- Behandlung
Dem genetischen Risiko begegnen
3 Minuten
Die Diagnose „Typ-1-Diabetes“ trifft die meisten Familien vollkommen unvorbereitet: Die Erkrankung verursacht zunächst keine Beschwerden. Dafür begleitet sie einen Menschen sein Leben lang. Zwar gibt es bislang keine Heilung, doch in internationalen Studien werden bereits vorbeugende Therapien für Risikopersonen erprobt. Aber wie findet man heraus, ob das eigene Kind zu diesem Personenkreis gehört? Das Institut für Diabetesforschung berichtet.
Wir vom Institut für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München haben einen neuen Test entwickelt, mit dem das Risiko für Typ-1-Diabetes bereits bei Neugeborenen noch genauer als bisher bestimmt werden kann.
Laut Statistischem Bundesamt besuchen im Schnitt 250 Kinder eine deutsche Schule – eines davon wird einen Typ-1-Diabetes entwickeln. Nur ein kleiner Teil der erkrankten Kinder hat einen Verwandten ersten Grades mit Typ-1-Diabetes. Bei diesen Kindern ist schon länger bekannt, dass sie ein um 5 Prozent erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes haben. Jedoch tritt in 90 Prozent der Fälle ein Typ-1-Diabetes auf, ohne dass ein Verwandter davon betroffen wäre. Für diese Familien ist die Erkrankung kaum vorhersehbar.
Unser neu entwickelter Gentest soll nun eine genauere Risikovorhersage als bei herkömmlichen Tests bei jedem Neugeborenen erlauben. Bei dem Test handelt es sich um einen „polygenetischen Risikoscore“ (GRS). Fällt der Test bei 10 Kindern positiv aus, erkrankt mindestens eines von ihnen an Typ-1-Diabetes, also in etwa ein Kind aus einer durchschnittlich großen Schülerclique.
Wie funktioniert der Test?
Bisher wurden ca. 46 Genbereiche entdeckt, die bei Menschen mit Typ-1-Diabetes häufiger vorkommen als bei Menschen ohne Typ-1- oder Typ-2-Diabetes. Zwei Genen aus dem HLA-System (HLA: Humanes Leukozyten-Antigen) kommt dabei die größte Bedeutung zu. Sie verstärken die Empfänglichkeit für einen Typ-1-Diabetes. Gefolgt werden die HLA-Gene in ihrer Wichtigkeit vom Insulingen.
Andere Risikogene, die unsere Immunantwort beeinflussen, spielen für sich genommen eine geringe Rolle beim Krankheitsentstehen. Aber wie bei einem Mosaik das Gesamtbild erst durch viele Bausteine entsteht, leistet jedes einzelne Gen seinen Beitrag zu dem Risiko, einen Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Deshalb fließen in unsere Risikoanalyse nicht nur HLA-Gene wie bei bisherigen Tests ein, sondern auch alle anderen bekannten Genbereiche mit einem Bezug zu Diabetes.
Jeder der 46 Genbereiche wird gewichtet – entsprechend seiner Bedeutung für die Entwicklung des Typ-1-Diabetes. Der Wert wird mit der Anzahl vorhandener „Risikoallele“ multipliziert – ein Gen besteht aus jeweils zwei Allelen; sprich: Ein Gen kann in zwei verschiedenen oder in zwei gleichen Zustandsformen vorliegen.
Diese Zustandsformen sind durch Mutationen bzw. dauerhafte Veränderungen aufgrund von Umwelteinflüssen entstanden. Liegen für einen Genbereich keine Risikoallele vor, wird der betreffende Wert mit „0“ multipliziert. Dies wird für jeden Risiko-Genbereich errechnet. Die Summe ergibt den Risikoscore (Kasten links).
Teilnahme an Studien bei Risiko
Mit dem Risikotest können auch Neugeborene, in deren Familie kein Typ-1-Diabetes vorliegt, erkannt werden, die im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt ein über 25-fach erhöhtes bzw. ein Risiko von über 10 Prozent für Typ-1-Diabetes haben. Den Kindern bieten wir die Teilnahme an einer Studie (z. B. POInT) an, um einen Typ-1-Diabetes zu verhindern.
