- Aus der Community
Bewegung ist maßgebend! – ein Interview mit Reinhard Kopp
3 Minuten
Es ist Samstagvormittag und vor mir steht die dritte Tasse Kaffee. Ich denke mir, jetzt ist die günstigste Zeit, um mit einem 91-jährigen Bewohner eines Seniorenheimes zu telefonieren. Ich habe mir für mein Telefonat vorab einige Stichpunkte notiert. Mein Kopfkino rattert: „Wie ist die Reaktion dieses unbekannten Herrn auf meine blutzuckertechnischen Fragen?“
Herr Kopp meldet sich rasch am Telefon. Ich stelle mich kurz als Redakteurin der Blood Sugar Lounge vor und los geht’s mit meinen Fragen.
Über Reinhard Kopp
Alter: 91 Jahre
Diabetestyp: Typ-2-Diabetes seit 1969, d.h. seit 51 Jahren
Insulintherapie: Spritzen, 3-mal am Tag jeweils vor den Mahlzeiten
Seit dem Tod seiner geliebten Frau vor 6 Jahren lebt Herr Kopp aus eigenem Antrieb nun in einem Seniorenheim. Das neue Umfeld macht für ihn das Leben mit seinem Diabetes nicht unbedingt einfacher. Diese neue Herausforderung sieht Herr Kopp jedoch positiv! „Man muss halt nehmen, was man bekommt!“ Das ist nicht als Anklage zu werten, sondern eher als das Anpassen von Herrn Kopp an die neuen Lebensumstände im Seniorenheim. Ich höre bei meinem Gespräch mit Herrn Kopp heraus, dass die PflegerInnen im Umgang mit Typ-2-Diabetes anscheinend noch sehr „traditionell“ geschult sind. Pumpen oder CGM-Systeme sind in der Senioren-Residenz nicht im Einsatz. Auch die Zeit scheint – wie überall im Pflegebereich – eine Mangelware zu sein.
Kleinigkeiten zählen!
Bei seiner Ernährung ist Herr Kopp sehr sparsam und scheint mir sehr diszipliniert zu leben. Beim Essen zählen wortwörtlich die „Kleinigkeiten“. Jeden Morgen gibt es konsequent eine Scheibe Brot mit Marmelade, etwas Joghurt und Quark. Um zu viele Kohlenhydrate zu vermeiden, bestellt sich Herr Kopp zum Mittagessen eine etwas kleinere „Kinderportion“ mit weniger Kartoffeln, Reis oder Nudeln. Auf die Zwischenmahlzeit am Nachmittag verzichtet Herr Kopp. Ebenso beim Abendessen speist er wieder sehr sparsam nur ein Wurstbrot. Wird man im Alter zum Asketen? Ein bisschen erinnert mich seine Art der Ernährung auch an mich selbst, obwohl ich wahrlich nicht in Askese lebe. Durch das Einsparen von Kohlenhydraten will Herr Kopp seinen Diabetes unter Kontrolle halten. Low Carb scheint eine Weiterentwicklung meiner Generation zu sein.

Umgang mit Hypoglykämien
Wie ist der Umgang mit Hypoglykämien? Als Typ-2-Diabetiker erfuhr Herr Kopp in seinem langen Leben noch nie schwerere Unterzuckerungen mit Bewusstlosigkeit. Er selbst bemerkt seinen niedrigeren Blutzucker selbst kaum noch. Wenn sein Zucker dann doch mal in den Bereich 60 (3,3) oder 70 (3,9) mg/dl (mmol/l) absinkt, bekommt er von den PflegerInnen meist 1 bis 2 Plättchen Traubenzucker zugesteckt.
„Ich hatte immer viel Verantwortung!“
Herr Kopp gehört zur Kriegsgeneration und erlebte den Zweiten Weltkrieg. Er floh vom Sudetenland über Tschechien bis nach Hessen und entkam durch einen Glücksfall den Russen. Seinen Typ-2-Diabetes bekam Herr Kopp aber erst 1969 in der Zeit des Wirtschaftswunders in seinem 40. Lebensjahr. Der Diabetes ist für ihn zwar wichtig, doch spielte er im Leben eher eine Nebenrolle. Viel wichtiger war für ihn sein Beruf, dass er Chef über mehr als 40 Mitarbeiter in einem Reifenwerk war und es immer ein gutes menschliches Miteinander gab. Da gab er seinen ausländischen Mitarbeitern ihren erhofften Sommerurlaub, damit diese in ihre entfernte Heimat reisen konnten. Menschlichkeit und das Miteinander spielten für Herrn Kopp immer eine große Rolle.
Bewegung ist lebenswichtig!
Bewegung war und ist für Herrn Kopp lebenswichtig! Wenn andere sich im Seniorenheim mit dem Rollstuhl schieben lassen, geht Herr Kopp immer noch täglich zu Fuß. In seinen jüngeren Jahren wanderte er gemeinsam mit einem Freund jeden Sonntag 20 bis 40 Kilometer. Herr Kopp war zudem Vorsitzender eines Schützenvereins. Das Leben dieses Diabetikers war sportlich geprägt!

Herr Kopp ist ein Kind der Kriegsgeneration, der seinen Typ-2-Diabetes in der Zeit des Wirtschaftswunders bekam. Meine Diabeteserfahrungen sind im Vergleich zu Herrn Kopp grundsätzlich verschieden. Was uns jedoch verbindet, ist der Drang, durch Sport unsere Muskeln zu spüren, sich täglich zu bewegen. So gelingt es hoffentlich auch uns, lange fit und gesund gemeinsam mit unserem Diabetes alt zu werden.
Ein weiteres Interview zum Thema Diabetes im Alter findet ihr zum Beispiel von Vivi: Zufriedenheit ist das höchste Gut – ein Interview mit Christoph Engelsmann
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 12 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen, 9 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 6 Tagen, 9 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike