- Behandlung
Die Zukunft der Diabetesforschung
4 Minuten
Der 100. Jahrestag der Entdeckung des Insulins ist ein Meilenstein in der Diabetesforschung. Nach wie vor rettet die Behandlung mit Insulin vielen Menschen das Leben. Gleichzeitig sagt die Internationale Diabetes-Föderation (IDF) einen weltweiten Anstieg der Diabetesfälle auf 700 Millionen Patientinnen und Patienten bis zum Jahr 2045 voraus. Forschende des Helmholtz Zentrums München geben einen Ausblick auf die Zukunft der Diabetesforschung und mögliche Therapien.
Im Interview:
Dr. Carolin Daniel und Prof. Dr. Heiko Lickert forschen am Helmholtz Diabetes Center des Helmholtz Zentrums München. Prof. Lickert konzentriert sich auf die Diabetes- und Regenerationsforschung, Dr. Daniel führt ihre Studien im Bereich der immunologischen Toleranz bei Diabetes durch. |
Hundert Jahre Insulin in der Diabetologie haben das Leben von Millionen Menschen verändert. Seit der ersten Behandlung haben Wissenschaftler:innen viel über dieses lebenswichtige Hormon gelernt. Werden wir jemals in der Lage sein, Diabetes zu heilen?
Dr. Carolin Daniel: Unser großes Ziel ist es, dass eines Tages kein Kind mehr mit Typ-1-Diabetes neu diagnostiziert wird. Um dies zu erreichen, sind bevölkerungsweite Tests von entscheidender Bedeutung. Die Tests werden dazu beitragen, Kinder zu erkennen, bei denen das Risiko besteht, an Typ-1-Diabetes zu erkranken – oder die sich in einem frühen Stadium der Krankheit befinden. Dies wird das Krankheitsmanagement verbessern und die Möglichkeit bieten, Präventionsstrategien einschließlich insulinspezifischer Immuntherapien zu entwickeln und effizient anzuwenden.
Jüngste klinische Studien mit Immuntherapien zur Wiederherstellung der Betazellfunktion und zur Verhinderung oder Verzögerung des Fortschreitens des klinischen Typ-1-Diabetes zeigten vielversprechende Erfolge. Wir freuen uns sehr, dass diese Immuntherapien der erwarteten Zulassung durch die Zulassungsbehörden immer näherkommen.
Prof. Dr. Heiko Lickert: Derzeit behandeln alle verfügbaren Therapien die Symptome von Diabetes (d.h. hohe Blutzuckerwerte), nicht aber die eigentlichen Ursachen, den Verlust und die Fehlfunktion der Betazellen. Um den kontinuierlichen Anstieg der Neuerkrankungen zu stoppen, sehen wir daher einen dringenden Bedarf an neuen Therapien, die die körpereigene Betazellmasse bzw. deren Funktion schützen oder regenerieren. Hier gibt es zwei vielversprechende Ansätze: Im ersten versucht man, die Regeneration der körpereigenen Betazellen herbeizuführen. Im zweiten Ansatz fokussiert man sich darauf, verlorene Zellen mit Betazellen aus menschlichen pluripotenten Stammzellen zu ersetzen. In beiden Fällen zeigt die Forschung äußerst vielversprechende Erfolge.
Insulin ist heute für viele Menschen mit Diabetes lebenswichtig oder sogar lebensrettend. Doch die Injektionen sind mit Nebenwirkungen verbunden. Wie stellen Sie sich die Behandlung von insulinabhängigen Patient:innen in der Zukunft vor?
Prof. Lickert: Heiko Lickert: Insulin wird seit fast 100 Jahren zur Behandlung eingesetzt, aber das erhöhte Risiko einer unbeabsichtigten Gewichtszunahme und bereits vorhandene oder neu entstehende Insulin-Autoantikörper schränken den breiteren Einsatz von Insulin auch als Präventivmittel ein. Die Inseltransplantation hat sich als erfolgreich erwiesen, um bei Menschen mit Typ-1-Diabetes wieder einen normalen Blutzuckerspiegel herzustellen. Bei der Transplantation muss jedoch das körpereigene Immunsystem unterdrückt werden, damit es das Transplantat nicht abstößt. Außerdem sind zu wenig Spenderorgane vorhanden, um alle damit zu therapieren.
Deshalb brauchen wir neue Möglichkeiten, um die funktionelle Betazellmasse zu schützen oder zu regenerieren und das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten. In Kombination mit Einzelzellgenomik, Bioinformatik und KI-Analysen identifizieren wir deshalb neue Zielstrukturen für regenerative Therapien. Kürzlich haben wir einen neuartigen, medikamentös behandelbaren Insulin-inhibitorischen Rezeptor namens Inceptor entdeckt. Wenn wir die Funktion von Inceptor blockieren, erhöht wird der Insulinsignalweg sensibler und das ist gut für die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Die klinische Umsetzung dieser Erkenntnisse könnte es ermöglichen, Betazellen zu schützen und/oder zu regenerieren, und damit Diabetes zu verhindern oder eine Remission herbeizuführen.
Dr. Daniel: Zusätzlich ist es wichtig zu bedenken, dass Insulin bei Typ-1-Diabetes auch das Hauptziel der Autoimmunreaktion ist, es wird regelrecht bekämpft. Dieses Wissen können wir für die Entwicklung künftiger insulinspezifischer Immuninterventionsstrategien nutzen. Zum einen forschen wir an neuen Ansätzen, um den Körper an das Hormon zu gewöhnen – Immuntherapie mit Insulin sozusagen. Zum anderen könnten auch neuartige mRNA-Impfstoffe helfen, um das Immunsystem entsprechend auf die Akzeptanz von Insulin zu trainieren. Weitere Möglichkeiten könnten sich aus der Kombination von insulinspezifischer Immuntherapie mit anderen immunadaptierenden Wirkstoffen ergeben.
Diabetes hat bereits eine epidemische Dimension mit steigenden Zahlen. Dennoch ist seine Dringlichkeit nicht omnipräsent. Was können wir aus der aktuellen COVID-19-Pandemie lernen?
Carolin Daniel: Die globale Herausforderung COVID-19 hat deutlich gezeigt, dass wir in der Lage sind, in sehr kurzer Zeit erhebliche Fortschritte und sogar wissenschaftliche Durchbrüche zu erzielen. Aber dafür müssen Öffentlichkeit, Politik, Pharmaindustrie und Forschung an einem Strang ziehen. Ein solch beeindruckender Fortschritt könnte auch bei Erkrankungen wie Diabetes möglich sein, wenn wir sie als die globale Bedrohung sehen, die sie tatsächlich sind, und unsere gemeinsamen Anstrengungen entsprechend verstärken.
Prof.Lickert: Derzeit sind weltweit 463 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, allein in Deutschland mehr als 7 Millionen. Alle sieben Sekunden stirbt ein Mensch an Diabetes. Keine der derzeitigen pharmakologischen Behandlungen kann das Fortschreiten der Krankheit aufhalten oder die Entwicklung von mehr oder weniger schweren Komplikationen verhindern, die zu einem vorzeitigen Tod führen können. Die COVID-19-Pandemie hat uns vor eine große Herausforderung gestellt und deutlich gemacht, dass man mit einer unglaublichen gemeinsamen Anstrengung in kurzer Zeit lebensverändernde wissenschaftliche Ergebnisse erzielen kann. Darin liegt unser Antrieb.
Quelle: Helmholtz Zentrum München | Redaktion
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gingergirl postete ein Update vor 6 Tagen, 17 Stunden
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus -
hexle postete ein Update vor 1 Woche
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Tagen, 21 Stunden
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*
LG Sndra