Mit guter Vorbereitung möglich: Intensiver Sport mit Typ-1-Diabetes

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Mit guter Vorbereitung möglich: Intensiver Sport mit Typ-1-Diabetes | Foto: annetdebar - stock.adobe.com
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Mit guter Vorbereitung möglich: Intensiver Sport mit Typ-1-Diabetes

Oft hören Menschen, wenn sie erfahren, dass sie einen Typ-1-Diabetes haben, Sport intensiv zu treiben sei nicht mehr möglich – schon gar kein Extremsport. Aber es geht, wie Beispiele unterschiedlicher Menschen zeigen. Auch wenn moderne Technologien vieles in der Therapie des Typ-1-Diabetes vereinfachen, funktionieren extreme Belastungen auch mit weniger Technik.

Neue Technologien haben in den letzten Jahren das Glukose-Management für Menschen mit Typ-1-Diabetes vereinfacht. Somit scheint dem grenzenlosen Ausüben von Sport nichts mehr im Weg zu stehen. Aber wie sieht die Praxis von Sportlerinnen und Sportlern mit Typ-1-Diabetes wirklich aus?

Sport ist möglich
  1. (Fast) jeder Sport ist mit Diabetes möglich.
  2. Nicht jeder Sport eignet sich für jeden Athleten oder jede Athletin gleich gut.
  3. Sport mit Typ-1-Diabetes erfordert immer eine gute Planung und ein gutes Verständnis für den eigenen Körper und den Stoffwechsel.

Wandern

Wandern ist für Menschen mit Typ-1-Diabetes optimal geeignet, da man die Belastung gut steuern, selbstständig Pausen machen und so die Glukosewerte gut im Auge behalten kann. Das reicht von einem lockeren Spaziergang bis zu mehrtägigen Wanderungen mit ordentlich Höhenmetern, sodass man nach Lust und Trainingszustand sein Abenteuer wählen kann.

Udo (68) überquerte 2020 die Alpen und wanderte 2022 durch die Dolomiten. Er verwendet Insulinpens und ein System zum kontinuierlichen Glukose-Messen (CGM). Zum Frühstück und während der Wanderung spritzte er nur die Hälfte der üblichen Insulindosis, auch das Basalinsulin konnte er um etwa 20 Prozent reduzieren, trotzdem kam es während der Wanderungen immer wieder zu leichten Unterzuckerungen.

Tennis

Spiel-Sportarten sind schwierig vorauszuplanen. Wenn nicht nur Training, sondern ein Spiel ansteht, weiß man vorher oft nicht, wie die Gegnerinnen oder Gegner spielen werden, was die Dosisanpassung enorm erschwert. Unterbrechungen durch Unterzuckerungen will man möglichst vermeiden.

Diese Erfahrung hat auch Helga (57) gemacht. Nicht nur die Gegnerinnen sind unvorhersehbar, auch die Länge des Matches ist schwer abschätzbar und die Nervosität und die Tageszeit haben ebenfalls einen Einfluss auf den Stoffwechsel. All dies muss sie bei der Anpassung der Diabetestherapie berücksichtigen.

Helga verwendet eine Insulinpumpe und ein CGM-System. Vor einem Spiel reduziert sie die Basalrate um 40 Prozent oder sie isst vorher Schwarzbrot, ohne Insulin dafür zu geben. Sie hält ihre Gewebezuckerwerte mit ihrer Smartwatch im Auge und trinkt kohlenhydrathaltige Getränke bei Bedarf. Die Bewegung tut ihr gut, auch wenn die Glukosewerte manchmal Kapriolen schlagen.

Fahrradfahren

Radfahren ist eine Sportart, die sich gut planen lässt. Man kann flüssige Kohlenhydrate in Trinkflaschen mitnehmen und portionieren, Pausen sind in der Regel möglich. Man sollte allerdings beachten, dass man am Straßenverkehr teilnimmt und bei einer Unterzuckerung die Unfall-Gefahr erhöht ist.

Alois (57) ist passionierter Radfahrer und lässt sich durch keinen Berg abschrecken. Er verwendet ein CGM-System, eine Insulinpumpe und ein nicht kommerzielles System zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID; Kombination aus CGM, Insulinpumpe und einem Algorithmus). 2015 bewältigte er gemeinsam mit seinem Sohn die Alpenbrevet Gold Tour: vier Pässe, 173 Kilometer und 4900 Höhenmeter in einer Tour.

