Insulintherapie in allen Lebenslagen

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Insulintherapie in allen Lebenslagen

Egal ob Typ-1- oder Typ-2-Diabetes: Sobald Sie nach einem intensivierten Schema Insulin spritzen, gibt es Situationen, in denen Sie die Dosis anpassen sollten, um Unter- oder Überzuckerungen zu vermeiden. Solche Situationen können im Urlaub, bei körperlicher Aktivität, Krankheit oder bei Veränderung Ihres Gewichtes entstehen. Vielleicht finden Sie sich in folgenden Fallbeispielen wieder?

Der geplante Wanderurlaub …

Herr W. plant im Herbst einen Wanderurlaub in Südtirol. Im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie spritzt er zweimal täglich ein Verzögerungsinsulin und ein kurzwirkendes Analoginsulin zu den Mahlzeiten.

Er weiß, dass er für eine kurzfristige körperliche Belastung das Mahlzeiteninsulin reduzieren kann. Bei seinen täglichen Nordic-Walking-Touren, die immer nach dem Abendessen beginnen und eine Stunde dauern, reduziert er es vor dem Abendessen um ca. 30 Prozent, bei anstrengenden Touren manchmal auch um die Hälfte. Für seinen Wanderurlaub plant er jedoch, den ganzen Tag unterwegs zu sein.

Dosis des Verzögerungsinsulins reduzieren

Da es sich um eine ganztägige körperliche Aktivität handelt, ist es auch möglich, die Dosis des Verzögerungsinsulins zu reduzieren – um wie viel, muss er an den ersten beiden Tagen mit vermehrten Messungen ausprobieren, auch mit einer Messung nachts um 2 Uhr.

Für die Aktivität selbst reduziert er das Verzögerungsinsulin morgens; allerdings muss er auch abends daran denken, dass der Blutzucker über Nacht absinken kann – man spricht vom Muskelauffülleffekt: Dadurch, dass der Körper tagsüber Energie liefern muss, füllen sich nachts die verbrauchten Reserven wieder auf, der Blutzucker sinkt.

Schnelle Kohlenhydrate für den Notfall

Für den Notfall sollte er auf alle Fälle ausreichend schnelle Kohlenhydrate (Traubenzucker, Gummibärchen etc.) mit auf die Wanderung nehmen. Günstig ist ebenfalls, zwischendrin und vor allem auch vor dem Zubettgehen langsamwirkende Kohlenhydrate zu essen, um einer Unterzuckerung vorzubeugen; dafür eignen sich belegte Brote oder Schokoriegel.

Zusätzlich sollte Herr W. für den Urlaub die benötigten Diabetesutensilien in etwa doppelter Menge mitführen. Da der Urlaub im Herbst geplant ist, braucht er keine Besonderheiten in Bezug auf die Temperatur zu beachten. Im Sommer müsste das Insulin vor Wärme und im Winter vor Kälte geschützt und entsprechend transportiert werden.

Bei großen Höhen: geeignetes Messgerät mitnehmen

Das Gipfelziel liegt auch nicht sehr hoch, so dass er hier bei seinem Messgerät ebenfalls nichts beachten muss. Für sehr hohe Höhen bräuchte er ein Messgerät, das bei geringer Luftdichte ebenfalls zuverlässig misst.

Da er sich im deutschsprachigen Ausland befindet, ist nichts weiter zu berücksichtigen. Jedoch sollten Patienten mit einem Typ-1-Diabetes Keton-Teststreifen und ein Glucagon-Set mitführen. Für einen Urlaub im Ausland sollte er sich im Vorfeld erkundigen, wie die Insuline dort heißen, falls er welches benötigt. Verschiedene Unternehmen bieten diesbezüglich Dolmetscher-Broschüren an.

Die Zeitzonenverschiebung …

Herr A. hat Typ-1-Diabetes und plant eine Auslandsreise mit einer Zeitverschiebung zwischen Heimat und Urlaubsort von drei Stunden. Er spritzt einmal täglich ein Verzögerungsinsulin und tagsüber ein schnelles analoges Mahlzeiteninsulin mit KE-Faktoren. Diese kleinere Zeitverschiebung, bis zu drei Stunden, muss Herr A. nicht beachten, er kann seine Therapie wie gewohnt weiterführen.

Bei kurzfristigen Aufenthalten mit größerer Zeitverschiebung hatte Herr A. gute Erfahrungen damit gemacht, das Insulin zu der Zeit zu spritzen, zu der er auch in Deutschland gespritzt hätte. Die erhöhten Werte hatte er mit dem schnellen Analoginsulin korrigiert.

Längerer Aufenthalt: Dosis auf Ortszeit anpassen

Für längere Aufenthalte bietet sich jedoch an, die Dosis auf die neue Ortszeit anzupassen: Bei einem Flug in den Westen verlängert sich der Tag. Das letzte Basisinsulin wird noch nach deutscher Zeit injiziert. Sobald aber die nächste Dosis nach deutscher Zeit gespritzt werden müsste, nach neuer Ortszeit aber noch Zeit wäre, muss die dadurch entstandene Insulinlücke mit Korrekturen durch schnelles Insulin ausgeglichen werden.

Was beim Rückflug zu beachten ist

Nach dem Reisetag spritzt er dann zu den gewohnten Uhrzeiten nach der neuen Ortszeit. Beim Rückflug (in den Osten) verkürzt sich der Tag: Daher muss Insulin reduziert werden, da sich sonst die Wirkungen überlappen könnten. Eine andere Möglichkeit wäre, die letzte Verzögerungsinsulindosis auszulassen und durch Korrekturen alle drei Stunden auszugleichen.

Die KE-Faktoren kann er am nächsten Tag passend zur Ortszeit verwenden. Sind die KE-Faktoren im Lauf des Tages sehr unterschiedlich, kann auch sinnvoll sein, immer den niedrigsten KE-Faktor des Tages zu verwenden und die dadurch eventuell erhöhten Werte mit Korrekturinsulin auszugleichen.

Bei Krankheit viel trinken

Frau K. fühlt sich schlecht, sie leidet unter Kopf- und Gliederschmerzen. Es scheint sich ein grippaler Infekt anzubahnen. Seit einem Tag hatten bereits höhere Blutzuckerwerte den Infekt angekündigt. Sie misst morgens nach dem Aufstehen einen Blutzuckerwert von 200 mg/dl (11,1 mmol/l). Sie zwingt sich zu einem kleinen Frühstück, injiziert das Insulin für die Kohlenhydrate und spritzt sich eine normale Korrektur.

Da sie trotz des Infekts zur Arbeit geht, misst sie erst wieder kurz vor der Mittagspause. Hier stellt sie fest, dass der Blutzucker noch weiter angestiegen ist. Sie spritzt wiederum eine normale Korrektur. Da jedoch die Symptome schlimmer geworden sind, meldet sie sich krank und geht nach Hause. Als Typ-1-Diabetikerin weiß sie, dass sie ketoazidotisch entgleisen kann und kauft sich noch frische Keton-Teststreifen in der Apotheke.

Blutzucker- und Ketonmessung sowie Korrektur alle zwei Stunden

Zu Hause misst sie am Nachmittag den Blutzucker – erneut angestiegen! Sie misst auch die Ketone, die jedoch negativ sind. Sie wiederholt nun die Blutzucker- und Ketonmessung alle zwei Stunden und korrigiert ebenfalls alle zwei Stunden.

Bei einem Infekt oder nach einer Kortison-Infusion oder -Spritze können die Blutzuckerwerte nach oben entgleisen. Das passiert bei Menschen mit Typ-1- wie auch bei Typ-2-Diabetes. Der Grund hierfür ist ein erhöhter Insulinbedarf aufgrund des gespritzten Kortisons oder der körpereigenen Kortisol-Produktion.

ketoazidotischen Entgleisung: Korrektur verdoppeln

Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes kann dies bis zu einer ketoazidotischen Entgleisung führen; hier reicht es nicht mehr, die einfache Korrektur alle zwei Stunden durchzuführen – sie sollte verdoppelt werden. Dies gilt immer dann, wenn die Keton-Messungergebnisse 2- oder 3-fach positiv sind.

Bei Erkrankung sollten Sie auf alle Fälle viel trinken und Anstrengungen vermeiden. Informieren Sie Ihren Arzt, dass er Ihnen bei der Insulinanpassung helfen kann. Eine andere Situation kann eintreten, wenn man einen Magen-Darm-Infekt hat oder etwas Verdorbenes gegessen hat. In diesem Fall weiß man nicht, wie viele Kohlenhydrate wirklich im Darm aufgenommen werden.

Zur Sicherheit sollte in einer solchen Situation nur das Verzögerungsinsulin gespritzt werden, das Mahlzeiteninsulin wird nur für die dreistündliche Korrektur verwendet.

Gewicht und Insulin reduziert

Frau A. hat erfolgreich an einem Abnehmkurs der Krankenkasse teilgenommen. Ihr Gewicht beträgt nun ca. 5 kg weniger. Sie isst seit dem Kurs insgesamt weniger, isst mehr Ballaststoffe, mehr pflanzliche und weniger tierische Lebensmittel – und sie bewegt sich deutlich mehr als früher.

Durch diese Veränderungen muss ihre Insulindosierung verändert werden. Aufgrund des veränderten Verhältnisses zwischen Kohlenhydraten einerseits und Fett und Eiweiß andererseits benötigt sie nun weniger Verzögerungsinsulin und etwas mehr Mahlzeiteninsulin. Durch die vermehrte Bewegung braucht sie allerdings insgesamt weniger Insulin.

Hormon in den Wechseljahren

Frau W. klagt über Wechseljahrbeschwerden. Sie schwitzt und fühlt sich teils unruhig. Hin und wieder plagen sie regelrechte Heißhungerattacken. Durch die Hormonveränderungen schwanken auch die Blutzuckerwerte vermehrt. Frau W. kann zunehmend schlechter unterscheiden, ob sie Unterzuckerungssymptome hat oder ob die Symptome von den Wechseljahren kommen.

Hier ist es wichtig, dass Frau W. ihren Frauenarzt aufsucht und mit ihm über Möglichkeiten zur Behandlung von Wechseljahrbeschwerden spricht – und dabei die schwierige Diabeteseinstellung erwähnt. Beim Diabetologen kann sich Frau W. Hilfe zur Anpassung ihrer Insulindosis holen und eventuell durch ein Hypoglykämie-Wahrnehmungstraining lernen, auf andere Unterzuckerungssymptome zu achten.

Zusammenfassung

Auf spezielle Situationen, die vom Alltag abweichen, werden Sie immer wieder stoßen. Manchmal ist eine kleinere Blutzuckerschwankung auch zu akzeptieren – wie, wenn Sie sich ärgern und dadurch der Blutzucker kurzfristig nach oben geht. Bei längerfristigen oder häufigen Situationen wie in den Beispielen lohnt sich jedoch eine Insulindosisanpassung. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihr Diabetes-Team.


von Dr. oec. troph. Astrid Tombek

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (11) Seite 42-45

 

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  • cesta postete ein Update vor 1 Woche

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • sveastine antwortete vor 1 Woche

      @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • mayhe antwortete vor 1 Woche

      @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • mayhe antwortete vor 1 Woche

      @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

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