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Vor etwa eineinhalb Jahren besuchte ich im Sommer meine beste Freundin. Wie viele andere Mädchenfreundschaften begann auch unsere auf einem Ponyhof. Damals waren wir 15 und fanden uns erst doof, aber nach einem Mal gemeinsamer Hofarbeit waren wir unzertrennlich. Das ist fast 25 Jahre her und sie ist im Gegensatz zu mir den Pferden treu geblieben.
So kam es, dass ich mich dazu breitschlagen ließ, sie zum täglichen Stallbesuch zu begleiten. Gleich fiel mir auf, dass ein Pferd nicht mit den anderen auf der Weide stand, sondern alleine in seinem staubigen Auslauf vor seiner Box. Aus Einsamkeit stand er vorne am Tor und spitzte die Ohren, als ich auf ihn zutrat. Ich konnte keine äußere Verletzung erkennen, die ihn vom Weidegang abhalten sollte, deshalb fragte ich meine Freundin, warum der kleine Wallach nicht mit raus durfte. Sie antwortete: „Das ist ein Leidensgenosse von dir. Er ist insulinresistent.“
Von Katzen- oder Hundediabetes haben die meisten wohl schon mal gehört. Die Tiere, mit denen wir einen Lebensraum teilen, sind uns sehr nah und aus falscher Tierliebe und gut gemeinter Überfütterung kann ein Typ-2-Diabetes auch bei Vierbeinern entstehen. Aber bei Pferden, die im Stall und auf der Weide stehen? Das war mir neu.
Neu, aber leider gar nicht so selten, wie ich bei meiner Recherche feststellen musste. Und es gibt einige Parallelen zur Verbreitung von Insulinresistenz beim Menschen. Galt der sogenannte „Altersdiabetes“, dessen Grundlage eine Insulinresistenz ist, lange als nicht vorhanden bei jungen Menschen, so galt diese Annahme auch bei Pferden. Bis in die 1990er-Jahre war Diabetes beim Pferd nicht bekannt. Kurz nach der Jahrtausendwende tauchten die ersten Fälle auf. Im Gegensatz zum Typ-1-Diabetes, den es bis heute in der equinen Form nicht gibt. Da war allerdings meine aktive Reiterkarriere schon lange zu Ende, weshalb ich von dieser Entwicklung nichts mitbekam. Aber wie konnte es so weit kommen, dass Pferde, die von Natur aus Bewegungstiere sind, eine Stoffwechselkrankheit entwickeln können wie wir Menschen?
Die Antwort darauf ist mit der vergleichbar, die man auch in der Humanmedizin findet: falsche Ernährung, zu wenig Bewegung, Umweltgifte. Gerade Ersteres für mich als ehemalige Reiterin kaum vorstellbar. Aber es hat sich viel getan im Pferdemarkt. Wenn damals noch darauf geachtet wurde, ein leichtfuttriges Pferd nicht mit zu viel Weidegras, Kraftfutter und Leckerlies zu versorgen, scheint diese einfache Stallweisheit immer mehr Pferdebesitzern abhandengekommen zu sein.
Die Auswahl der Futtermittel war zu meiner Pferdezeit vollkommen ausreichend und als Leckerlies bekam man im Reitsportgeschäft solche, die aus Mineralpulver hergestellt wurden. Außerdem wurde jedem Reiter von klein auf eingebläut, dass man ein Pferd damit nicht überfüttert. Wer sein Tier mit Leckereien belohnt, überträgt häufig die eigene Gefühlslage auf seinen Vierbeiner. Pferde machen sich erstaunlich wenig aus Leckerlies – was man von Reitern nicht sagen kann.
Wenn man heute ein Reitsportgeschäft betritt, sieht die Sache ganz anders aus: Es gibt eine große Auswahl an allen möglichen – aber leider nicht pferdegerechten – Leckereien, aus Hagebutten, mit Melasse und allerlei anderem Zucker. Wenn dieser zu viel verfüttert wird, dann passiert genau das, was auch beim Menschen passiert: Man schüttet zu viel Insulin aus, die Resistenz nimmt zu. Wenn noch weitere Symptome hinzukommen, spricht man vom Metabolischem Syndrom – und beim Pferd eben vom Equinen Metabolischen Syndrom.
Da Weidegras viel Zucker (Fruktan) enthält, ist der tägliche Auslauf auf der Wiese leider tabu für insulinresistente Pferde. Häufig kommt Übergewicht und im schlimmsten Fall sogar eine Hufkrankheit hinzu. Klingt alles ziemlich vertraut, nicht wahr?
Auch bei uns Zweibeinern führen Fehler in der Lebensweise dazu, dass eine Insulinresistenz hervortritt. Ernährung, Essverhalten, Schlaf- und Stressmanagement sind auch beim Menschen bekannte Faktoren, die eine Insulinresistenz verstärken können. Es sind aber auch die gleichen Stellschrauben, die einem zur Verfügung stehen, um diese zu normalisieren. Oder im Idealfall vorzubeugen, sodass der Stoffwechsel gar nicht erst entgleisen kann.
Quellen:
https://www.st-georg.de/wissen/equines-metabolisches-syndrom-ems-beim-pferd/
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1090023318301011
https://www.cavallo.de/medizin/so-grasen-pferde-mit-ems-cushing-oder-hufrehe-sicher/
Wissen über Diabetes, Ernährung und Gesundheit – anno 1954 – Antje über neue und alte Thesen rund um Diabetes.
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