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Menschen mit Diabetes wissen, dass sie besonders auf ihre Füße achten sollten. Denn eine kleine und harmlos wirkende Wunde kann zu dramatischen Folgen führen. Auch auf politischer Ebene tut sich bei der Versorgung inzwischen einiges.
Wenn sich eine Amputation finanziell mehr lohnt als eine wochenlange stationäre Behandlung einer Wunde, ohne dass die Kosten dafür gedeckt sind, braucht man sich nicht zu wundern, wenn regional die Zahl der Amputationen bei Menschen mit Diabetes in Deutschland immer noch zunimmt. Andererseits gibt es Signale für eine bessere bezahlte ambulante Versorgung von Menschen mit Diabetischem Fußsyndrom (DFS): In Berlin ist es gelungen, einen Strukturvertrag zur Vergütung von Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom auf den Weg zu bringen.
Dieser Vertrag beinhaltet die strukturierte und qualifizierte Vorbeugung und Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms. So muss man nicht mehr nur darauf hoffen, bei der Behandlung auf motivierte Behandelnde zu treffen. Laut Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) ist dies ein Meilenstein für eine solide, nachhaltige Finanzierung und damit auch für eine Verbesserung der Versorgung von Menschen mit DFS.
Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft werden Menschen mit DFS immer noch zu spät spezialisierten Einrichtungen vorgestellt. Oft besteht noch die (falsche) Vorstellung, dass das DFS nur eine Wunde am Fuß von Menschen mit Diabetes sei – die komplexen Zusammenhänge, die dazu geführt haben und die bei einer erfolgreichen Behandlung bzw. Heilung berücksichtigt werden müssten, werden oft nicht beachtet. Fasst man die Definition des DFS weit, gehören dazu nicht nur bereits vorhandene Wunden und Veränderungen der Knochen in jedem Stadium, sondern bereits das erhöhte Risiko, aufgrund einer gestörten Nervenfunktion oder Durchblutung aufgrund des Diabetes Wunden zu erleiden.
Um die Situation der Versorgung von Menschen mit DFS zu verbessern, hat die DDG beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag auf Implementierung einer Pauschale für die “Komplexbehandlung des diabetischen Fußsyndroms” gestellt. Diese soll die verschiedenen Aspekte bei Diagnostik und Therapie des DFS berücksichtigen. In Deutschland gibt es laut Arbeitsgemeinschaft etwa 300 von der DDG akkreditierte Behandlungs-Einrichtungen, die neben einer interdisziplinären Versorgung durch Diabetologie, Gefäßchirurgie, Angiologie und Radiologie eine interprofessionelle Versorgung durch Podologie, Orthopädie-Schuhtechnik, Wundexpertinnen und -experten, Diabetes-Beratungsberufe und weitere Fachrichtungen ermöglichen. Der Erfolg einer Behandlung und auch die Häufigkeit von wiederauftretenden Wunden (Rezidiven) hängen ganz von einer derart professionellen Behandlung ab.
In diesem Zusammenhang wird auch vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und deren Vertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) von einer Neustrukturierung von Hilfsmittel-Gruppen berichtet. Eine “Neuregelung” zu Einlagen, orthopädischen bzw. Spezialschuhen bzw. eine genauere Praxis der Verschreibung und Genehmigung sind vorgesehen. So wurde auch ein aussagekräftiger Begleitbogen zur Verordnung ausgearbeitet, um dem MDK häufiger eine zustimmende Entscheidung zu ermöglichen statt einer ablehnenden.
Wenn eine Wunde nicht innerhalb von sechs bis acht Wochen abheilt, sprechen wir von einer chronischen Wunde. Davon betroffen sind in Deutschland etwa 4 Millionen Menschen. Mit zunehmendem Alter der Betroffenen haben diese nicht nur eine Wunde (Geschwür) durch den Diabetes, sondern oft auch einen Dekubitus, also ein Druck- oder Lagerungs-Geschwür an Rücken und/oder Fuß und auch gehäuft ein Unterschenkel-Geschwür (Ulcus cruris), wie man es häufiger bei älteren Menschen mit Krampfadern findet.
In die Behandlung einer chronischen Wunde wie dem DFS sollten, wie beschrieben, sowohl verschiedene ärztliche Disziplinen als auch andere therapeutische Fachgruppen einbezogen werden. Zu diesen weiteren Fachgruppen bzw. Dienstleistungs-Bereichen gehören u. a.:
Die rechtzeitige Diagnose einer chronischen Wunde ist die Basis einer erfolgreichen Behandlungs-Strategie. Diese sollte sich an der ABCDE-Regel orientieren (siehe Tabelle oben). Da Bakterien selten die alleinige Ursache chronischer Wunden sind, ist ein an der Oberfläche abgenommener Abstrich für eine Untersuchung sinnvoll. Der Abstrich sollte nach der Methode des Essener Kreisels erfolgen: Der Abstrich wird, mit leichtem Druck, kreisend von außen nach innen über die gesamte Fläche der Wunde durchgeführt. Besteht bereits klinisch der Verdacht auf eine Infektion der Wunde, sollte der Abstrich direkt aus der Stelle entnommen werden, die infiziert erscheint (Levine-Technik). Zuvor sollten oberflächliche Belege entfernt werden, zum Beispiel mit physiologischer Kochsalz-Lösung und sterilen Kompressen. Biopsien bei tieferen Wunden sind sinnvoll.
Eine Antibiotika-Therapie sollte bei diesen sechs Symptomen erfolgen:
Das Risiko von Menschen mit Diabetes für eine hohe Amputation, also oberhalb des Sprunggelenks, aufgrund einer vermeintlich harmlosen Wunde beträgt etwa das 20-Fache im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes. Von den etwa 250 000 bis 300 000 Menschen mit Diabetes mit Fuß-Läsionen in Deutschland erleiden jedes Jahr etwa 12 000 bis 16 000 eine hohe Amputation.
Die Zahl der Amputationen an den unteren Extremitäten ist zwar um etwa 25 Prozent gestiegen, aber die Zahl an hohen Amputationen an den Beinen ist in den letzten Jahren um etwa 30 Prozent zurückgegangen. Zu der Verbesserung der Situation hat die Entwicklung von regionalen Diabetes-Fuß-Zentren geführt, aber auch die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß, die an nationalen und internationalen Projekten mitarbeitet und Leitlinien entwickelt.
Nach wie vor bleiben Menschen mit Diabetes bezüglich einer Wunde am Fuß besonders gefährdet. In 50 bis 70 Prozent ist die Ursache einer Wunde eine diabetische Polyneuropathie, also eine Nervenschädigung durch den Diabetes. Die Betroffenen spüren dadurch oft kaum oder keine Schmerzen und verschleppen so einen möglichst raschen Beginn einer Therapie. Kommt es dann noch zu einer Infektion der Wunde, fehlen wegen der Polyneuropathie oft die üblichen Schutzfunktionen. Kommt dazu noch eine gestörte Durchblutung der Beine, wird es gefährlich. Wenn jetzt nicht rechtzeitig sowohl die Wunde als auch die gestörte Durchblutung behandelt werden, steigt das Risiko für eine Amputation deutlich. Häufige Ursachen sind z. B.:
Die Gefahr bezüglich einer Amputation steigt mit dem Vorhandensein eines Nervenschadens und einer gleichzeitigen Störung der Durchblutung des betroffenen Fußes. Mit der Klassifikation nach Wagner und Armstrong (siehe Tabelle Seite 34) können diese Risiken gut beurteilt werden – insbesondere, wenn noch eine Infektion hinzukommt.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (9) Seite 32-36
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