Corona stellt alltägliche Gewohnheiten auf den Kopf – auch in Sachen Sport

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Corona stellt alltägliche Gewohnheiten auf den Kopf – auch in Sachen Sport

Mir persönlich hat die Corona-Pandemie viel weniger abverlangt als manch anderen Leuten. Ich arbeite sowieso vom heimischen Schreibtisch aus, musste mich also nicht erst an das Homeoffice gewöhnen. Meine Auftragslage als freie Medizinjournalistin veränderte sich infolge der Pandemie nicht, ich saß also nicht frustriert zu Hause und starrte Löcher in die Luft.

Doch es gab natürlich eine Reihe von Veränderungen: Medizinkongresse und Pressekonferenzen fielen aus, manche von ihnen wurden durch virtuelle Veranstaltungen ersetzt. Restaurantbesuche, Konzerte und Verabredungen mit Freundinnen und Freunden gab es natürlich auch erst einmal nicht. Aber insgesamt hielt sich mein Leidensdruck in Grenzen. Wenn der eigene Alltag durch Corona also nicht in eine dramatische Schieflage gerät, sollte man eigentlich meinen, dass in Corona-Zeiten auch die sportliche Motivation unverändert hoch ist.

Doch ich hatte in den vergangenen Monaten wirklich große Mühe, mich zum Sport aufzuraffen – und habe lange gegrübelt und mit mir selbst gehadert, warum es mir derzeit so schwerfällt, aktiv zu bleiben.

Fitnessstudio, Tanzen und Triathlon

In normalen Zeiten halte ich mich mit Krafttraining im Fitnessstudio, mit Standard-Latein-Tanzen und mit den drei Triathlon-Disziplinen Schwimmen, Radfahren, Laufen fit. Mit Beginn des Shutdowns wurden natürlich auch mein Fitnessstudio und unsere Tanzschule geschlossen. Das fand ich zwar schade, doch beide Einrichtungen gaben kurz darauf bekannt, dass sie auf virtuelle Angebote umsteigen. Sprich: Man konnte via Bildschirm an Online-Fitnesskursen teilnehmen oder auf Video aufgezeichnete Tanzstunden anschauen und auf diese Weise neue Schrittfolgen lernen. Nach ein paar Wochen Corona-Lockdown bot unsere Tanzschule unter dem Motto „Wir kommen zu euch ins Wohnzimmer“ sogar Live-Tanzstunden an.

Virtuelle Fitness- und Tanzkurse

Ich freute mich sehr über dieses kreative Engagement. Doch eingeklinkt habe ich mich nicht ein einziges Mal. Es wäre ein Leichtes gewesen, mich auf meinem iPad über die Homepage des Fitnessstudios einzuloggen und im Wohnzimmer auf der Yogamatte einen Kurs mitzuturnen. Ähnlich hätte es mit der Tanzschule funktionieren können. Ihr Team war wirklich sehr auf Zack, uns auch in Corona-Zeiten bei Laune zu halten. Wir erhielten Mails, in denen der Login in den Mitgliederbereich erklärt wurde. Es gab einen Stundenplan mit virtuellen Live-Tanzstunden – entweder mit eingeschalteter Webcam oder ohne. Dazu Links zu Spotify-Playlists mit Tanzmusik. Wir haben sogar Parkettfußboden im Wohnzimmer, auf dem wir mit Tanzschuhen eine flotte Sohle hätten hinlegen können. Doch tatsächlich haben wir das tolle Online-Angebot unserer Tanzschule kein einziges Mal genutzt.

Ein einziges Mal streiften wir die Tanzschuhe über, schoben den Esstisch beiseite und nutzten unser Wohnzimmer als Tanzparkett, einfach nur so, ganz ohne Kurs und Anleitung. Auch wenn der Platz begrenzt war, gelang uns sogar ein Wiener Walzer.

Ich kann nicht alle Gewohnheiten über Bord werfen

Ich glaube, den Grund für unsere fehlende Motivation gegenüber diesen tollen Online-Angeboten zu kennen: Wir sind einfach furchtbar starrsinnige Gewohnheitstiere. Mein Fitnessstudio ist für mich gedanklich fest mit meiner Sporttasche, der Fahrt ans andere Ende der Stadt, dem Einchecken am Tresen, der Umkleide und den Hörbüchern verknüpft, denen ich beim Training dort normalerweise lausche. Das Kursangebot nutze ich dort ohnehin nur sehr selten, meist trainiere ich allein und nach meinem eigenen Rhythmus an den Geräten. Es klingt vielleicht albern, doch es hätte für mich eine ziemlich große mentale Anstrengung bedeutet, von diesen Gewohnheiten abzurücken und den Schwenk zu Online-Fitnesskursen zu wagen. Denn wegen Corona musste ich meine alltäglichen Gewohnheiten durch Abstandsregeln und Masketragen, Videokonferenzen statt leibhaftiger Termine etc. ohnehin schon an unsere „neue Normalität“ anpassen.

Ganz ähnlich erging es mir und Christoph mit unserer Tanzschule. Wir wussten deren Bemühen, trotz des Lockdowns mit uns allen in Kontakt zu bleiben, wirklich zu schätzen. Doch für uns ist die Idee von Tanzschule nun einmal untrennbar verknüpft mit der Fahrt dorthin, dem Schnack mit den Tanzlehrern, der Weite des Tanzsaals mit seiner Licht- und Tonanlage und den Diskokugeln, den Getränkebestellungen in der Pause und dem Restaurantbesuch nebenan, den wir uns nach dem Tanzkurs häufig gönnen. Tanzen zu Hause erfüllt diese Kriterien einfach nicht.

Fehlanzeige bei allen drei Triathlon-Disziplinen

Theoretisch hätte es auch ohne Fitnessstudio und Tanzschule noch ausreichend viele Möglichkeiten gegeben, sich sportlich zu betätigen. Wozu bin ich schließlich Triathletin? Allerdings wurden mit Beginn des Lockdowns alle Schwimmbäder geschlossen, und an Freiwasserschwimmen war aufgrund der Temperaturen noch nicht zu denken. Radtraining fiel ebenfalls flach, weil ich mich über etliche Wochen mit massiven Nackenverspannungen herumärgerte. Die typische Haltung auf dem Rennrad ist bei Nackenschmerzen leider eher kontraproduktiv. Und beim Laufen machte mir ein hartnäckiger Fersensporn einen Strich durch die Rechnung. Die Ende 2019 vom Orthopäden verordneten Einlagen haben die Beschwerden zwar schon deutlich gelindert, doch gänzlich abgeklungen sind sie noch nicht. Eigentlich sollte ich bis zur endgültigen Schmerzfreiheit mit dem Laufen pausieren. Ich habe mich nicht konsequent daran gehalten und bin irgendwann trotzdem wieder in die Laufschuhe geschlüpft. Doch eine gewisse Zurückhaltung bleibt – schließlich möchte ich nicht riskieren, dass die unangenehmen Fersenschmerzen wieder so richtig aufblühen.

Spaziergänge und YouTube-Fitness

Und so lief mein Sportprogramm in den ersten Monaten der Corona-Pandemie eher auf Sparflamme. Immerhin: Christoph und ich unternahmen nach der Arbeit gern abendliche Spaziergänge. Und ich konnte mich das eine oder andere Mal durchringen, Fitnessvideos auf YouTube durchzuexerzieren. Meine Favoriten sind zum Beispiel die Yoga-Sessions von Mady Morrison oder auch die Ganzkörper-Workouts von Fit mit Anna oder von BodyKiss. Bei diesen Vorturnern hapert es nicht so sehr an meiner Motivation, denn ich kenne sie schließlich nicht persönlich und habe keine liebgewonnenen Gewohnheiten mit ihnen entwickelt, die über ihre YouTube-Kanäle, mein iPad und meine Yogamatte hinausgehen.

Fitnessstudio: Einbahnstraße und zusätzliche Desinfektion

Zum Glück sind aufgrund der erfreulich stark gesunkenen Infektionszahlen seit Ende Mai die Kontaktbeschränkungen deutlich gelockert worden. Mein Fitnessstudio hat wieder geöffnet, und auch die Tanzschule hat den Live-Betrieb wieder aufgenommen. Im Fitnessstudio waren die Umkleiden und Duschen sowie der Saunabereich zunächst noch gesperrt, ich musste anfangs also in Sportklamotten kommen und nach dem Training zu Hause duschen. Inzwischen kann man auch wieder vor Ort duschen und sich umziehen. Zwischen den Geräten markieren weiterhin Klebepfeile die Laufrichtung, jedes zweite Cardio-Gerät ist gesperrt, und auch bei den dichter aufgestellten Geräten fürs Krafttraining steht nur jedes zweite zur Verfügung. Es gibt deutlich mehr Stationen mit Desinfektionsmittel und Einweghandtüchern, und alle sind noch einmal mehr als sonst angehalten, die Geräte nach der Benutzung damit zu reinigen.

Ich habe mittlerweile ein paar Mal dort trainiert und fühlte mich danach richtig gut – meine Schultern und mein Nacken freuen sich, wenn ich endlich mal wieder gezielt den Oberkörper trainiere. Seit ein paar Wochen gibt es auch eine App, über die man die aktuelle Auslastung im Fitnessstudio checken kann – bei 23 Prozent zum Beispiel lässt es sich sehr entspannt trainieren, und man kann sich problemlos aus dem Weg gehen und den vorgeschriebenen Abstand einhalten.

Tanzschule: Klebestreifen markieren Tanzzonen

Ein ausgeklügeltes Hygienekonzept erwartete uns auch bei unserem ersten Besuch der Tanzschule seit Corona. Pro Kurs werden deutlich weniger Paare als sonst in den Saal gelassen. Im Foyer gilt Einbahnstraßenverkehr, im Saal selbst fallen die durch Klebemarkierungen begrenzten Tanzzonen für jedes Paar auf. Außerhalb der eigenen „Tanzbox“ herrscht Maskenpflicht, nur innerhalb des eigenen aufgeklebten Rechtecks dürfen die Paare ihre Masken absetzen.

Anfangs ruhte der Barbetrieb, außerdem führte die Tanzlehrerin uns die Schrittfolgen ohne Tanzpartner vor. Der Tanzsaal sah mit den durch Klebestreifen abgetrennten Tanzzonen ein bisschen aus wie eine Schulturnhalle – zum Glück roch es aber nicht so muffig wie der Mattenwagen. Seit Wiedereröffnung der Tanzschule liegt der Fokus auf Lateintänzen, bei denen man sich nicht in Tanzrichtung durch den gesamten Saal bewegt, da ist das „Tanzen in der Box“ kein großes Problem. Und zum Glück pfeift nicht gleich Christian Drosten „Abseits“, wenn man mal versehentlich über die Linie tanzt – Tanzen macht also trotz der unvermeidlichen Hygieneregeln Spaß.

Der Tanzsaal sieht mit den aufgeklebten Markierungen ein bisschen aus wie eine Schulturnhalle / Quelle: Antje Thiel

Mit der Corona-Routine kommt die Sportmotivation zurück

So langsam habe ich mich an die veränderten Sportbedingungen gewöhnt. Und mit der Gewöhnung steigt auch mein sportlicher Motivationspegel wieder an. Ich habe wieder einmal festgestellt, dass Gewohnheiten mir Sicherheit geben. Sie helfen mir dabei, meinen Alltag zu strukturieren und Routinen zu entwickeln, die ich nicht bei jedem Handgriff hinterfragen oder neu erfinden muss. Eigentlich seltsam, dass ich nicht viel früher darauf gekommen bin. Denn beim Diabetesmanagement weiß ich den Wert fester Gewohnheiten ja ebenfalls seit Jahren zu schätzen: Je routinierter die Handgriffe sitzen, umso weniger stört der Diabetes und umso besser sind die Ergebnisse. Mit dem Sport ist es also ein bisschen wie mit meinem Diabetes: Ich brauche ein gewisses Gerüst aus gewohnten Abläufen, damit ich motiviert bin und ihn erfolgreich in meinen Alltag einbauen kann. So langsam habe ich meine persönliche Corona-Routine gefunden, also klappt es auch mit der Sport-Motivation wieder besser.


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