Diabetes schon im Vorläuferstadium stoppen?

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Diabetes schon im Vorläuferstadium stoppen?

Einen vielversprechenden Therapieansatz zur Vorbeugung von Typ 1 Diabetes verfolgt die ABATACEPT-Studie: Der Wirkstoff ABATACEPT soll die Aktivität der fehlgesteuerten Immunzellen unterdrücken. Damit könnte die Insulin-Produktion länger oder möglicherweise dauerhaft erhalten bleiben. Die Präventionsstudie des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, und der Forschergruppe Diabetes der Technischen Universität München ging im Januar an den Start und nimmt jetzt Studienteilnehmer auf. ABATACEPT hat sich bereits in der Therapie anderer Autoimmunerkrankungen bewährt.

Typ 1 Diabetes entwickelt sich anfangs im Verborgenen: Oft Jahre bevor erste Symptome auftreten, zirkulieren im Blut der Betroffenen Inselautoantikörper, die zu einer Zerstörung der Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse führen. Vor kurzem hat das Forscherteam um Prof. Anette-Gabriele Ziegler herausgefunden, dass der Nachweis von zwei oder mehr spezifischen Inselautoantikörpern als sicheres Vorläuferstadium der Erkrankung zu werten ist. In diesem Zusammenhang wird in Forscherkreisen deshalb mittlerweile von einem „Prädiabetes“ gesprochen.

Diesen frühzeitig zu erkennen und sein Fortschreiten zu verhindern, hat sich Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München und Leiterin der Forschergruppe Diabetes der TU München sowie des Forschungsbereichs Typ-1-Diabetes im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), zum Ziel gesetzt: „Wir wissen jetzt, ab wann die Uhr der Krankheit tickt und dass es keinen Weg zurück gibt – es sei denn, wir greifen wirksam vorbeugend ein: Auf dem jetzigen Stand der Medizin ist dies nur in Form von Präventionsstudien wie der ABATECEPT-Studie möglich“.

Wie erkennt man einen Prädiabetes?

Mittels eines Inselautoantikörper-Screenings werden die Blutkonzentrationen von vier Inselautoantikörpern ermittelt. Der Name dieser für den Typ 1 Diabetes spezifischen Autoantikörper leitet sich von den „Langerhans-Inseln“ der Bauchspeicheldrüse ab. Diese Zellansammlungen enthalten unter anderem die Betazellen, in denen das für die Regulation des Blutzuckers unabdingbare Hormon Insulin produziert wird. Inselautoantikörper binden an spezielle Bestandteile der Betazellen, die essentiell für den Insulinstoffwechsel sind. Nach diesen sind auch die zugehörigen Inselautoantikörper benannt: Insulinautoantikörper (IAA) sowie Inselautoantikörper gegen Glutamat-Decarboxylase (GADA), Tyrosinphosphatase (IA2A) und der Zinktransporter 8 (ZnT8A). Der Inselautoantikörper-Test erlaubt es, den Typ 1 Diabetes in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, das heißt, noch bevor sich erste Symptome der Krankheit zeigen.

Sind mindestens zwei Inselautoantikörper positiv getestet, liegt das Risiko für einen klinisch manifesten Typ 1 Diabetes bei 51 % nach fünf Jahren und bei 75 % nach zehn Jahren. Von 100 positiv getesteten Kindern haben also 51 nach fünf und 75 nach zehn Jahren das Stadium der Insulinpflichtigkeit erreicht. Die weltweite Diabetesforschung arbeitet allerdings mit Nachdruck daran, diesen natürlichen Krankheitsverlauf durch präventive Therapien aufzuhalten.

Wie soll ABATACEPT die Entwicklung des Typ 1 Diabetes stoppen?

Das Institut für Diabetesforschung und die Forschergruppe Diabetes sind Teil des internationalen Netzwerks TrialNet, das gemeinsam mit Forschern aus anderen Ländern unterschiedliche Therapien testet, mit denen das Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten werden soll. Diese Bemühungen spiegeln sich unter anderem in der internationalen ABATACEPT-Studie wider. Die Studie spielt auch für das DZD eine wichtige Rolle, indem sie dazu beiträgt, eine deutschlandweite Infrastruktur für Studien zum Typ-1-Diabetes zu etablieren.

Ziel des Einsatzes von ABATACEPT ist es, die Aktivität der Immunzellen zu unterdrücken, welche die körpereigenen Betazellen attackieren. „ABATACEPT ist ein Antikörper-ähnlicher und gut verträglicher Wirkstoff“, so Ziegler. „Er hemmt die Interaktion zwischen bestimmten Immunzellen, den T-Lymphozyten, und bremst somit den Autoimmunprozess.“ Das Medikament ist bereits für die Therapie anderer Autoimmunerkrankungen zugelassen. Dies sind bei Erwachsenen in erster Linie die rheumatoide Arthritis sowie bei Kindern und Jugendlichen die juvenile idiopathische Arthritis. Eine erste Studie mit Typ 1 Diabetikern, die kurz nach Diagnosestellung für 24 Monate mit ABATACEPT behandelt wurden, zeigte ebenfalls eine eindeutige langfristige Verbesserung der Betazellfunktion. Die Rest-Insulin-Produktion blieb länger erhalten.

An dieser Präventionsstudie können erst- und zweitgradig Verwandte eines Typ 1 Diabetikers (Kinder, Geschwister, Eltern, Enkel) zwischen 12 und 45 Jahren teilnehmen, bei denen mindestens zwei Inselautoantikörper (alle außer IAA) vorliegen. Sie müssen über normale Blutzuckerwerte verfügen.

Warum Früherkennung?

Ob ein Interessent die Kriterien für eine Teilnahme an der ABATACEPT-Studie oder einer anderen Diabetes-Präventionsstudie erfüllt, darüber entscheidet das Ergebnis des Inselautoantikörpertests. Für jede Studie gelten andere Zugangsvoraussetzungen.

Ein weiterer wichtiger Vorteil einer frühen Diagnose des Typ 1 Diabetes durch Inselautoantikörper-Screening liegt darin, dass schwere Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidosen) bei Ausbruch der Erkrankung vermieden werden können. Bei etwa einem Drittel aller Kinder und Erwachsenen, die einen Typ 1 Diabetes entwickeln, wird die Erkrankung erst durch Auftreten einer schweren und zum Teil lebensbedrohlichen Ketoazidose diagnostiziert. Ketoazidosen können zu einer langfristigen Beeinträchtigung der Hirnfunktion und Denkleistung führen, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

Eine frühe Diabetesdiagnose kann bei Kindern mit positiven Inselautoantikörpern durch gelegentliches Testen von Urin- und Blutzucker einer Ketoazidose vorbeugen. Forschungsarbeiten aus den USA, Deutschland und Skandinavien zeigen eindeutig, dass die Zahl der Stoffwechselentgleisungen und Ketoazidosen bei Kindern, die an einem Inselautoantikörper-Screening teilgenommen haben, extrem gering ist.

Wie läuft das Inselautoantikörper-Screening ab?

Das Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, bietet Verwandten von Patienten mit Typ 1 Diabetes ein kostenloses Diabetesrisiko-Screening an. Zu diesem Zweck wird eine kleine Blutmenge benötigt, die beim Haus- oder Kinderarzt abgenommen und per Post an das Institut für Diabetesforschung in München geschickt werden kann. Im Zuge der Screening-Untersuchung erhält jeder Teilnehmer eine individuelle Beratung und nach Ermittlung des Inselautoantikörperstatus einen Befundbrief. Bei Vorliegen von Inselautoantikörpern erhalten Sie eine Schulung und langfristige medizinische Betreuung sowie auf Wunsch wird eine Beratung bzw. Betreuung eines Psychologen vor Ort vermittelt.


Quelle: Institut für Diabetesforschung

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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