Freder1k-Studie
Ein erhöhtes Typ-1-Diabetes-Risiko früh erkennen und vorbeugend behandeln ist Teil einer internationalen Initiative zur Prävention von Typ-1-Diabetes.
Ziel:
- Schritt 1: mit Hilfe des neu entwickelten Risikotests Neugeborene mit einem erhöhten genetischen Typ-1-Diabetes-Risiko zu erkennen
- Schritt 2: Neugeborene mit einem Risikoscore über 14,3 vorbeugend in einer Studie (POInT) zu behandeln
Teilnahmebedingungen:
- Alle in Bayern, Sachsen und Niedersachsen lebenden Eltern können ihr Kind innerhalb der ersten drei Lebensmonate kostenlos auf ein Risiko für Typ-1-Diabetes testen lassen.
- Babys, deren Eltern/Geschwister Typ-1-Diabetes haben, können deutschlandweit an der Freder1k-Studie teilnehmen.
Studienablauf:
- Für die Untersuchung reichen wenige Blutstropfen, die durch einen kleinen Stich in die Ferse des Babys oder bei der Geburt aus der Nabelschnur gewonnen werden.
- Ergibt der Test bei einem Kind ein erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes, werden die Eltern ausführlich in einem persönlichen Gespräch über das Risiko und Typ-1-Diabetes aufgeklärt und weiter betreut. Den Familien wird auch angeboten, an der Präventionsstudie POInT teilzunehmen.
▶ weiterführende Informationen
POInT
Ziel:
- Durch Aufnahme von Insulinpulver über die Schleimhäute des Mundes und des Verdauungstraktes soll das Immunsystem darauf trainiert werden, das körpereigene Insulin zu tolerieren. Hintergrund: Das körpereigene Insulin ist oft das erste Angriffsziel. Hierdurch wird die krankmachende Immunreaktionskette ausgelöst.
- Wir erhoffen uns so, die Autoimmunreaktion verhindern zu können.
- Studien konnten die Sicherheit dieses Therapieansatzes aufzeigen.
Teilnahmebedingungen:
- Babys im Alter zwischen 4 und 7 Lebensmonaten,
- bei denen Typ-1-Diabetes-Risikogene festgestellt wurden,
- die bereits kleine Mengen Beikost aufnehmen.
Studienablauf:
- tägliche Zufuhr von Insulinpulver bzw. Placebo mit einer Mahlzeit
- regelmäßige Untersuchungen im Abstand von 2 bis 4 Monaten bis zum Alter von 1,5 Jahren und dann halbjährliche Untersuchungen bis zum Alter von 3 Jahren
▶ weiterführende Informationen
PINIT
Ziel:
- Die vorbeugende Behandlung mit Insulin-Nasenspray soll bei Kindern mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko das Entstehen eines Typ-1-Diabetes verhindern.
- Das über die Nasenschleimhaut aufgenommene Insulin soll das Immunsystem derart trainieren, dass das körpereigene Insulin nicht mehr fälschlicherweise wie ein Fremdstoff bekämpft wird.
Teilnahmebedingungen:
- Kinder im Alter zwischen 1 und 7 Jahren
- mit Diabetes-Risikogenen und
- Diabetes-Autoantikörpern negativ
Studienablauf:
- Über einen Zeitraum von 6 Monaten erhalten die Teilnehmer Insulin oder ein Placebo als Spray verabreicht.
- Die Behandlung erfolgt in den ersten 7 aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 1-mal täglich und danach 1-mal wöchentlich.
- Insgesamt erfolgen 3 Besuche in unserem Studienzentrum in München – zu Behandlungsbeginn, nach 3 und nach 6 Monaten.
von Dr. Evdokia Kalideri
Studienkoordinatorin, Helmholtz Zentrum München,
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH),
Institut für Diabetesforschung, Heidemannstr. 1, 80939 München,
Tel.: 089/3187-49676, E-Mail: evdokia.kalideri@helmholtz-muenchen.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (3) Seite 34-35
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gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus -
hexle postete ein Update vor 1 Woche, 2 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 4 Tagen, 18 Stunden
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*
LG Sndra
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG