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Den eigenen Weg gehen – ein Interview mit Jürgen Schultz
4 Minuten
Was war Ihr erster Impuls, warum wollten Sie an der Interview-Aktion teilnehmen?
Ich dachte: Ok, ich schneide mir den Aufruf aus dem Diabetes-Journal aus und rufe dort an. Vielleicht ist ja meine Vorgehensweise, den Typ-1-Diabetes ohne Unterstützung eines Diabetologen zu behandeln, für andere interessant.

Wann haben Sie die Diagnose Typ-1-Diabetes erhalten und wie war das für Sie?
Während eines Skiurlaubs, den ich 1987 mit meiner Frau in Österreich verbrachte, merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmt. Ständig musste ich zur Toilette. Auf der Rückfahrt nach Hause mussten wir an jeder Raststätte anhalten. Zu Hause angekommen wurde beim Arzt ein sehr hoher Blutzuckerwert festgestellt. Es folgte die direkte Einweisung ins Krankenhaus. Dort erhielt ich im März 1987 die Diagnose Diabetes Typ 1.
Wie ist es dann weitergegangen?
Erst einmal wusste ich mit der Diagnose gar nichts anzufangen. Im Krankenhaus erfolgte die Diabeteseinstellung mit einem Mischinsulin. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus brach dann eine Welt für mich zusammen. Bislang war ich noch nie ernsthaft krank gewesen. Ich tat mich zunächst sehr, sehr schwer mit der Diabetesdiagnose. Ich wollte die Diagnose nicht wahrhaben und versuchte, mich ohne Kohlenhydrate und nur mit Fett zu ernähren. Schnell wurde mir klar: „So geht das nicht – ich muss mich um die Erkrankung kümmern!“
„Ich tat mich zunächst sehr, sehr schwer mit der Diabetesdiagnose.“
Ich begann, über den Diabetes zu lesen, und besuchte einen Vortrag in Kiel. Der Arzt traf Aussagen, an denen ich mich bis heute orientiere: „Versuche, Deine Krankheit selbst zu behandeln, Du machst Fehler, lerne aus den Fehlern. Du wirst weitere Fehler machen, lerne auch aus diesen Fehlern. Irgendwann bist Du so weit, dass Du Dich selbst behandeln kannst.“
Wie hat sich Ihre Diabetesbehandlung entwickelt?
Nach relativ kurzer Zeit schossen die Werte nach den Mahlzeiten in die Höhe, weil das kurzwirksame Insulin im Mischinsulin nicht individuell eingestellt werden konnte. Die Umstellung auf die intensivierte Insulintherapie brachte dann den Erfolg. Um meine Therapieanpassungen kümmerte ich mich immer selber, d.h. ohne Behandlung durch einen Diabetologen oder Unterstützung durch ein Diabetesteam. Das kurzwirksame Insulin spritze ich als Bolus mit dem Pen, das NPH-Basalinsulin ziehe ich aus einer Durchstechflasche in eine Insulinspritze auf. Um Folgeerkrankungen zu vermeiden, achte ich darauf, meinen HbA1c-Wert konstant in einem niedrigen Bereich zu halten. Nach dem Motto: „Ich habe nur einen Körper – wenn ich mich gut behandele, habe ich auch weniger Probleme.“ Es ist weniger aufwendig, sich vernünftig zu verhalten, als im Nachhinein zu versuchen, den entstandenen Schaden zu reparieren.
„Ich habe nur einen Körper – wenn ich mich gut behandele, habe ich auch weniger Probleme.“
Meine Ernährung stellte ich überwiegend auf Obst und Gemüse um. Seit dem Ruhestand, mit 65, genieße ich auch öfters mal schönes Essen in Restaurants oder trinke zwei Gläschen Wein.
Beim Diabetes gilt es, selber Verantwortung zu übernehmen und nicht zu sagen: „Der Arzt hat mich schlecht eingestellt.“ Menschen, die Hilfestellungen bei der Therapie benötigen, sollten diese dann aber auf jeden Fall vom Arzt bekommen.

Hat der Diabetes Ihren Alltag oder Ihre Aktivitäten beeinflusst?
Ich bin ein sportlicher Mensch und ich habe meine sportlichen Aktivitäten auch nach der Diabetesdiagnose beibehalten. Immer mit Blick, auch Vorsorge für Unterzuckerungen zu treffen.
Meine Frau und ich unternahmen im Laufe der Jahre einige Fernreisen: 1991 Florida, 1992 Ägypten, 1993 China, 1998 Norwegen, 2005 Jemen usw. Als Vorbereitung auf eine Nepal-Reise war ich streckenweise alleine in den Alpen unterwegs. Auch beim Reisen wählte ich immer meinen Weg. Inzwischen verreisen meine Frau und ich auch öfters innerhalb von Deutschland, um schöne Ecken im eigenen Land zu entdecken, ohne andere Länder und auch Kreuzfahrten zu vernachlässigen. Unser Lieblingsziel ist der Norden, z.B. die Insel Föhr.
Welche medizinische Vorsorge nehmen Sie in Anspruch?
Den HbA1c-Wert, Albumin und die gängigsten Laborwerte lasse ich regelmäßig bestimmen und ziehe daraus meine Schlüsse. Die Augenuntersuchungen erfolgen jährlich, bisher ohne diabetische Folgeschäden. Das Herz, die Schilddrüse, Koloskopie, Hautkrebsscreening und die Füße lasse ich ebenfalls untersuchen. Erfreulicherweise wurden bei mir bis jetzt keine Folgeerkrankungen des Diabetes festgestellt.
Haben Sie jemals über technische Hilfsmittel wie eine Insulinpumpe oder einen Sensor zur Gewebezuckermessung nachgedacht?
Über die aktuellen technischen Entwicklungen bin ich informiert, habe aber für mich entschieden, dass ich diese bisher nicht nutzen möchte.
„Mein Wunsch ist es, dass ich mich so lange wie möglich selbstständig und selbstbestimmt um meine Diabetestherapie kümmern kann.“
Eine Insulinpumpe ist für mich keine Option, da ich nichts am Körper tragen möchte. Ein Sensorsystem benötige ich nicht, da ich eine gute Körperwahrnehmung habe. Es gibt Indikatoren, an denen ich z.B. einen fallenden und niedrigen Blutzucker bemerke. Dann handele ich direkt. Bei den technischen Hilfsmitteln sehe ich auch den wirtschaftlichen Aspekt der Unternehmen, Gewinne zu erzielen.
Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass ich in der Zukunft in einen Status kommen könnte, wo ich dann z.B. auch technische Unterstützung nutzen würde. Das wäre der Fall, wenn ich nicht mehr in der Lage wäre, z.B. meinen Blutzucker selber zu messen.
Wenn sie an Ihre künftige Diabetesbehandlung denken, welche Wünsche haben Sie für die Zukunft?
Vielleicht gelingt es, den Diabetes irgendwann zu heilen. Bedenklich finde ich die Situation in Alten- und Pflegeheimen. Es fehlt an Personal, um eine individuelle Betreuung von Menschen mit Diabetes zu leisten. Hinzu kommt, dass die Pflegekräfte sich kaum mit Diabetes auskennen.
Mein Wunsch ist es, dass ich mich so lange wie möglich selbstständig und selbstbestimmt um meine Diabetestherapie kümmern kann.
Herzlichen Dank an Jürgen Schultz für das offene und sehr interessante Gespräch.
Alles zum aktuellen Monatsthema findet ihr hier: Du kannst nicht immer 17 sein – älter werden mit Diabetes
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gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus -
hexle postete ein Update vor 1 Woche, 2 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 4 Tagen, 19 Stunden
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*
LG Sndra
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG