen!
Der Diabetes mischt sich ein
Das stellte sich im Laufe des Abends dann leider als schwerer Fehler heraus. Kurz vor Mitternacht wurde mir wahnsinnig schlecht und ich hatte das Gefühl, schwer Luft zu bekommen. Ein Blick auf die Insulinpumpe zeigte mir dann auch den Grund: Mein Blutzucker war klammheimlich auf über 400 mg/dl (22,2 mmol/l) geklettert.
Janis nahm mich am Arm, drückte mir ein großes Glas Wasser in die Hand und schleuste uns erst einmal von der Hochzeitsgesellschaft weg. Ab nach draußen an die frische Luft und schnell mit dem Pen korrigiert.
Mein Magen beruhigte sich ziemlich schnell und Janis und ich hatten endlich auch mal kurz die Gelegenheit, innezuhalten. So hatte selbst dieser Ausrutscher etwas Gutes – denn mein frisch vermählter Mann und ich hatten einen kleinen privaten Moment nur für uns, der im Trubel der Feier einfach richtig guttat.
Die Hochzeitstorte und die „saublöde Mistkrankheit“
Anschließend waren wir sowas von bereit für den Anschnitt der Hochzeitstorte, die meine Mutter liebevoll und wahnsinnig professionell selbst gebacken hatte. Innerlich triumphierte ich ein bisschen. „Das hast du es, du saublöde Mistkrankheit! Wir sind glücklich und zufrieden – trotz dir!“

Ich tanzte den letzten Rest des hohen Blutzuckers einfach weg und beschloss endgültig, mir diesen Tag durch absolut nichts verderben zu lassen.
Morgens um 4 Uhr fielen wir dann todmüde, erschöpft, aber glücklich ins Bett. Wir wollten einfach nur noch schlafen. Natürlich mischte sich auch hier der Diabetes ein – als ich mich glücklich in meine Decke einkuschelte, riss ich mir mit Wumms den Katheter aus dem Bein. Na klasse!
Die Hochzeitsnacht
Genervt knipste ich das Licht wieder an und sah erst jetzt das volle Ausmaß: Das weiße Bettlaken hatte sich bereits richtig schön mit Blut vollgesaugt.
Während die Sonne sich langsam am Himmel zeigte, erledigten wir unsere erste Haushaltspflicht als Mann und Frau.
Was soll man sagen. Der Diabetes ist eben immer für eine Überraschung gut. Sogar für eine Hochzeitsnacht der etwas anderen Art 😉
Heiraten mit Diabetes: Traumkleid, Traumtag, Traumzucker! – so lief die Hochzeit von #BSLounge-Autorin Antje!
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 4 Tagen, 23 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 5 Tagen, 21 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 20 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike