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Auch Ärzte können zum Patienten werden. So ging es unserem Autor Dr. Hans Langer im Juni. In der Kolumne Zum guten Schluss berichtet er, wie er den Rollenwechsel erlebt hat.
Es war ein geplanter Eingriff, aber dennoch ungewohnt. Ich musste mich einer Dickdarmspiegelung unterziehen – und aus dem Arzt wurde auf einmal ein Patient. Am Tag des Eingriffs trudelte ich also bereits um halb acht Uhr morgens in der Klinik ein. Wie jeder andere Patient reihte ich mich in die Schlange der Wartenden ein. Dann bekam ich ein Flügelhemdchen an und eine spezielle Hose sowie eine Infusionskanüle in meinen Arm.
Jetzt hieß es warten. Wann hatte ich je so viel Zeit? Und letztlich kamen mir Gedanken, die mir sonst noch nie in den Sinn gekommen waren: Was kann bei dem Eingriff alles passieren? Was geschieht, wenn ein unguter Befund dabei herauskommt? Wer wird den Eingriff denn eigentlich durchführen: vielleicht der Assistenzarzt, der das erst zum dritten Mal macht? Alles Dinge, die ich sonst meinen Patienten auch zumute, ohne überhaupt darüber nachzudenken.
Während ich so wartete, schweifte mein Blick durch den Raum: Ob die Maschinen hier alle sorgfältig gewartet sind? Ob sie den Hygienevorschriften entsprechen? Was ist, wenn ich mir einen Krankenhauskeim einfange? Mich beschäftigten Dinge, die ich bei meinen Patienten gar nicht auf dem ärztlichen Radar habe.
Es ist schon komisch, wenn man, wie mein Chef sagt, auf der falschen Seite der Spritze steht: Denn jetzt gebe ich nicht die Spritze, sondern ich erhalte sie. Ich bin plötzlich ein Patient mit all seinen Sorgen und Ängsten, die bei mir als Arzt natürlich bei weitem nicht so ausgeprägt sind wie bei einem Patienten, der vielleicht nicht so viel medizinische Erfahrung hat.
Wie wohltuend war es, als die Schwester hereinkam und mit mir äußerst freundlich ein paar Worte wechselte; als dann der Oberarzt der Klinik aufkreuzte und mit mir den Ablauf des Eingriffs besprach, da hatte ich das gute Gefühl, in kompetenten Händen zu sein. Bevor es losging und ich eine Beruhigungsspritze bekam, scherzte er noch, ob ich lieber vom letzten Urlaub oder von einer Steuerrückzahlung träumen möchte. Dann erhielt ich die Spritze, und es wurde dunkel.
Als ich erwachte und mich fragte, wann es endlich losgehen würde, stand der Oberarzt da und meinte: “Alles o. k., Herr Kollege!” Welch gutes Gefühl! Dann erblickte ich Gabi, die mich nach der Beruhigungsspritze natürlich abholen musste und mich für den Rest des Tages zuhause auf der Couch verwöhnte. Ein tolles Gefühl! Aber es war auch eine interessante Erfahrung, auf der falschen Seite der Spritze zu stehen.
von Dr. Hans Langer
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Fax: (06131) 9 60 70 90, E-mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (8) Seite 84
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