Der erste Pass lief ohne Probleme, beim zweiten Pass fingen die Beine an zu brennen. Beim dritten Pass, dem Gotthardpass, kamen die ersten Krämpfe hinzu. Alois biss sich trotzdem durch und nahm den Susten-Pass in Angriff, jetzt gab es Magenprobleme. Was tun, wenn einem von den Kohlenhydrat-Gelen schlecht wird? Zum Glück konnte Alois noch Traubenzucker vertragen. Er quälte sich hoch und konnte nach 9 Stunden und 38 Minuten mit seinem Sohn durchs Ziel fahren. Und die Glukosewerte? Die liefen stabil.

Triathlon

Eine große Herausforderung beim Sport mit Typ-1-Diabetes ist die Kombination unterschiedlicher Belastungen, eine noch größere Herausforderung ist Sport in unterschiedlichen Elementen. Beim Triathlon muss man nicht nur die unterschiedliche körperliche Belastung durch drei verschiedene Sportarten einkalkulieren. Erschwerend kommt hinzu, dass das Element Wasser die Diabetestherapie und -kontrolle erschwert.

Als Pumpenträgerin oder Pumpenträger muss man entscheiden, ob man die Insulinpumpe mit ins Wasser nehmen möchte, und auch die Gewebezucker-Kontrolle kann schwierig sein. Der Stoffwechsel reagiert unterschiedlich auf die Wassertemperatur, sodass dies ebenfalls mit eingeplant werden muss. Schwimmen und Fahrradfahren sind Sportarten, bei denen man bei einer Unterzuckerung ein erhöhtes Risiko für Unfälle hat, daher sollte man hier etwas höhere Glukosewerte anstreben.

Matthias (damals 43) stellte sich dieser Herausforderung und plante die Teilnahme an einem Ironman 70.3. Ironman 70.3 bedeutet 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21,1 Kilometer Laufen. Matthias war zu diesem Zeitpunkt noch kein ausgesprochener Ausdauersportler, er wog 128 Kilogramm und ging ab und zu ins Fitness-Studio. Er verwendete eine Insulinpumpe mit Abschaltung bei Unterzuckerung und ein CGM-System.

Anfangs hatte er ständig Unterzuckerungen beim Sport, der Wechsel vom Kraft- zum Ausdauersport war für ihn – wie für viele Athletinnen und Athleten aufgrund des unterschiedlichen Stoffwechselverhaltens – nicht einfach. Matthias setzte sich intensiver mit seinem Körper und seiner Erkrankung auseinander, lernte, die Insulindosis an die körperliche Belastung anzupassen, und konnte 25 Kilogramm Gewicht abnehmen.

International Diabetes Athletes Association (IDAA)

Auf der Website der deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung diabetischer Sportler (IDAA) gibt es weitere Informationen zum Sport mit Typ-1-Diabetes: www.idaa.de

Schließlich kam der langersehnte Wettkampftag. Matthias hatte sich entschieden, die Insulinpumpe während des Schwimmens weiterzutragen und die Basalrate auf 75 Prozent zu reduzieren. Die Pumpe war wasserdicht im Neopren-Anzug verstaut, allerdings konnte er sie so während des Schwimmens nicht steuern und auch seinen Gewebezuckerwert nicht kontrollieren. Erfreulicherweise hatte er optimal geplant und kam mit perfekten Glukosewerten aus dem Wasser. Beim Fahrradfahren hatte Matthias eine Trinkflasche mit Glukoselösung dabei und nahm geplant alle 30 Minuten einen Schluck.

Die erste Unterzuckerung kam dann während des Laufens, aber hierauf war er vorbereitet und konnte mit Kohlenhydratgelen gegensteuern. Trotz der optimalen Vorbereitung waren die letzten Kilometer eine echte Herausforderung für ihn, aber am Ende kam er glücklich und völlig überwältigt von seinem Erfolg nach 70,3 Kilometern im Ziel an. Mittlerweile hat Matthias seinen achten Ironman-Wettkampf absolviert.

Schwerpunkt „Sport mit Typ-1-Diabetes – eine 180-Grad-Wende zum Positiven“

von Dr. Ulrike Becker

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (5)  Seite 16-17

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