Ärzte: Wer macht (kann) was?

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© Kirchheim-Verlag/Frank Schuppelius
Ärzte: Wer macht (kann) was?

Ärztlich versorgt werden Diabetiker in Deutschland vorwiegend in der Hausarztpraxis, der Diabetes-Schwerpunktpraxis oder im Krankenhaus. Man nennt dies Versorgungsebenen. Dr. Nikolaus Scheper erklärt die 3 Ebenen und stellt vor allem die Ebenen 1 (Hausarztebene) und 2 (Facharztebene) genauer vor.

Nach Schätzungen gibt es in Deutschland 6 bis 7 Mio. Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes. Aufgrund der Charakteristik dieser chronischen Erkrankung werden diese Menschen im Regelfall ambulant betreut. Nur ausnahmsweise ist die Versorgungsebene 3 – das Krankenhaus – in der Betreuung notwendig.

“Versorgungsebene 1”: der Hausarzt

Zunächst sind da die ca. 50.000 niedergelassenen Hausärzte mit ihren Praxisteams (Versorgungsebene 1), die alle Menschen mit Diabetes als erste Anlaufstation in ihrer Versorgung haben sollten. Speziell für diese Versorgungsstruktur hat der Gesetzgeber seit 2003 strukturierte Betreuungs- und Behandlungsprogramme eingeführt: die Disease-Management-Programme (DMPs) für die Betroffenen mit Diabetes mellitus Typ 2. Im Rahmen dieser DMPs werden regelmäßig, alle drei oder sechs Monate, strukturiert diabetesrelevante Daten und Befunde erhoben und mit dem Betroffenen besprochen.

Zusätzlich soll im Rahmen dieses Gesprächs ein individuelles Therapieziel definiert werden. Dieses kann ein reines Stoffwechselziel sein (“Ihr HbA1c sollte in den nächsten Monaten auf x % sinken …”). Es können aber auch ganz andere Ziele gemeinsam vereinbart werden, die sich z. B. an der individuellen Lebensqualität oder an sozialen Rahmenbedingungen orientieren (Erhalt der Fahrerlaubnis …). Ebenfalls sollte immer wieder besprochen und hinterfragt werden, ob Schulungsmaßnahmen notwendig werden, ob Medikamente angepasst werden müssen, ob sie vertragen werden – das Ganze auf Basis bewährter Diagnostik- und Therapieleitlinien.

Und schließlich ist in dem Gespräch die Frage zu klären, ob es notwendig ist, dass sich der Betroffene in der Versorgungsebene 2, der Facharztebene, vorstellt. Die Notwendigkeit kann sich aus der Qualität des Blutzuckerstoffwechsels ergeben, aber auch wegen neu aufgetretener, auf die Grunderkrankung Diabetes zurückzuführender Zusatz-/Begleiterkrankungen: z. B. Augen-, Nieren-, Fußer-krankungen, Blutdruck-, Herzerkrankungen). Im Rahmen der DMP-Verträge sind genau für dieses Szenario Schnittstellen festgelegt worden: Wann ist welcher Patient wo zu versorgen?

“Versorgungsebene 2”: die Schwerpunktpraxis

Die Versorgungsebene 2 allgemein ist die Facharztebene. Bezogen auf die Grunderkrankung Diabetes mellitus stellt die Versorgungsebene 2 die diabetologische Schwerpunktpraxis (DSP) dar. In Deutschland gibt es ca. 1.000 bis 1.200 DSPen, deren Aufgabe es ist, sich den Problemen in der Versorgung von Menschen mit Diabetes zu widmen, die in der Versorgungsebene 1 nicht geleistet werden können.

Die DSP ist in ihrer Reinform eine Praxis, die auf Zuweisung vom Hausarzt tätig wird, auch wenn das Überweisungsprozedere in der niedergelassenen Ärzteschaft aus abrechnungstechnischen Gründen leider nicht immer so gehandhabt wird, wie das idealerweise vor allem im Sinne der Betroffenen sein sollte. Dabei kümmert sich die DSP um die vielen Menschen mit Typ-2-Diabetes, die einen höheren Bedarf an Diagnostik und Therapie haben – z. B. aufgrund von Stoffwechselentgleisungen, wegen Komplikationen oder wegen Begleiterkrankungen. Der klassische Fall hier: Wird es notwendig, von Tabletten- auf Insulintherapie umzustellen? Die Schwerpunktpraxis muss für ihre Zulassung als DSP im Gegensatz zum Hausarzt ganz spezielle strukturelle und personelle Besonderheiten vorhalten.

Großes Team steht bereit

Neben dem Diabetologen gibt es ein großes Team aus: Diabetesberaterinnen, Diabetesassistentinnen, Wundmanagerinnen, Diätassistentinnen. So kann man z. B. differenzierte Schulungen für unterschiedliche Therapien und Personengruppen anbieten. Und Achtung: Nicht jeder Arzt, der auf seinem Praxisschild Diabetologe stehen hat, hat auch eine Zulassung als diabetologische Schwerpunktpraxis!

Zusätzlich besteht der Versorgungsauftrag für die DSP in der kontinuierlichen Betreuung und Behandlung von Menschen mit Typ-1-Diabetes, für die es ebenfalls seit 2003 ein DMP gibt. Je nach Wissensstand und Qualifizierung werden in einer DSP auch Pumpentherapien begleitet und in vielen Praxen auch darauf umgestellt. Des Weiteren umfaßt der Versorgungsauftrag die Diagnostik und Therapie des Schwangerschaftsdiabetes.

Auch hier wird das Team einer DSP vom Tag der Diagnosestellung an tätig – mit Heranführen an die Blutzuckerselbstkontrolle, Vermitteln von Therapiezielen sowie einer umfänglichen Ernährungs- und Bewegungsberatung – und in den DSPen, die qualitätsgesichert arbeiten, nicht erst nach vier Wochen Wartezeit auf einen Termin, sondern sofort! Auch die Begleitung von Frauen, die einen Typ-1-Diabetes haben und schwanger werden möchten oder dies schon geworden sind, gehört selbstverständlich in enger Abstimmung mit den betreuenden geburtshilflichen Kollegen zu den Aufgaben der DSP.

Eine besondere Herausforderung sind die vielen Menschen mit Diabetes und Fußproblemen; die Probleme können reichen von fast harmlosen Beschwerden, die von einem diabetischen Nervenschaden herrühren (Taubheitsgefühl, Brennen usw.), über klassische Durchblutungsbeschwerden (Schaufensterkrankheit) bis zu schweren und tiefen Geschwüren an Beinen und Füßen. Die Grundversorgung dieser speziellen diabetischen Folgeerkrankung sollte in jeder Schwerpunktpraxis erfolgen!

Aber innerhalb der Ebene der DSP gibt es noch besondere Fußzentren, die sich durch weitere Qualifizierung und besondere Vernetzungsstrukturen auszeichnen: Diese zertifizierten ambulanten Fußbehandlungseinrichtungen (ZAFEen) werden alle 3 Jahre von der Deutschen Diabetes Gesellschaft hinsichtlich ihrer Standards überprüft und zertifiziert.

Gut aufgehoben in den Fußzentren

In einer ZAFE sind Menschen mit Diabetes und Fußproblemen grundsätzlich gut aufgehoben! Hier spielt eine wichtige Rolle auch die enge Vernetzung zu besonders ausgebildeten Fußpflegern (Podologen) und in Bezug auf Diabetesprobleme besonders ausgebildeten Orthopädieschuhmachern: Nur ein solches Team ist in der Lage, dauerhaft und qualitativ hochstehend betroffene Menschen zu versorgen – mit dem Ziel, insbesondere die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten.

Auch eine kleine besondere Gruppe von Menschen mit Diabetes mellitus muss spezialisiert und in Zentren betreut werden: Kinder. Aufgrund der besonderen Anforderungen wird diese Gruppe oft auch in Kinderkliniken betreut; es gibt aber Regionen in Deutschland, wo das nächste klinische Zentrum sehr weit entfernt ist. Im Übrigen gibt es vereinzelt in Praxen niedergelassene Kinderdiabetologen.

Beratungsintensive Probleme

Und dann sind da noch die vielen beratungsintensiven Sonderprobleme: seltenere Diabetesformen (z. B. nach Bauchspeicheldrüsen-, Lebererkrankungen, genetisch bedingte Formen etc. ), Menschen mit besonderen sozialen Problemen, mit Migrationshintergrund, mit Sprach-/Verständigungsschwierigkeiten usw.

Für all diese Menschen mit Diabetes hat die diabetologische Schwerpunktpraxis zwar keine Patentrezepte; aber aufgrund der vorzuhaltenden Strukturen, der besonderen Qualifikationen des Diabetesteams und vor allem des differenzierten Schulungsangebots kann es hier besser gelingen, die oft sehr individuellen Probleme anzugehen und sie sogar manchmal zu lösen.


von Dr. Nikolaus Scheper
Praxis Dres. Scheper & Schneider
Bergstraße 167
45770 Marl-Drewer
E-Mail: n-scheper@gmx.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (11) Seite 24-27

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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