5 Minuten
Hier geht es zum Teil 1 des Interviews: Worte, die stark machen – ein Interview mit Huda Said (Teil 1)
In der Diabetes-Community Blood Sugar Lounge hat sich Huda El Haj Said durch ihre DIAlog-Texte, in denen sie mit ihrem Diabetes auf oft witzige, ungewöhnliche und erhellende Weise kommuniziert, einen Namen gemacht. Aber auch sonst hat sie viel zu sagen …
Huda, im ersten Teil des Interviews hast Du erzählt, wie schwer es Dir gefallen ist, in der Teenagerzeit Deinen Diabetes zu akzeptieren und Dich um ihn zu kümmern. Irgendwann kam die Wende. Und wie ging es dann weiter?
Huda El Haj Said: Die zweite Wendung kam erst vor einem Jahr. Ich hatte seit zwei Jahren das CGM, es lief mal mehr, mal weniger gut. Wie gesagt, die Werte waren nach wie vor nicht sonderlich toll, aber sie waren so, dass ich damit leben konnte. Und dann kam die Blood Sugar Lounge, und ich habe dort als Autorin angefangen. Es fing damit an, dass ich irgendwann auf den Blog von Lisa Schütte (Lisabetes) gestoßen bin, und ich bin ihr dann auf Instagram gefolgt. Sie hat das gesehen, wir haben uns ausgetauscht, und irgendwann hat sie mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, für die Blood Sugar Lounge zu schreiben, wo sie selbst ja auch Autorin ist. So ist der DIAlog entstanden, in dem ich Gedanken, die mir seit Jahren durch den Kopf schwirren, endlich einmal in Worte fassen und runterschreiben konnte.
In einem DIAlog-Text bin ich darauf gestoßen, dass der Diabetes ganz stolz darauf ist, dass er einzigartig ist. Kann man das auch übertragen, ist jeder Mensch mit Diabetes durch den Diabetes auch einzigartig?
Huda El Haj Said: Das ist schon richtig so. Ich habe auch einen Poetry-Slam-Text über Diabetes geschrieben, der mir ganz wichtig ist, und darin geht es genau darum: Wer wäre ich ohne den Diabetes? Ich wäre jemand, nur eben nicht ich. Der Diabetes in Kombination mit der Persönlichkeit, auf die er trifft, erschafft eine Person, die nur einzigartig sein kann. Weil jeder natürlich anders mit dem Diabetes umgeht und jeder andere Hürden bewältigen muss, auch wenn es Gemeinsamkeiten gibt.
Dass der Diabetes einen prägt, ist, denke ich, vor allen Dingen dann der Fall, wenn man ihn als Kind bekommt, denn durch die Erkrankung muss man erwachsener handeln als sonst in dem Alter. Man muss lernen, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für sich selber, für seine Gesundheit, für seine Zukunft. Welche Achtjährige denkt denn sonst darüber nach, dass sie sich drei-, vier-, fünfmal am Tag piksen muss, damit es ihr in 20 Jahren noch gut geht? Dazu zwingt einen der Diabetes; er erzwingt eine Entwicklung. Ich weiß nicht, wer ich ohne Diabetes wäre. Diabetes macht einen stärker und und auf eine andere Art einzigartig, als man es ohne Diabetes wäre.
Im DIAlog geht es um einen Dialog, einen Austausch zwischen Dir und Deinem Diabetes …
Huda El Haj Said: Ja, und ich muss ganz ehrlich sagen, am Anfang hatte ich noch das Gefühl, dass ich mir mit den Texten selbst etwas vorspiele, dass ich da zwar schreibe, dass ich jetzt versuche, den Diabetes in den Griff zu bekommen, dass aber am Ende doch wieder alles auf dasselbe hinauslaufen wird, nämlich, dass sich nichts ändert. Aber ich habe die DIAloge trotzdem geschrieben, weil sie mir im Herzen so wichtig waren.
Ich hatte nie viel Kontakt mit anderen Diabetikern. Das HypoBarcamp der Blood Sugar Lounge im letzten Jahr hat alles geändert: Ich habe mich noch nie so unglaublich verstanden gefühlt und so richtig am Platz. Ich bin durch dieses Wochenende gegangen und habe überall blitzende Geräte gesehen und Gespräche über Diabetes geführt. Das hat mich so sehr berührt, dass ich, als ich am Sonntagabend wieder zu Hause war, einfach nur geweint habe, weil ich mich so erleichtert gefühlt habe, so von einer Last befreit, von der ich noch nicht mal gewusst habe, dass ich sie mit mir getragen habe. Jeder trägt seinen Diabetes für sich, jeder hat einfach eine gewisse Last, die er alleine bewältigen muss. Aber es war so wichtig für mich, zu erfahren, dass viele vor allem als Jugendliche so sehr damit zu kämpfen hatten, den Diabetes wirklich zu akzeptieren. Plötzlich haben sich meine schlechten Phasen ein bisschen weniger wie eine Niederlage angefühlt, denn wenn es nicht nur mir so ging, dann ist das vielleicht eine Sache, die vollkommen normal ist.
Jetzt, ein Jahr später, ist immer noch nicht alles perfekt. Ich habe immer noch Tage, an denen ich den Zucker nicht ordentlich runterkriege oder irgendwie alles blöd ist, aber entscheidend ist, dass mich diese Tage nicht mehr für längere Zeit runterziehen. Es gibt sie, und das ist o.k. so, aber es gibt eben auch Tage, an denen ich mich fühle wie der coolste Mensch auf Erden und alles im Griff habe und an denen ich mir denke: Hey, Diabetes, willst du dich mit mir anlegen? Dann hast du dir definitiv die richtige Person ausgesucht, denn ich kann mit dir umgehen. An manchen Tagen habe ich natürlich Angst, dass mir diese Haltung wieder verlorengeht, dass ich doch noch einmal in die alten Muster zurückfalle, aber gleichzeitig glaube ich das nicht – und zwar deshalb, weil es ein Prozess ist, der nicht rückgängig gemacht werden kann.
Was Hudas eigene Geschichte mit ihrem Berufswunsch zu tun hat und was sie von einem guten Arzt/einer guten Ärztin erwartet, erfahrt ihr im nächsten Teil des Interviews, der am 22. Oktober 2020 erscheint.
Hudas DIAloge findet ihr hier!
5 Minuten
4 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen